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Warum hatten die Menschen früher eine andere Perspektive?

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Zaporiel
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Beiträge: 53


New PostErstellt: 01.04.10, 21:59  Betreff: Warum hatten die Menschen früher eine andere Perspektive?  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

Also zum Halbjahr haben wir in der Schule wieder Kunst bekommen und unser Lehrer hat uns die ersten vier Kunststunden mit Theorie zugedröhnt und wenn er erstmal angefangen hat zu erzählen, dann richtig und dann auch über Sachen, die nichts mit Kunst zu tun haben.
Aber was mich dann doch sehr interessiert hat, war die "Geschichte der Perpektive" sozusagen. Mir war das so nie bewusst, aber als er das so erzählt hat, hat mich das schon zum Nachdenken gebracht.

Also ihr wisst ja in der Antike bei den Ägyptern und bei den Römer und Griechen sind diese ganzen Malereien von Menschen immer von der Seite gemacht worden. Und es mussten immer alle Körperteile zu sehen, weil sie es sich früher nicht vorstellen konnten, dass ein Körperteile nicht zu sehen sein kann.

Jetzt meine Frage:
Wie kann das sein, das die Menschen damals im Grunde genau das selbe gesehen haben wie wir, aber es nicht auch so zeichnen konnten, wie es wirklich ist? Ich meine das naheliegenste ist doch es genauso zu zeichnen wie es ist! Wie kann das sein, dass man damals einen Menschen nicht von vorne zeichnen konnte, aber Skulpturen und Statuen dreidemensional machen konnte?
Oder was ist mit Kleinkindern. Die zeichnen die Welt auch nicht so wie sie ist, aber sehen tun sie doch das gleiche wie wir Jugendlichen und Erwachsenen!
Unser Lehrer hat gemeint, diese perspektivische Zeichnung mit Fluchtpunkten könnte man erst Kindern ab der 7. Klasse beibringen, weil sie es vorher nicht verstehen würden und das ihre ganze Welt umkrempeln würde. Aber warum? Das kann doch nicht alles an der Wahrnehmung liegen, oder doch? Oder wie haben die Menschen damals in der Antike alles wahrgenommen und wie nehmen Kleinkinder die Welt war?

Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das alles erst so richtig erfunden werden musste.

Was meint ihr dazu?




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Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.
(Albert Einstein)
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Jan
Administrator

Beiträge: 8969
Ort: Oebisfelde


New PostErstellt: 02.04.10, 01:26  Betreff: Re: Warum hatten die Menschen früher eine andere Perspektive?  drucken  weiterempfehlen

Da hat dein Kunstlehrer doch sein Gutes, denn hier hast du ein sehr interessantes Thema angeschnitten. Wir wissen ja, dass die Entwicklung jedes einzelnen Menschen auch die Entwicklung der gesamten Menschheit widerspiegelt. So zeigt ein Embryo im Mutterleib in einem bestimmten Wachstumsstadium zum Beispiel Kiemen, weil die Fische in der Evolution eine Vorstufe der Säugetiere waren.
Genauso macht die Wahrnehmungsfähigkeit jedes Menschen Stadien durch, die auch die Menschheit als Ganzes einmal durchgemacht hat.

Als kleines Kind müssen wir zunächst lernen, die Umwelt möchlichst vereinfacht benennen und einordnen zu können, damit wir uns in der unübersichtlichen Vielfalt überhaupt zurechtfinden. Also verwenden wir das Zeichnen als eine Art Bilderschrift, ähnlich wie die Hieroglyphen oder wie Verkehrszeichnen, die möglichst vereinfacht das Wesentliche zeigen sollen. Deswegen lassen sich Kinderzeichnungen mit Strichmännchen auch wunderbar lesen als Botschaft des Unterbewusstseins, das sich beim Zeichnen ganz automatisch ausdrückt. Kinder zeichnen also viel "abstrakter" und gleichzeitig subjektiver als die meisten Erwachsenen.
Erst im Alter von etwa 10-12 Jahren entwickeln sich im Gehirn genügend Verzweigungen, um die Vielfalt unserer Umwelt genauer und "objektiver" wahrzunehmen. Das ist die Phase, in der wir unsere früheren "Strichmännchen" plötzlich als "kindisch" ablehnen und gerne gegenständlich und naturgetreu zeichnen möchten. Dabei geht allerdings das Gefühl für Komposition und Bildaufteilung, das wir als abstrakter Kindermaler noch automatisch beherrschten, immer mehr verloren, und wir zeichnen eine Zeit lang einfach wahllos Gegenstände bunt gemischt aufs ganze Blatt verteilt. Erst jetzt beginnen wir, uns mit den Gesetzen der perspektivischen Verzerrung zu beschäftigen, weil uns auffällt, das wir die Motive ganz anders sehen, als sie von den Maßen her objektiv gebaut oder gewachsen sind. Und genau diese Phase fand auch im Mittelalter allgemein statt.

Wahrscheinlich auch angeregt durch die Erfindung der Camera Obscura und der optischen Linsen (siehe auch Camera Lucida) haben Künstler die Gesetze der Perspektive immer genauer studiert und die drei Dimensionen der Umwelt mit ihrer Tiefe auf den zwei Dimensionen einer Zeichenfläche abgebildet.
Ein Kind interessiert sich aber gar nicht für eine solche Darstellung, denn es schreibt ja in Wahrheit eine Botschaft in Bilderschrift, genauso wie die Schreiber der Hieroglyphen keine räumlichen Zeichnungen machen, sondern Botschaften in Zeilen schreiben wollten. Und für die Botschaften bot es sich an, Figuren zum Beispiel immer im Profil zu zeichnen, um sie leichter erkennen zu können.

Ähnlich wie in einer Kinderzeichnung war es im Mittelalter noch üblich, das Wichtige groß und das Unwichtige klein zu zeichnen, was wir heute "Bedeutungsperspektive" nennen.
Heute zeichnen wir das Nahe groß und das Ferne klein, weil wir es eben so sehen, selbst wenn das Ferne in dem Bild vielleicht eine viel wichtigere Rolle spielt als das Nahe. Diese Art von Gewichtung hätte man im Mittelalter als völlig unlogisch und sinnlos empfunden. Warum soll ich einen Aschenbecher groß in den Vordergrund malen, nur weil er näher an meinen Augen steht als die Person, die hinter dem Tisch sitzt und die ich eigentlich portraitieren will? Natürlich wird ein heutiger Künstler bei dieser Frage ebenfalls nach der Bedeutung gehen: Er zeichnet den Aschenbecher nur dann ganz groß vorne ins Bild, wenn er über die Person, die dahinter sitzt, eine wichtige Aussage macht.
So viel fürs Erste. Danke für deine Frage und das Beginnen dieses Themas.

Jan


Jan

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Peter
Mitglied

Beiträge: 2253


New PostErstellt: 04.04.10, 05:06  Betreff: Re: Warum hatten die Menschen früher eine andere Perspektive?  drucken  weiterempfehlen

Dein Lehrer irrt ein wenig. Sobald wir anfangen herumzukrabbeln, nehmen wir die Welt auch perspektivisch wahr. Nur dass der Horizont nicht so ein starres Ding ist. Die ganze Sache ist viel dynamischer. Wenn er recht hätte, wären wir nicht fähig, Sätze zu entwickeln, miteinander zu reden begreifen wir auch vor der siebten Klasse

[editiert: 04.04.10, 05:10 von Peter]
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