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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden

"Spurensuche nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung
"Systemkritik: Deutsche Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/

 
KG-Berlin: 1936 - Jüdischer Vater verlangt Kind von arischer Mutter heraus

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Gast
New PostErstellt: 27.05.07, 08:17  Betreff: KG-Berlin: 1936 - Jüdischer Vater verlangt Kind von arischer Mutter heraus  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Der ideologisch motivierte Entzug des elterlichen Sorgerechts in der Zeit des Nationalsozialismus

Miriam Liebler-Fechner
Reihe: Juristische Schriftenreihe
Bd. 159, 2001, 312 S., ISBN 3-8258-5366-7

XI. KG, Beschluß vom 22. Mai 1936 [FN 795]: Jüdischer Vater verlangt Kind von arischer Mutter heraus

a) Dem Beschluß lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der von der arischen Mutter geschiedene jüdische Vater verlangte den gemeinsamen Sohn von der Mutter heraus, der bei dieser lebte, obwohl sie nicht personensorgeberechtigt war. Der Sohn war nach § 2 der 1. VO zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 Mischling ersten Grades. Die Mutter hatte das Kind evangelisch taufen lassen und es auch in dieser Glaubensrichtung erzogen.

Das Landgericht hatte in der vorherigen Instanz in dem Herausgabeverlangen des Vaters wegen seiner Zugehörigkeit zur jüdischen Rasse einen Sorgerechtsmißbrauch im Sinne des § 1666 I BGB gesehen, da der Vater zur Sorgerechtsausübung bereits aus diesem Grunde ungeeignet sei. Der Vater legte Beschwerde ein.

Das Kammergericht stellte fest, daß bei Entscheidungen, die das Recht der Personensorge betreffen, die in der Gesetzgebung anerkannten Forderungen der Erb- und Rassenpflege zu berücksichtigen seien. Die Erhaltung und Pflege des rassischen Erbgutes liege im wohlverstandenen Interesse des Kindes. Im übrigen komme es aber stets auf den Einzelfall an: Das Gericht sah in dem Herausgabeverlangen eine Gefahr für das Kindeswohl. Der Junge gehöre als Mischling 1. Grades weder zur jüdischen noch zur arischen Rasse. Er hätte aber die Möglichkeit, auf gewissen Rechtsgebieten einem Arier gleichgestellt zu werden. So könne er gem. § 3 der DurchfVO zum Blutschutzgesetz vom 14. November 1935 die Genehmigung zur Heirat mit einer arischen Person erreichen. Es sei zu beachten, daß das Kind evangelisch getauft und evangelisch von der Mutter erzogen worden sei. Würde er zum Vater und damit in eine rein jüdische Umgebung kommen, so müsse damit gerechnet werden, daß das Kind in jüdischer Auffassung erzogen würde, womit jede Aussicht, später die Genehmigung zur Eheschließung mit einer Arierin zu erlangen, schwinden würde. Die Beschwerde des jüdischen Vaters wies das Kammergericht zurück.

b) Dieser Beschluß des Kammergerichts ist einer der wenigen Fälle des Sorgerechtsentzuges von Mischlingskindern, in der das Gericht den besonderen Status des Kindes identifizierte und in seiner Entscheidung besonders berücksichtigte. Der pauschalen Annahme des Landgerichts, nach der ein Elternteil allein wegen seiner Zugehörigkeit zur jüdischen Rasse zur Sorgerechtsausübung ungeeignet sei, folgte das Kammergericht nicht, sondern betrachtete den Einzelfall. Es wog zwischen den beiden Alternativen für das Kind ab: Dem Verbleib bei der arischen Mutter, die dem Kind eine evangelische Erziehung angedeihen ließ, und dem Wechsel zum jüdischen Vater, von dem das Gericht annahm, daß es das Kind jüdisch erziehen wollte.

Das Gericht betrachtete bei seiner Abwägung die konkrete Zukunft den Kindes im nationalsozialistischen Deutschland. Das Kind, welches „kein Arier und kein Jude" war, stand als Mischling 1. Grades in einigen rechtlichen Belangen einem Arier gleich oder zumindest nahe. Dies galt, wie die Richter beispielhaft anführten, insbesondere für die Aussicht auf eine Eheschließung mit einem arischen Partner. Die Richter argumentierten, daß das Kind die erforderliche behördliche Genehmigung nur dann bekommen könne, wenn die Umstände seines Aufwachsens keine Verwurzelung in der jüdischen Kultur fänden.

Diese Argumentation verdeutlicht, daß die Richter bei ihrem Beschluß das individuelle Kindeswohl höher bewerteten als die Interessen des nationalsozialistischen Staates. Die Erwägung, das Mischlingskind könne später einen Arier heiraten, geht als solche schon nicht konform mit der nationalsozialistischen Rassenideologie. Danach war die Reinheit des Blutes auch durch Mischlingskinder und deren Abkömmlinge gefährdet. Die rechtlichen Zugeständnisse für Mischlinge in den Nürnberger Rassegesetzen waren Konzessionen, die der nationalsozialistische Machthaber aus politischen, keinesfalls aber aus rassebiologischen Erwägungen, aufgenommen hatten. Dies verdeutlicht auch das Erfordernis der behördlichen Genehmigung zu einer Ehe zwischen einem Mischling und einem Arier: Die Reinheit des Blutes ist rassebiologisch entweder gegeben oder nicht, kann aber nicht durch einen behördlichen Akt beeinflußt werden [FN 796].

Hirsch merkte in den sechziger Jahren zu diesem Beschluß an, daß die Zusprechung des Kindes zu der Mutter auch im Hinblick auf die spätere Verfolgung von Juden einen besseren Schutz bot [FN 797]. Zwar gab es im Jahr 1936 bereits massive Repressalien und Ausgrenzungen gegenüber der jüdischen Bevölkerung, ob aber die Tragweite der späteren Verfolgung selbst für „halbwegs" informierte Kreise, wie einen Senat des Kammergerichts, absehbar war, ist anzuzweifeln. Dagegen spricht auch der Gedanke an eine spätere Heirat des Mischlings mit einem Arier, welcher erkennen läßt, daß die Richter eher von einer Beibehaltung des Status-quo in Rasseangelegenheiten anstatt von einer wesentlichen Verschärfung in Gestalt einer offenen Judenverfolgung ausgingen. Zweifelsfrei war jedoch der bestehende Zustand für die Richter Anlaß genug, dem Kind und späteren Erwachsenen Nachteile aufgrund seiner jüdischen Abstammung weitestgehend ersparen zu wollen.

In dem Beschluß einen mutigen Richterspruch zu erkennen, wäre jedoch auch hier fehlinterpretiert798: Zum einen ging es um einen Mischling, nicht um einen Juden, zum anderen hat der jüdische Vater das Sorgerecht schließlich auch nicht zugesprochen bekommen. Lediglich die Urteilsbegründung unterscheidet sich von der damals bereits vorherrschenden stereotypen völkischen Argumentation der Sorgerechtsentzugsfälle: Sie legt den Fokus - wie vom Wortlaut des § 1666 I BGB gefordert - auf das Wohl des Kindes.

FN 795 ZblJJ 28, 1937, 283.

FN 796 Derartige Durchbrechungen der Blut- und Rassenlehre wurden in seltenen Fällen auch für Juden vorgenommen, die in besonderem Maße der deutschen Bevölkerung als Kriegshelden des ersten Weltkrieges bekannt waren und persönliche Freundschaften in den engsten Machtzirkeln unterhielten. Bekanntestes Beispiel ist der jüdische Generalfeldmarschall Erhard Milch, der auf den Vorschlag Görings von Hitler persönlich zum sogenannten „Ehrenarier" ernannt wurde und bis zum Ende des Regimes am Aufbau der deutschen Luftwaffe beteiligt war.

FN 797 Hirsch, Entzug und Beschränkung des elterlichen Sorgerechts, 65.
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