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Violetta
Administrator

Beiträge: 2331


New PostErstellt: 01.07.08, 15:51     Betreff: Re: Violettas Opernkiste

Da mich die Radioübertragung des „Don Carlos“ am Samstagabend, (trotz tatsächlich nicht zu leugnender Probleme des Titelhelden) so begeistert hat, möchte ich auch diese Oper näher vorstellen. Da man über den Don Carlos nicht in drei Sätzen schreiben kann, wird es wohl etwas länger werden....

Die Oper von Giuseppe Verdi basiert auf dem Trauerspiel „Don Carlos“ von Friedrich Schiller. Mit keiner anderen seiner Opern hat sich Verdi so lange und so intensiv beschäftigt. Er hat sie immer wieder umgearbeitet, so gibt es eine italienische und eine französische Version, eine fünfaktige und eine vieraktige Fassung. Insgesamt will man sieben verschiedene Versionen gezählt haben.

 

In London wurde im Juni meine Lieblingsversion gespielt: die fünfaktige, italienische Fassung.  Die Handlung ist lang und kompliziert, deshalb wird meine Inhaltsangabe auch lang werden

 

1. Akt: In  Frankreich

Don Carlos, der Infant (also Kronprinz) von Spanien lernt im Wald von Fontainebleau in Frankreich auf eigenes Bemühen Elisabeth von Valois kennen, jene junge Frau, die als seine Verlobte bestimmt ist. Die beiden haben einander noch nie gesehen, verlieben sich aber sofort leidenschaftlich und glühend ineinander, wie sich das in der Oper gehört. Die von Elisabeth so gefürchtete Ehe mit einem Fremden verspricht ihr Lebensglück zu werden.

Arie, Duett, höchste Seligkeit.

Dann der Schock: es kommt die Nachricht, daß Elisabeth nun doch nicht Carlos, sondern dessen Vater König Philipp II. heiraten muß, umso dem Frieden zwischen den bisher  verfeindeten Nationen Frankreich und Spanien zu sichern.  Um ihrem vom Krieg gemarterten Volk zu helfen stimmt Elisabeth nach heftiger Gegenwehr schließlich verzweifelt zu. Für Carlos bricht eine Welt zusammen

2. Akt, 1. Bild: In Spanien

Im Kloster St. Juste werden Elisabeth und Philipp getraut, während Carlos vor  den Klostermauern verzweifelt und sich am liebsten entleiben möchte. In diesem Zustand findet ihn sein engster (und wohl einziger wirklicher) Freund Rodrigo Marquis von Posa. Carlos gesteht im seine verzweifelte Liebe zu der Frau, in der er von nun an seine Stiefmutter sehen muß.

Posa versucht ihn aufzurichten: er muß seinem Leben ein neues Ziel geben. Er, der, im Gegensatz zu seinem Vater vom Volk geliebte junge Infant, soll der spanischen Provinz Flandern als Regent den Frieden bringen. Er selber, Posa, will den König bitten, Carlos zum Regenten über Flandern zu machen. Carlos stimmt zu. Wenn er diesen Schicksalsschlag überstehen will, muß er fort aus Elisabeths Nähe. In einem der bewegendsten und wunderbarsten Duette für Tenor und Bariton  das je ein Komponist geschrieben hat, schwören die beiden ewige Freundschaft: gemeinsam leben, gemeinsam sterben, gemeinsam einem geschundenen Volk die Freiheit bringen.

 

2. Akt, 2. Bild:

Im Garten des Klosters vertreiben sich Elisabeths Hofdamen mit Gesang die Zeit. Die Hofdame Prinzessin Eboli ist in Carlos verliebt, da sie ihn in ihrer Gegenwart in letzter Zeit mehrfach traurig und verwirrt erlebt hat, glaubt sie an seine Gegenliebe ohne zu ahnen, daß Carlos’ Gefühle der Königin gelten.

Elisabeth erscheint, kurz drauf  Posa, der Elisabeth einen Brief ihrer Mutter aus Frankreich überreicht  und gleichzeitig ein Billet Carlos’ zuspielt, in dem dieser um eine Unterredung bittet. Zögernd stimmt sie zu. „Meinen Sohn zu sehen bin ich bereit“.

Während sich Posa und die Hofdamen entfernen, kommt es zu einer erregten Begegnung zwischen Carlos’ und Elisabeth, an deren Ende fest steht: ihre Seelen werden nie voneinander lassen können, aber Carlos muß fort aus Spanien, wenn er nicht an seiner Liebe zerbrechen will, da Elisabeth sich niemals auf ein ehebrecherisches Verhältnis mit Carlos einlassen wird. Verstört und verzweifelt stürzt der Infant davon.

Kurz darauf kommt es zu einer stürmischen Unterredung zwischen König Philipp und Posa: Posa bittet ihn, Carlos nach Flandern zu schicken. Aber der König, gewohnt, mit eiserner, blutiger Hand durchzugreifen hält Carlos’ Sensibilität für Schwäche und seinen Freiheitsdurst für Ketzerei. Niemals wird er seinem Sohn die unruhige Provinz anvertrauen.  Friede und Ruhe könne nur mit eiserner Faust erhalten werden, nicht mit Schwärmerei. Posa  solle doch Spanien anschauen, hier herrsche Ruhe. Es fällt Posas legendäre Antwort „Ja! Die Ruhe eines Kirchhofs!!!“

Philipp kann  trotz der Meinungsverschiedenheiten nicht umhin, diesen mutigen, integren Mann zu bewundern, als König, so sagt er, hat er diesen Satz nicht gehört. Posa solle sich aber vor der Inquisition hüten, Menschen seien schon für weniger verbrannt worden. Gegen den Großinquisitor sei selbst der König machtlos...

 

3. Akt, 1. Bild

Durch gewisse alberne Umstände (Gesetz der Oper) begegnen sich Carlos’ und Prinzessin Eboli Nachts im Garten der Königin. Da Eboli eine Maske der Königin trägt, glaubt Carlos, Elisabeth vor sich zu haben, gesteht ihr erneut seine glühende Liebe und fleht sie an, mit ihm zu fliehen. Eboli ist selig, glaubt sie sich doch von Carlos geliebt. Als Carlos seinen Irrtum bemerkt ist er entsetzt, versucht jedoch, die Situation mit einem charmanten „Wir erlagen eines Traumes Spiel in dieser süßen Nacht voll Duft und Blüten“ zu retten. Eboli aber begreift: er hat sie mit der Königin verwechselt. Bebend vor Eifersucht schwört sie Rache: sie wird zum König gehen und ihm alles verraten. Da taucht, man weiß nicht woher, Posa auf, in seiner Angst um Carlos ist er nahe daran,  Eboli zu töten, aber Carlos ruft ihn zur Ordnung. Man vergreift sich nicht an einer Frau. Eboli rauscht davon, und Posa bittet Carlos, ihm Papiere anzuvertrauen, die ihn, Carlos als Aufrührer und Revolutionär belasten könnten, da man jetzt mit dem Argwohn des Königs rechnen müsse. Carlos zögert, er weiß, wie viel sein Vater von Posa hält... „Dir, dem Vertrauten des Königs?“ fragt er bitter. Posa ist fassungslos „Sospetti tu di me? Di me? Sospetti di me?” “Misstraust du mir? Mir? Misstraust du wirklich mir?“ Während das Orchester das Freundschaftsmotiv aus dem zweiten Akt intoniert, besinnt Carlos sich. Nein, niemals wird er Rodrigo misstrauen. Er liefert ihm die Papiere aus, die ihn als glühenden Freiheitskämpfer ausweisen, der ganz auf der Seite des Volkes von Flandern und damit gegen seinen Vater und König steht. Sein Leben liegt nun in Posas Hand...

 

3. Akt 2. Bild

Am nächsten Morgen: ein Autodafé (also eine öffentliche Ketzerverbrennung) findet statt. Eine Delegation flandrischer Gesandter bittet König Philipp um Gnade für ihr Land, unterstützt werden sie darin von Posa, Elisabeth und Carlos. Carlos bittet seinen Vater erneut, ihn nach Flandern gehen zu lassen. Als Philipp sich vehement und höhnisch weigert, zieht Carlos sein Schwert und will auf ihn losstürzen. Philipp befiehlt, Carlos zu entwaffnen, aber niemand wagt es, Hand an den Infanten zu legen. Es ist Posa, der mit ruhiger Stimme fordert „Dein Schwert!“ Als Carlos es ihm reicht, übergibt er es dem König.

Bis ins Herz getroffen flüstert Carlos „Oh ciel! Tu! Rodrigo!“. „Oh Gott! Du! Rodrigo!“ Und wieder erklingt im Orchester, sehr leise diesmal, das Freundschaftsmotiv.

Carlos, der nicht begreift, daß sein Freund ihn soeben  vor dem Vatermord bewahrt hat, lässt sich gebrochen und widerstandslos festnehmen.

Das Autodafé beginnt. Während die „Ketzer“ auf den Scheiterhaufen geführt werden, erklingt „Un voce di ciel“, eine Stimme vom Himmel, die den geschundenen Trost spendet.

 

4. Akt. 1.Bild

In seinem Arbeitszimmer wacht König Philipp die Nacht hindurch. Er sinniert über das Leben, den Tod, die Einsamkeit der Mächtigen – und sein Verhältnis zu Elisabeth, die ihm eine pflichttreue Gattin ist, ihn jedoch nie lieben konnte. Er ahnt, daß ihre Liebe seinem Sohn gilt.  Die Arie „Ella giammai m’amo“ „Sie hat mich nie geliebt“ ist wohl eine der schönsten je für einen Baß geschrieben Arien, in der sich die Stimme mit dem Solocello vereint. Ferruccio Furlanetto hat sie am Samstag zum niederknien schön gesungen.

Dem König wird der Großinquisitor gemeldet, den er  um eine Unterredung gebeten hat.

Seine Majestät hat nämlich ein Problem mit seinem Gewissen: kann er den Aufrührer Carlos der Inquisition und damit dem Tod überantworten, ohne sein eigenes  Seelenheil zu gefährden?  Er ist immerhin sein Sohn. Des Großinquisitors Antwort ist ebenso deutlich wie herzlos: „Gott schlug den Seinen ans Kreuz!“ Aber, fährt er fort. Carlos Vergehen sei gar nicht so groß, wie Philipp glaube, der wahre Verräter sei der Marquis von Posa, in dessen Besitz man belastende Papiere gefunden habe... Philipp ist tief getroffen und beschließt den Tod über Posa

 

Elisabeth erscheint: man hat ihr ein Schmuckkästchen geraubt. Philipp herrscht sie an: es sei in seinem Besitz, er habe es sich aus Misstrauen bringen lassen. Als er sie zwingt es zu öffnen und darin ein Bild des Infanten findet daß noch aus ihrer Verlobungszeit mit Carlos stammt, beschimpft er sie als Ehebrecherin. Als sie ihm jedoch schwört Carlos zwar zu lieben, ihm, Philipp , jedoch niemals untreu gewesen zu sein, glaubt er ihr aber immerhin doch. Vom Lärm aufgescheucht stürzt Prinzessin Eboli ins Zimmer: als sie sieht, was geschehen ist, wird sie von Reue gepackt: sie ist es, die des Königs Eifersucht angestachelt und Elisabeth beschuldigt hat, Carlos’ Geliebte zu sein, außerdem ist sie seit langem, trotz ihrer Liebe zu Carlos, Philipps Geliebte.  Als sie Elisabeth alles gesteht, fordert diese  sie ruhig auf, das Schloß am nächsten Morgen zu verlassen, und zwischen Kloster und Exil zu wählend.

Drei Schläge im Orchester, dann beginnt mit „O don fatale!“ eines der Glanzstücke jeder Mezzosopranistin: Eboli verflucht ihre Schönheit, die sie eitel, arrogant, eifersüchtig und böse gemacht hat. Sei wird in ein Kloster gehen, aber vorher will sie alles tun, um Carlos, der als Landesverräter im Gefängnis sitzt zu retten. Wie von Furien gehetzt rennt sie hinaus.

 

5. Akt 1. Bild

Carlos sitzt im Gefängnis und erwartet den Tod. Als sich die Tür öffnet und Posa eintritt, ist alle Bitterkeit vergessen. Carlos, der inzwischen wohl Zeit zum nachdenken hatte, begrüßt seinen Freund  gerührt. Posa  erklärt ihm, daß er, Carlos, bald frei sein, er selber jedoch wohl sterben werde. Er hat mit Hilfe der Papiere die Carlos ihm anvertraut hat, Philipps Verdacht ganz bewußt auf sich gelenkt, um seinem Freund das Leben zu retten, Flandern den Befreier, und Spanien einen künftigen, menschlicheren König zu erhalten. Der König, der ja nun keinen Verdacht mehr gegen Carlos hegt, habe dessen Freilassung, veranlasst, ihn aber wohl zum Tode verurteilt.

Da fallen Schüsse, des Königs Rache hat nicht lange auf sich warten lassen.: tödlich getroffen bricht Posa  zusammen. Mit letzter Kraft teilt er Carlos mit, daß Elisabeth ihn am kommenden Tage zu einer letzten Unterredung am

Kloster St. Juste erwarte, dann fleht er ihn an, Flandern zu retten, und ihn, seinen treuen Freund nicht zu vergessen.

Kein Bariton stirbt so ergreifend, wie Verdis edelster, integerster Held: Rodrigo, Marquis von Posa. Während im Orchester zum letzten Mal des Freundschaftsmotiv erklingt, stirbt Posa in den Armen des erschütterten Carlos.

Die Handlung rast weiter: Eboli hat einen Volksaufstand angezettelt, um Carlos aus dem Gefängnis zu befreien, die aufgebrachte Menge stürzt in die Zelle, um den Infanten zu retten, der Aufstand wird jedoch vom König Philipp und dem Großinquisitor niedergeschlagen. Carlos jedoch ist frei: Philipp ist ja nun überzeugt, das Posa der Verräter war. Carls schreit seinem Vater haßerfüllt die Wahrheit ins Gesicht: Posa hat sich für ihn geopfert, Philipp solle es nicht wagen, ihn anzurühren.

Dann stürzt er aus dem Gefängnis.

5. Akt, . Bild:
Vor dem Kloster St. Juste wartet Elisabeth auf Carlos, sie betet um Ruhe und Friede in ihrem Leben.

Der Infant erscheint, durch die jüngsten Ereignisse völlig verändert: er liebt Elisabeth nach wie vor, aber er ist jetzt imstande, von dieser Liebe zu lassen, und seinem Leben einen neuen Sinn zu geben: zunächst die Befreiung Flanderns, später, als König, Spanien zu einem glücklicheren, friedlicheren Land zu machen. Posa soll nicht umsonst gestorben sein. Er wird nach Flandern gehen, ob dem Vater das nun passt oder nicht.

Und Posa? fragt Elisabeth. die noch nichts von Rodrigos Tod weiß. Posa, so Carlos mühsam beherrscht, wird ein Denkmal bekommen, wie es für keinen König je errichtet wurde.

 

Melancholisch nehmen Elisabeth und Carlos Abschied voneinander, das Duett „Ma lassù ci verdremo in un mondo migliore“ ist eine jener überirdischen Melodien,die Verdi sonst nur seinen sterbenden Helden und Heldinnen schenkt. Immerhin: auch dies ist ein Abschied für immer. Carlos nennt Elisabeth zum erstenmal „Meine Mutter“ und sie antwortet mit „Mein Sohn, leb wohl“.

Da erscheint Philipp mit seinen Soldaten: er hat doch noch die Wahrheit erfahren: daß Carlos wirklich ein Revolutionär ist. Er gibt den Befehl, seinen Sohn der Inquisition zu überantworten. Bei Schiller fällt jetzt der grauenvolle, an den Großinquisitor gerichtete Satz „Ich habe das meinige getan, tun sie nun  das Ihrige!“

Verdi jedoch hat es wohl nicht übers Herz gebracht, seinen Infanten der Folter und dem Tod zu überlassen: die Tür des Klosters öffnet sich, und ein geheimnisvoller Mönch zieht Carlos in den Schutz der Klostermauern. In diesen Räume erlischt des Königs Macht.

 

Giuseppe Verdi hat immer wieder Dramen von Friedrich Schiller als Vorlage zu seinen Opern benutzt. Dessen Idealismus und Freiheitsdrang lag dem glühenden Patrioten Verdi offenbar sehr.

Neben „Don Carlo“ gibt es noch „I masnadieri“ (Die Räuber), basierend auf dem gleichnamigen Theaterstück, „Luisa Miller“ (bei Schiller „Kabale und Liebe“) und  „Giovanna D’Arco“ (Schillers „Die Jungfrau von Orléans“).  Ein weiter Schriftsteller, dessen Werke er mehrfach vertonte ist William Shakespeare: Otello, Macbeth und Falstaff (Shakespeares „Merry wives of Windsor“).

„Don Carlos“ entstand zwischen 1865 und 1867 (zunächst in französischer Sprache) und wurde am 11.3.1867 in Paris uraufgeführt. Die Probenarbeiten müssen recht unerfreulich für Verdi verlaufen sein, so beschwerte sich der Sänger des Posa (anstatt sich glücklich zu schätzen, daß ihm eine der schönsten je für einen Bariton geschriebenen Partien anvertraut wurde) darüber, daß er nach Posas Tod noch ziemlich lange leblos auf der Bühne rumliegen mußte.

Als es schließlich zur Uraufführung kam, traf die düstere, tragische Oper nicht wirklich den Geschmack des Pariser Publikums.

Im Oktober des gleichen Jahres dann wurde der Text ins italienische übersetzt und die Oper in Bologna aufgeführt.

Über die Jahre nahm Verdi immer wieder Veränderungen vor, die heute am häufigsten gespielte Version ist bedauerlicherweise die vieraktige italienische Fassung: es fehlt der ganze Fontainebleau-Akt, in dem sich Elisabeth und Carlos zum erstenmal begegnen. Das ist schade, denn die Musik dieses Aktes ist sehr schön, außerdem gibt es im weiteren Verlauf der Oper immer wieder musikalisch Anspielungen auf Elisabeths und Carlos’ einzige glückliche Augenblicke, die jedoch ins Leere laufen, wenn man diesen ersten Akt nicht gehört hat.

 

Genüsslich diskutiert wird übrigens immer wieder über die Beziehung Carlos-Posa.  Daß die Freundschaft zu Rodrigo die wichtigste und tiefste menschliche Bindung in Carlos’ Leben ist, steht außer Frage: aber was ist mit Posa? In manchen Inszenierungen wird das heute gerne so gedeutet, daß Posa für Carlos mehr empfindet als Freundschaft, andere Regisseure hingegen verweigern ihren Helden selbst beim großen Freundschaftsschwur jeglichen Körperkontakt, (wie offenbar jetzt in London, wie zu lesen war) und sei es ein Händedruck, aus Angst, dies könnte homoerotische Assoziationen wecken. Im allgemeinen werden hier, wie bei den drei Musketieren, dann stattdessen gerne die Schwerter gezogen, oder mit dem Degen in der Hand gesungen.

Seitenlange Artikel wurden schon zu diesem Thema geschrieben. Ich persönlich denke, Posa ist einfach ein aufrichtiger, integerer Mensch, dessen Freundschaft zu Carlos auf einer gemeinsamen Vergangenheit, gleichen politischen Ansichten und Gegenseitiger menschlicher Zuneigung beruht. Rodrigo ist für Carlos der einzige Mensch, der in ihm den Menschen sieht, nicht den Infanten. Er ist auch der einzige, den Carlos mit „du“ anredet.

Aner dazu mag jeder gerne seine eigene Meinung haben.

 

Und wie war jetzt die Aufzeichnung der  Londoner Aufführung, von der man ja nicht nur gutes gehört hat?

Mir hat sie  sehr gut gefallen, vor allem Feruccio Furlanetto, vor dessen Filippo man nur auf die Knie sinken kann (wie sich das in Gegenwart eines Königs ja auch gehört ) Der Bariton der für Simon Keenlyside als Posa eingesprungen ist, und dessen Namen ich sträflicherweise schon wieder vergessen habe, hat mir im großen und ganzen auch sehr gut gefallen, trotzdem hätte ich Keenlyside gerne gehört. Der war wohl krank und mußte absagen. Was das angeht, hatten sie in der Londoner Aufführungsserie offenbar ziemliches Pech: Posa, Carlos und Elisabeth haben alle jeweils eine Vorstellung absagen müssen. Aber ihr könnt ja mal raten, bei wem das besonders durchgehechelt wurde.
Ich überlasse es den Erbsenzählern dieser Welt aufzulisten, was RV angeblich jetzt schon wieder alles falsch gemacht hat. Natürlich ist der Carlos mörderisch, natürlich ist es für Villazón eine Grenzpartie, natürlich gibt es da manch problematische Stelle, und natürlich hört man das, vor allem gegen Ende der vierstündigen Oper.
Und doch: was für ein mitreißender, intensiver, wunderbarer Infant von Spanien (der, anders als 2004 Amsterdam, endlich eine sehr gute Elisabeth an seiner Seite hatte!), trotz der Schönheitsfehler.
Allein schon für sein herzzerreißendes "Oh ciel! Tu! Rodrigo!" nach Posas vermeintlichem Verrat verzeihe ich ihm alle in den Sand gesetzten Spitzentöne, die er jemals gesungen hat und noch singen wird.
Was für ein Meisterwerk ist diese Oper.
                  

 

 

Noch ein Wort zu den historischen Gegebenheiten: die handelnden Personen Carlos, Philipp II und Elisabeth(Isabella) von Valois haben wirklich gelebt. Der historische Carlos, Sohn des spanischen Königs Philipp II und seiner Gemahlin Maria von Portugal, die bei der Geburt des Kindes starb, lebte von 1545 bis 1568, ist also sehr jung gestorben. Mit dem Freiheitskämpfer von Schiller und Verdi hat er nicht viel gemeinsam: er war ein bedauernswerter, verkrüppelter, depressiver und seelisch schwer traumatisierter  junger Mann den eine Angstbeziehung mit seinem übermächtigen Vater verbindet. Dies wird allerdings von Regisseur Willie Decker in seiner Amsterdamer Don Carlos Inszenierung angedeutet und (wieder einmal) von Rolando Villazón auch  darstellerisch beeindruckend umgesetzt.

Sein früher Tod war offenbar Folge eines Unfalls, allerdings hat er wohl vorher mehrfach Selbstmordversuche unternommen haben. Seine letzten Tage sollen grauenvoll gewesen sein: er settze die Zelle sene (wohl recht noblen) Gefängnisses unter Wasser, aß Unmengen scharfer Pasteten nud trank Literweise Eiswasser, es könnte also auch ein Selbstmord gewesen sein, da sind sich die Chronisten nicht einig.

Wenn der historische Carlos nicht solch ein Held sein konnte, wie sein Bruder auf den Theater- und Opernbühnen, so war auch König Philipp offenbar nicht das Monster das Schiller und (wenn auch mit Abstrichen) Verdi aus ihm machen: er scheint seinen Sohn tatsächlich geliebt zu haben, auch wenn das Verhältnis offenbar wirklich ein angespanntes, auf Carlos Sete von Angst geprägtes war. für seinen Sohn gab Philipp den Auftrag, den Escorial zu erbauen. Sein Sohn sollte dort einmal als König herrschen, als klar wurde, das dies wohl nie der Fall sein könne, war er tief getroffen, später, als Carlos Krankheit sich zur Raserei steigerter, sah er keinen anderen Weg, als seinen Sohn inhaftieren zu lassen. Also ist dei inhaftieurng Carlos' in der Oper keien Erfindung, sie fand lediglich as anderen Gründen statt.

Auch Elisabeths Ehe mit Philipp entsprach wohl nicht ganz dem Martyrium, das die Opern-Elisabeth durchmacht. Es ist bekannt, daß Philipp seine (wesentlich jüngere) Gattin sehr geliebt hat und die Ehe offenbar glücklich war. Als Elisabeth im Alter von 14 Jahren die Frau des 32jährigen wurde, wartete er aus Rücksicht auf die Jugend seiner Frau, mehrere Jahre auf den körperlichen Vollzug der Ehe, damals alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Als sie schwer an den Pocken erkrankte, schlug er alle ärztlichen Verbote in den Wind, und wachte stundenlang bei seiner Frau bis sie wieder gesund war. Elisabeth starb im Alter von 23 Jahren bei der Geburt eines Kindes und hinterließ einen tief trauernden Ehemann.

Es gibt keinerlei Hinweise darauf, daß zwischen Elisabeth und Carlos andere als freundschaftliche Bande bestanden. Da sie jedoch gleichaltrig waren, sollen sie in Carlos lichten Augenblick oft miteinander geplaudert haben. Eine Bemerkung aus dem Brief eines Zeitgenossen („Die Königin weint um den Infanten“) baute Schiller dann in seinem Drama zu einer unerfüllten Liebe aus.

Dennoch ist es natürlich historisch zutreffend, daß das damalige Spanien ein Land war, in dem die Inquisition herrschte und andersdenkende und –glaubende grausam unterdrückt und vernichtet wurden.

 

 




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Wer in einem gewissen Alter nicht merkt, dass er hauptsächlich von Idioten umgeben ist, merkt es aus einem gewissen Grunde nicht.
Curt Goetz

[editiert: 02.07.08, 07:50 von Violetta]

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