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Tomaten auf schlafendem Riesen

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Maiken

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Beiträge: 7344
Ort: Frankenthal (Pfalz)



New PostErstellt: 18.02.12, 16:57  Betreff: Tomaten auf schlafendem Riesen  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

http://www.bioboom.de/magazin/einblick.htm

Tomaten auf schlafenden Riesen



Einst wurde die Landwirtschaft
von der Industrie aus der Stadt vertrieben. Nun kehrt sie zurück. Sie
muss. Denn 2050 werden 80 Prozent aller Menschen weltweit in Städten
leben. Doch ›Urban Farming‹ will mehr sein als bloße Gemüsezucht. In
Deutschland ist Berlin Vorreiter dieser rapide wachsenden Bewegung.





(Foto: Kiezgaren)



Christian Echternacht zieht die schwere Tür
zur Seite und betritt das Innere des weiß gestrichenen Containers.
Metall quietscht, draußen pfeift der Wind, drinnen: Stille. Einzig ein
strenger Fischgeruch liegt noch in der Luft. „Das Ganze ist ein
Kreislaufsystem“, erklärt der 41-Jährige, Siebzigerjahre-Koteletten,
Röhren-Jeans, Winterjacke mit Fellkragen, und zeigt auf einen
kreisrunden Zwei-Meter-Tank. Wo sich einst dicke Karpfen tummelten,
herrscht heute gähnende Leere. Die Fische haben Winterpause. „So könnte
man es auch nennen“, sagt Christian Echternacht und schmunzelt. „Wir
haben sie gegessen.“ Er selbst habe die Tiere getötet, er sei der
einzige mit einem Anglerschein. Gut konnte er sich an diesen Oktobertag
erinnern: Die Jungs konnten gar nicht hinsehen, die Mädchen waren ganz
fasziniert. Und irgendwie sei es seltsam gewesen, den toten Fisch auf
den Grill zu legen.



Neue Perspektiven für alte Fabriken

So lernen Großstädter das Landleben kennen. Im
Container schwimmen die Fische, eine Etage höher im Treibhaus wachsen in
Hydrokulturen Tomaten, Kräuter und Blattsalate — das ist die
Kreislauf-Idee der „Containerfarm“. Die Pflanzen profitieren von den
Ausscheidungen der Fische, damit bleibt der Energieaufwand gering. Das
„Aquaponic-System“ hat das Team „Frisch vom Dach“ mit einer Schweizer
Firma ausgeklügelt. Der Prototyp im Miniaturformat soll zeigen, was ein
paar Etagen höher auf dem ganzen Dach schon 2013 möglich wäre: eine Farm
auf 7.000 Quadratmetern Dachgeschossfläche, 4.000 Quadratmeter für
Tomaten und eine Etage tiefer 22 Becken mit Fischaufzucht. Die Pläne
sind da – was fehlt, ist bislang ein Investor.



Die Malzfabrik sei ein „schlafender Riese“, meint  Echternacht.
Früher trock­nete hier die Gerste fürs Bier der Schultheiss-Brauerei,
heute warten die gespenstisch leeren Geschossflächen auf kreative
Kleinunternehmer. Ein Goldschmied ist schon da, ein Mitarbeiter einer
Firma für Schaufenster-Dekorationen schiebt nackte Puppen über den
Innenhof. Seit Monaten führt Christian Echternacht Besuchergruppen über
das Gelände, das eingekesselt zwischen Autobahn-Auffahrten, Möbelhäusern
und Lkw-Speditionen ist. Unter den Besuchern: Sterne-Köche, die sich
den Container sogar direkt vor dem Restaurant vorstellen können, um
selbst Kräuter hochzuziehen und das Image aufzupäppeln. Seht her, wir
kochen bio! Marokkaner, die am wassereffizienten Kreislaufsystem für
ihre Wüstenfarmen Interesse haben und gegen ihre Höhenangst auf dem
luftigen Dach dreißig Meter über den Boden ankämpfen. Sogar E-Mails aus
den USA treffen ein, erzählt Christian Echternacht stolz: „You are an
inspiration for mankind.“ – „Sie sind eine Inspiration für die
Menschheit.“ Kein Wunder, steht die Dachfarm eines Tages, wäre sie die
weltweit größte Aquaponic-Farm. Den Berliner Umweltpreis haben sie für
ihre Idee bereits 2011 gewonnen.



Welternährungsprobleme da lösen, wo sie entstehen

Auf der ganzen Welt basteln Architekten und
Wissenschaftler an vertikalen Farmen. Ganze Hochhäuser sollen Pflanzen
und Tieren neue Lebensräume mitten in der Stadt bescheren. „Lebendige
Hochhäuser“ in Illinois, Dachgärten in Kairo, Gemüse-Wände in Singapur.
Der Salatkopf als neuer Nachbar. Doch warum? Die Antwort: Neun
Milliarden Menschen. So viele werden 2050 laut einer UN-Prognose auf der
Welt leben. 80 Prozent davon in Städten. Und deshalb ergibt es Sinn,
das Gemüse dort aufzuziehen, wo es auch verbraucht wird. Das verursacht
geringe Transportwege, schont das Klima, außerdem sieht der Verbraucher,
woher sein Gemüse kommt. Lokalität und Transparenz sind die
Schlüsselwörter. Aus dem Garten um die Ecke, statt von den Wasser
verschwendenden Tomatenplantagen aus Alicante. „Um so viele Menschen zu
ernähren, brauchen wir eben Ressourcen schonende Produktionsstätten“,
erklärt Nicolas Leschke, der mit Christian Echternacht und Karoline vom
Böckel die Dachfabrik zum Leben erwecken will. Die konventionelle
Landwirtschaft werde da künftig nicht reichen. Bei der Frage, wie viel
das alles kostet, hält sich der 33-Jährige bedeckt. Er wolle eigentlich
nicht mehr über Zahlen sprechen, weicht er aus. Auf beharrliches
Nachfragen wird er aber doch konkreter und beziffert das Projekt auf
mindestens 500.000 Euro. „Es hängt von vielen Faktoren ab. Nach oben ist
alles offen.“



Kiezgärten:

Natur erleben —– Nachbarschaft stärken

Berlin hat Masern. Kleine grüne Sprenkel verteilen sich
gleichmäßig über den Stadtplan. „Carrot City“ heißt die Karte von der
Technischen Universität Berlin, die sämtliche urbanen Gärten in der
Hauptstadt verzeichnet. Nachbarschaftsbeete in Hinterhöfen,
interkulturelle Gemeinschaftsgärten auf Brachflächen, Kinderbauernhöfe,
bepflanzte Straßeninseln. Gärtnern 2.0. Beim „Urban Gardening“ ist die
Hauptstadt Vorreiter. Doch anders als in den Mega-Städten Indiens oder
Chinas geht es den vielen Initiativen weniger um eine
Überlebensstrategie, sondern um die Steigerung ihrer Lebensqualität.
„Dem Städter in Prenzlauer Berg nützt die Wiese in Brandenburg nichts“,
erklärt Susanne Thomaier vom Institut für Stadt- und Regionalplanung an
der TU Berlin und meint damit, dass der Berliner zwar weiterhin sein
Obst und Gemüse aus Brandenburg beziehen könne, dass es ihn aber
ebenfalls nach grünen Wohnformen dürstet: Kinder können an die Natur
herangeführt werden, Arbeitslose sich mit günstigem Gemüse versorgen und
Wohnungsbesitzer das Grün vor der Haustür genießen.





(Foto: Kiezgaren)



Was das genau heißt, zeigt ein Besuch beim Kiezgarten
Schliemannstraße in Prenzlauer Berg. Im Vorzeige-Stadtteil Berlins
reihen sich schick sanierte, fünfstöckige Altbauten aneinander,
zwischendrin ein brach liegendes Gelände in der Größe von zwei Häusern.
Wo eigentlich der zweite Hinterhof wäre, befindet sich neben einem
Spielplatz der Kiezgarten. Der Lärm einer Holzsäge zerfurcht die
Familienbezirk-Idylle. Ein Hausmeister schneidet überflüssige Äste von
Sträuchern.



Auf 300 Quadratmetern wachsen Kartoffeln, Mangold, Kräuter.
Buchsbäumchen umrahmen den Eingang. Kein Zaun, keine Hecke. Jeder kann
eintreten. „Eine vierköpfige Familie könnte sich von dieser Größe bequem
ernähren“, sagt Kerstin Stelmacher. „Gucken Sie!“, ruft die 36-Jährige
und zieht eine Kartoffel aus dem winterfest gemachten Beet. „Ein
Bamberger Hörnchen, das wohl beim Umgraben übrig geblieben ist. Das ist
eine Delikatesskartoffel, die im Supermarkt gar nicht erhältlich ist.“



›Kleinvieh macht auch Mist‹

Früher war hier eine Kohlenhandlung, dann kam 1939 der
Krieg und dann 1999 der Kiezgarten. Zweimal musste die kontaminierte
Erde ausgetauscht werden. Heute liegt hier guter Mutterboden, mit dem
Mist vom nahe gelegenen Kinderbauernhof und dem Meerschweinchen-Mist der
Kinder aus dem Gemeinschaftsprojekt, zu dem sich 15 Nachbarn
zusammengeschlossen haben. „Kleinvieh macht auch Mist“, sagt Kerstin
Stelmacher und lacht. Doch ist es nicht seltsam dort Gemüse zu ernten,
wo Hunde hinpinkeln, Autos mit ihren Abgasen vorbeisausen und betrunkene
Jugendliche im Sommer hinterm Bärlauch urinieren? „Die Fläche liegt
etwas versteckt hinter dem Spielplatz, insofern haben wir damit wenig
Probleme“, erklärt sie beim anschließenden Gespräch im Kinder-Café um
die Ecke. Kleinkinder stürzen sich ins Plastikball-Meer, suchen heulend
Mamis Schoß auf. Was folgt, ist ein intensives Gespräch über
Großstädter, die ihre Finger mehr als zum Klicken auf der Maus benutzen
wollen. In Erde wühlen, Natur genießen. Über Kinder, die lernen, dass
die Möhre nicht im Supermarkt wächst. Über eine
Nachbarschaftsgemeinschaft, die sich gut versteht, wo jeder was
mitbringt, niemand Mitgliedsbeiträge bezahlt, und der Bezirk mal Geld
für Sachausgaben, wie Spaten oder Saatgut, dazuschießt. Über
reichhaltige Ernten; Äpfel, Kirschen, Kartoffeln, Johannisbeeren,
Quitten. Kerstin Stelmacher schwelgt in Erinnerungen ans letzte
Erntefest. Doch zum Schluss wird sie Ernst: „Stellen Sie es nicht als
bloßes Hobby-Gärtnern da. Es ist mehr. Uns geht es wirklich ums
Selbermachen; darum, die Stadt mitzugestalten und einen Austausch
zwischen den Nachbarn zu schaffen.“ Derzeit sei ja Urban Gardening so
etwas wie ein Hype. „Der wird sich zwar wieder legen, aber solche Gärten
sind die Zukunft. Die Leute wollen Wurzeln schlagen, sesshaft werden,
das Stadtbild mitbestimmen.“



Ökologische Qualität aus der Großstadt – geht das?

Das wachsende Interesse können
auch Kritiker wie Professor Christian Ulrichs von der
Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität nicht
bezweifeln. „Erobern Fische und Tomaten die Stadt?“ heißt der Vortrag,
zu dem er an einem Donnerstagabend miteingeladen hat. Der Professor
steht vor einem proppevollen Auditorium und staunt nicht schlecht ob des
Besucherandrangs zu dieser späten Stunde. „In solch vollen Hörsälen
stehe ich selten.“ Im Hintergrund leuchtet das Power-Point-Foto eines
Autobahnkreuzes, das die Form eines vierblättrigen Kleeblattes hat. In
dem Inneren jeweils die Zeichen für Obst und Gemüse, wie Äpfel oder
Salatköpfe. Ob die Zuhörer das essen wollen würden, fragt er rhetorisch
in die Runde, um gleich darauf zu erklären, dass Stadtbewohner
zweihundert Mal mehr Schadstoffe einatmen als auf dem Land. Deshalb habe
er Bauchschmerzen mit Produkten aus der Stadt. „Jedes Jahr reißt Berlin
die Latte der EU-Feinstaubnorm.“ Auch das schlechtere Wasser in der
Innenstadt würde die Anfälligkeit für Schadstoffe bei Pflanzen erhöhen.
Und zu guter Letzt hätten mehre Studien erhöhte Blei- und Cadmiumwerte
bei städtischem Obst und Gemüse ergeben. Das dürfe man nicht auf die
leichte Schulter nehmen. Zumindest in Deutschland brauche es kein Obst
und Gemüse aus der Stadt, wo selbiges gut und billig auch im Umland
produziert werden könne.



›Die Zeit ist reif‹

Doch die sozialen Effekte mag auch er nicht anzweifeln:
Nachbarschaftliches Zusammenwachsen, Integration von ausländischen
Minderheiten, mehr Grün für alle. Bei den Bewohnern sei das angekommen –
jetzt müsse der Gedanke auch im Kopf von Stadtplanern fruchten. Diese
müssten rechtliche Rahmenwerke schaffen, zum Beispiel in
Flächennutzungsplänen auch die Kategorie urbane Gärten einführen, um
letztlich die Qualität der Erträge zu gewährleisten. „Es bedarf eines
Umdenkens“, sagt er. Die Städte sind voll mit Leuten, die willig und
guter Dinge sind – jetzt sei die Zeit reif, dem Ganzen auch vom
Gesetzgeber einen Rahmen zu geben.





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New PostErstellt: 18.02.12, 17:45  Betreff: Re: Tomaten auf schlafendem Riesen  drucken  weiterempfehlen






Internet



helmholtzplatz-kiez.de

Von Kiezgarten und was sonst noch so läuft.



anstiftung-ertomis.de

Unter dem Stichpunkt ›Urbane Landwirtschaft‹ aktuelle Informationen und Forschungsarbeiten.



malzfabrik.de

Aktivitäten rund um das Fabrikgelände am Prenzlauer
Berg.Anlaufstelle für Bio-Gastronomen und solche, die es werden wollen.













 


 















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