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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden

"Spurensuche nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung
"Systemkritik: Deutsche Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/

 
NS-Ideologie beim Reichsgericht zum Ehe- und Familienrecht

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Gast
New PostErstellt: 29.05.07, 08:55  Betreff: NS-Ideologie beim Reichsgericht zum Ehe- und Familienrecht  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Literatur zum Verhältnis von Justiz und Nationalsozialismus DIEDERICHSEN, Uwe (1989): Nationalsozialistische Ideologie in der Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Ehe- und Familienrecht, in: DREIER, Ralf (Hrsg.); SELLERT, Wolfgang (Hrsg.)(1989): Recht und Justiz im Dritten Reich, S.241-272 Uwe Diederichsen Nationalsozialistische Ideologie in der Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Ehe- und Familienrecht* I. Ideologie 1. »Ideologie« ist ein von der französischen Aufklärung geprägtes Kunstwort. Man versteht darunter begrifflich die Gesamtheit der von einer Bewegung, Gesellschaftsgruppe oder Kultur hervorgebrachten Denksysteme, Wertungen und geistigen Grundvorstellungen. Ich bitte Sie festzuhalten, daß Ideologie wörtlich einfach nur »Lehre von den Ideen« bedeutet. Der Begriff »Ideologie« ist also an sich wertfrei. Kein Mensch und keine Gesellschaft kommen ohne Ideologie aus. Es gibt gute und schlechte, lebenserhaltende und lebenszerstörende Ideologien. Innerhalb ein und derselben Ideologie gibt es »positive« und »negative« Komponenten. Eine Ideologie in Bausch und Bogen als schlechthin »böse« abzu-tun, ist schon in sich genauso ideologisch wie die bedingungslose Bejahung einer Ideologie, weil man sich damit die Kompetenz zur Überprüfung der Ideologie nimmt. Ich weiß, daß es für Sie schon schwierig ist, diesen wissenssoziologischen, ideologieneutralen Gebrauch des Ideologiebegriffs nachzuvollziehen. In vielen Köpfen spukt der von Marx und Engels auf der Grundlage des historischen Materialismus verengte und klassenkämpferisch benutzte Ideologiebegriff, wonach Ideologie nur die Anschauungen sind, die bestimmte Klasseninteressen zum Ausdruck bringen. Aber andere als klassenbedingte Wertungen nicht wahrnehmen zu wollen, stellt sich eben auch schon als Ausfluß einer bestimmten, eben der marxistisch-leninistischen Ideologie dar. Die »Ideologen«, Vertreter einer von Destutt de Tracy (1754-1836)[FN 1] entwickelten Ideenlehre, die praktische Regeln (französisch eben: idées) für Erziehung, Recht und Staat zu gewinnen suchten, wurden von Napoleon als weltfremde Theoretiker verspottet. Schon damals bekam das Wort die pejorative Bedeutung einer wirklichkeitsfernen, praktisch untauglichen Lehre. Marx und Engels haben insofern nur eine bereits bestehende Wertung verstärkt, wenn sie Ideologie kurzerhand darauf reduzierten, als Wissenschaft verkleidete Interessen einer Klasse zu sein [FN 2]. Ich lege dagegen im folgenden die von Karl Mannheim begründete wissenssoziologische Sicht zugrunde. Der Soziologe Karl Mannheim[FN 3], Schüler Max Webers, war Professor in Frankfurt und emigrierte 1933 nach England, um sich vor dem neuen Regime in Sicherheit zu bringen. Mannheim fing mit einer philosophischen Strukturanalyse der Erkenntnistheorie an und landete bei der Entwicklung einer neuen Wissenschaft: der Wissenssoziologie. Nach seiner Konzeption ist jedes Denken nur möglich auf der Grundlage einer »generellen Seins-Verbundenheit«. Das heißt: all unser Denken ist an bestimmte Grundvorstellungen gebunden, die wir aus unserer Erziehung und Zeitperspektive, aus den religiösen, politischen, wirtschaftlichen und menschlichen Erfahrungen gewonnen haben [FN 4]. 2. Betrachten wir die verschiedenen Funktionen von Ideologien, so haben diese - wenn wir uns im folgenden von der Wirkungsweise der meisten extremen und so insbesondere auch der NS-Ideologiebeschränkungen lösen und außer Betracht lassen, daß nach einem konsequent gehandhabten ideologieneutralen Ideologiebegriff auch etwa der Toleranzgedanke darunterfallen kann - in allererster Linie denkökonomische Bedeutung. Wer im Besitz einer Ideologie ist, braucht sich um andere Ideologien nicht zu kümmern; denn er befindet sich ja bereits im Besitze der Wahrheit. Ideologien verengen den Horizont, immunisieren gegen andere Ideologien und gegen Kritik. Das eindrucksvollste Beispiel für diesen Abschichtungseffekt, für diese Ghettoisierung des Denkens, gibt Wolfgang Leonhardt in seinem Buch »Die Revolution entläßt ihre Kinder«[FN 5]. Leonhardt war als 13Jähriger mit seiner Mutter gleich nach der »Machtergreifung« über Schweden in die Sowjetunion emigriert und wurde hier als Komsomol, also in der Jugendorganisation der KPdSU, ideologisch ausgebildet. In der Bibliothek der Kominternschule fanden die Benutzer die gesamte NS-Literatur (gegen sie waren die jungen Marxisten gefeit), aber nichts von Trotzki oder anderen Abweichlern vom Stalinismus. Der erziehungspolitische Grund liegt auf der Hand: die Rassenideologie des Nationalsozialismus bedeutet für einen Marxisten keine Gefahr, wohl aber eine differenzierende Sicht der Entwicklung der Weltrevolution und wirtschaftlichen Verhältnisse für den Totalitätsanspruch der von Stalin beherrschten Partei. Ideologien funktionieren des weiteren auf genau dieselbe Weise wie Vorurteile: sie geben ihrem Vertreter subjektiv die absolute Sicherheit, im Besitze unangreifbarer Wahrheit zu sein. Und weil die einzelnen Grundsätze einer Ideologie als unumstößliche Wahrheit behandelt, besser ist es zu sagen: geglaubt werden, sind sie über jede Kritik erhaben. Der Ideologe ist ein Rechthaber par excellence. Entsprechend sind die meisten politischen Ideologien intolerant und antidemokratisch. 3. Die Schwierigkeit bei jeder Ideologiekritik, die sich nicht darauf beschränkt, eine Gegenideologie zu entwickeln, liegt darin, einen metaideologischen Ansatz für die Ideologiekritik zu finden, ohne sich gleich dem Vorwurf auszusetzen, doch nur wieder aus einer anderen Ideologie heraus zu argumentieren oder gar Apologet einer bestimmten Ideologie zu sein. Ideologiekritik scheint auf eine jenseits aller Ideologien liegende Wahrheit zurückgreifen und damit von vornherein jede Ideologie als Gegenbegriff zur Wahrheit aufweisen zu können. In diesem Sinne ist Lieblingswort aller Ideologiekritik das Wort »entlarven«. II. Die Ideologie des Nationalsozialismus 1. Nach dem Historiker Otto Brunner (1898-1954) werden die Zeitalter des Glaubens im Mittelalter und der Vernunft in der neueren Geschichte mit der Industrialisierung abgelöst durch das Zeitalter der Ideologie. In ihm treten als Erscheinungsformen politischer Weltanschauung die sog. Hochideologien auf: die liberale, die konservative, die faschistische und die kommunistische [FN 6]. Wir haben uns hier nur mit der faschistischen Ideologie zu beschäftigen. Für den aus Italien stammenden Faschismus sind folgende Momente kennzeichnend: Die Bewegung ist nationalistisch, in ihrem Aufbau autoritär-hierarchisch und damit antiliberal, antidemokratisch und antiparlamentarisch. In der Tendenz ist der Faschismus auf die Errichtung autoritärer oder totalitärer Staatsordnungen ausgerichtet. Der Nationalsozialismus steuert den Ausdruck »völkisch« und einen haßerfüllten, sich vor allem gegen Juden und Zigeuner richtenden »Rassismus« bei. Zusammenfassende Stichworte für die Ideologie des Nationalsozialismus also: nationalistisch, autoritär-hierarchisch, totalitär und völkisch-antisemitisch. Der Ausdruck »völkisch« ist an sich ein altes germanisches Wort. Seit etwa 1875 wieder aufgekommen, wird er vor allem vom Alldeutschen Verband als Verdeutschung des Wortes »national« im Sinne eines auf dem Rassegedanken begründeten und daher entschieden antisemitischen Nationalismus benutzt [FN 7]. Wenn wir wissen wollen, in welchem Maße die Rechtsprechung nach 1933 ideologisiert war, müssen wir uns diese Ideologie näher ansehen. Ich werde also im folgenden ein wenig aus Hitlers »Mein Kampf« und Alfred Rosenbergs »Mythus des 20. Jahrhunderts« zitieren, wobei man wissen muß, daß diese Bücher zwar hohe Auflagen hatten, aber wenig gelesen wurden. Doch waren sie für die NS-Ideologie bestimmend. Ausgangspunkt für die Überlegungen Hitlers zur Ehe ist merkwürdigerweise [FN 8] der Kampf gegen Syphilis und Prostitution [FN 9]. Zur Ehe heißt es: Auch die Ehe kann nicht Selbstzweck sein, sondern muß dem einen größeren Ziele, der Vermehrung und Erhaltung der Art und Rasse, dienen. Nur das ist ihr Sinn und ihre Aufgabe. [FN 10] Zur Familie äußert er sich so: Er (der völkische Staat) hat die Rasse in den Mittelpunkt des allgemeinen Lebens zu setzen. Er hat für ihre Reinerhaltung zu sorgen. Er hat das Kind zum kostbarsten Gut eines Volkes zu erklären. Er muß dafür Sorge tragen, daß nur, wer gesund ist, Kinder zeugt; daß es nur eine Schande gibt: bei eigener Krankheit und eigenen Mängeln dennoch Kinder in die Welt zu setzen, doch eine höchste Ehre: darauf zu verzichten. Umgekehrt aber muß es als verwerflich gelten: gesunde Kinder der Nation vorzuenthalten. Der Staat muß dabei als Wahrer einer tausendjährigen Zukunft auftreten, der gegenüber der Wunsch und die Eigensucht des einzelnen als Nichts erscheinen und sich zu beugen haben ... Er hat, was irgendwie ersichtlich krank und erblich belastet und damit weiterbelastend ist, zeugungsunfähig zu erklären und dies praktisch auch durchzusetzen. Er hat umgekehrt dafür zu sorgen, daß die Fruchtbarkeit des gesunden Weibes nicht beschränkt wird durch die finanzielle Luderwirtschaft eines Staatsregiments, das den Kindersegen zu einem Fluch für die Eltern gestaltet. Er hat mit jener faulen, ja verbrecherischen Gleichgültigkeit, mit der man heute die sozialen Voraussetzungen einer kinderreichen Familie behandelt, aufzuräumen und muß sich an Stelle dessen als oberster Schirmherr dieses köstlichsten Segens eines Volkes fühlen. Seine Sorge gehört mehr dem Kinde als dem Erwachsenen. Wer körperlich und geistig nicht gesund und würdig ist, darf sein Leid nicht im Körper seines Kindes verewigen. Der völkische Staat hat hier die ungeheuerste Erziehungsarbeit zu leisten ..." [FN 11] Zur Erziehung heißt es: Die übermäßige Betonung des rein geistigen Unterrichtes und die Vernachlässigung der körperlichen Ausbildung fördert aber auch in viel zu früher Jugend die Entstehung sexueller Vorstellungen. Der Junge, der in Sport und Turnen zu einer eisernen Abhärtung gebracht wird, unterliegt dem Bedürfnis sinnlicher Befriedigungen weniger als der ausschließlich mit geistiger Kost gefütterte Stubenhocker. Eine vernünftige Erziehung hat aber dies zu berücksichtigen. Sie darf ferner nicht aus dem Augeverlieren, daß die Erwartungen des gesunden jungen Mannes von der Frau andere sein werden als die eines vorzeitig verdorbenen Schwächlings. So muß die ganze Erziehung darauf eingestellt werden, die freie Zeit des Jungen zu einer nützlichen Ertüchtigung seines Körpers zu verwenden. Er hat kein Recht, in diesen Jahren müßig herumzulungern, Straßen und Kinos unsicher zu machen, sondern soll nach seinem sonstigen Tagewerk den jungen Leib stählen und hart machen, auf daß ihn dereinst auch das Leben nicht zu weich finden möge. Dies anzubahnen und auch durchzuführen, zu lenken und zu leiten, ist die Aufgabe der Jugenderziehung und nicht das ausschließliche Einpumpen sogenannter Weisheit. Sie hat auch mit der Vorstellung aufzuräumen, als ob die Behandlung seines Körpers jedes einzelnen Sache selber wäre. Es gibt keine Freiheit, auf Kosten der Nachwelt und damit der Rasse zu sündigen ..." [FN 12] Das Recht der persönlichen Freiheit tritt zurück gegenüber der Pflicht der Erhaltung der Rasse. [FN 13] Ich zitiere zwei Stellen aus Alfred Rosenberg, Der Mythus des 20. Jahrhunderts[FN 14]: Mit einer abstoßenden Heuchelei wird heute die Frage der unehelichen Kinder behandelt. Die Kirchen häufen Schande, Verachtung, gesellschaftlichen Ausschluß auf die »Gefallenen«, während die organischen Feinde der Nation für das Niederreißen aller Schranken eintreten, Rassenchaos, Geschlechtskollektivismus, Freiheit der Abtreibung fordern. Vom rassen-kundlichen Standpunkt aus erscheinen die Dinge in einem ganz anderen Lichte. Gewiß ist die Einehe zu schützen und durchaus beizubehalten als organische Zelle des Volkstums, aber schon Prof. Wieth-Knudsen hat mit Recht darauf hingewiesen, daß ohne zeitweise Vielweiberei nie der germanische Völkerstrom früherer Jahrhunderte entstanden wäre, womit soviel gesagt ist, daß alle Voraussetzungen für die Kultur des Abendlandes gefehlt hätten. Etwas, was diese geschichtliche Tatsache dem Moralisieren enthebt. Es gab auch später Zeiten, da die Zahl der Frauen diejenige der Männer bei weitem überwog. Heute ist dies wieder der Fall. Sollen diese Frauenmillionen, mitleidig als alte Jungfern belächelt, ihres Lebensrechts beraubt, durchs Dasein gehen? Soll eine heuchlerische, geschlechtsbefriedigte Gesellschaft über diese Frauen verächtlich aburteilen dürfen? Ein kommendes Reich wird beide Fragen verneinen. Es wird bei Beibehaltung der Einehe den Müttern deutscher Kinder auch außerhalb der Ehe die gleiche Achtung entgegenbringen und die Gleichstellung der unehelichen Kinder mit den ehelichen gesellschaftlich und gesetzlich durchzuführen wissen. Es ist klar, daß derartige Feststellungen von den Vertretern der Kirchlichkeit ebenso bekämpft werden wie von den Vorständen aller >sozialen< und >sittlichen< Vereine, die ohne weiteres etwa eine Ehe zwischen einem katholischen Deutschen und einer katholischen Mulattin als zulässig und echt christlich empfinden, gegen eine Mischehe zwischen einem deutschen Protestanten und einer deutschen Katholikin aber alle Hebel des kirchlichen und gesellschaftlichen Zwanges anwenden. Diese Kräfte stehen auf dem Standpunkt, daß Rassenschande durchaus sittlich und christlich sein kann, erheben aber ein heuchlerisches Geschrei darüber, wenn die lebensgesetzlichen (biologischen) Verhältnisse unter den Geschlechtern ... vom Standpunkt der Rasseerhaltung und Stärkung des Volkstums durch erbtüchtige Vermehrung betrachtet werden. [FN 15] Eine Ergänzung findet diese Betrachtung bei Wertung der Rassenvermischung. Läßt sich eine deutsche Frau freiwillig mit Negern, Gelben, Mischlingen, Juden ein, so steht ihr in keinem Fall ein gesetzlicher Schutz zu; auch nicht für ihre ehelichen oder unehelichen Kinder, die die Rechte des deutschen Staatsbürgers von vornherein gar nicht zugesprochen erhalten. Die Notzucht eines Fremdrassigen wird durch Auspeitschung, Zuchthaus, Vermögensbeschlagnahme und lebenslängliche Ausweisung aus dem Deutschen Reiche geahndet. [FN 16] Als die NSDAP 1933 an die Macht kam, konnte sie kein fertiges Ehe- und Familienkonzept vorlegen. Als familienrechtsrevelant kamen allenfalls folgende Punkte des Parteiprogramms der NSDAP in Betracht: die Verfemung der Juden, der Gedanke der Volksgemeinschaft und »Gemeinnutz geht vor Eigennutz«[FN 17]. Wenn man einmal auch von den gesetzlich fixierten rassistisch geprägten Gesetzgebungsakten [FN 18] absieht, so wird die ideologische Richtungslosigkeit durch nichts deutlicher, als wenn wir zwei einander völlig widersprechende Äußerungen aus der Zeit unmittelbar nach der Machtübernahme zitieren. So meinte der Reichsleiter der NSDAP Buch[FN 19]: Die Ehen sollen im Hinblick auf das Kind unauflösbar sein ... Ehescheidung dürfte ausschließlich bei Vorliegen höherer Gewalt und wenn das Allgemeinwohl es verlangt, möglich sein. Es ist weniger schlimm, wenn einzelne in einer unglücklichen Ehe zerbrechen, als wenn allzu leichte Ehescheidung leichtfertigen oder als vorübergehend gedachten Eheschließungen Vorschub leistet. Ein paar Seiten weiter heißt es in derselben Zeitschrift in einer Äußerung des Landgerichtsdirektors Gfrörer [FN 20]: Der Staat hat wesentlich nur deshalb ein Interesse an der Ehe, weil sie das beste Mittel ist zur Schaffung und Erhaltung einer erbgesunden und deutschblütigen Volksgemeinschaft durch Zeugung und Aufzucht einer entsprechenden Nachkommenschaft. Ehen, die dieses Ziel nicht erreichen können, an deren Bestand und Erhaltung hat der Staat daher kaum ein Interesse, gerade so wenig wie an ihrer Schließung. Daraus folgt, daß die Lösung solcher Ehen unbedenklich erleichtert werden kann ... Man wird bei der Scheidung solcher Ehen völlig vom Verschulden absehen können, ja müssen, da der Scheidungsgrund in der Tatsache liegt, daß es sich um eine Fehlehe handelt. Das sentimentale Pathos der Zeit bricht in einem der verschuldensunabhängigen Ehescheidung gewidmeten Aufsatz eines Rechtsanwalts von Scanzoni durch: Die Ehe ... ist eine als solche von dem Willen der Ehegatten unabhängige, sittliche und rechtliche Ordnung. Sie ist kein Vertrag, sondern eine von der Gemeinschaft gewollte und von ihr geschützte dauernde Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau, beruhend auf gegenseitiger Treue, Liebe und Achtung ... Menschen einer guten Ehe haben das unmittelbarste Erleben der Gemeinschaft. Sie schaffen, erschaffen und gestalten um sich die Familie. Ungehemmt bricht aus der Natur der Frau der opferbereite Wille zur Mutterschaft. Der Mann aber dankt ihr mit dem Erfolg unermüdlicher Arbeit, mit dem Stolz und der väterlichen Liebe für die gemeinschaftlichen Kinder. So gehören sie einander an, Mann und Weib, in körperlicher und seelischer Verbundenheit, in gegenseitiger Rücksicht und zugeneigtem Verstehen. Aufrecht, stark und breit sind sie - eins geworden - die lebendigen Mittler zwischen Vorfahren und Enkeln, stolz auf die Sippe, erfüllt von dem Wunsch, daß die Kette der Geschlechter nicht abreiße." [FN 21] III. Juristische Methode und unbestimmte Rechtsbegriffe Da der Gesetzgeber gerade nur mit den Mitteln formulieren kann, die ihm unsere Sprache zur Verfügung stellt, gelingt es ihm nur an wenigen Stellen, eindeutige Aussagen zu machen. In allen Gesetzen wimmelt es von unbestimmten Rechtsbegriffen. Besonders das Familienrecht strotzt von unbestimmten oder - wie wir auch sagen - wertausfüllungsbedürftigen Begriffen. Auf das zuletzt genannte Adjektivattribut kommt es uns an: »wertausfüllungsbedürftig«. Man muß sich darüber klar sein, daß immer dann, wenn der Gesetzgeber seine Ziele nicht eindeutig festlegt, sondern unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet, er damit das Tor öffnet dafür, daß der Richter oder wer immer sonst sich mit der Norm zu befassen hat, eigene Wertungen hineinbringt. Von daher versteht sich aber auch nichts einfacher als dies, daß besonders in Zeiten, in denen bestimmte Ideologien herrschen, deren Grundvorstellungen in die Gesetzesauslegung einfließen. Der juristische Mephistopheles des Dritten Reiches, Carl Schmitt (1888-1985), schreibt in seinem Buch »Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens«: »Sobald Begriffe wie >Treu und Glauben<, >gute Sitten< usw. ... auf das Interesse des Volksganzen bezogen werden, ändert sich in der Tat das gesamte Recht, ohne daß ein einziges >positives< Gesetz geändert zu werden brauchte« [FN 22]. Entsprechend ist von den Justizideologen des Dritten Reiches immer wieder auf die besondere Rolle hingewiesen worden, die für die Durchsetzung des nationalsozialistischen Gedankenguts den Richtern zufiel. So heißt es bei Roland Freister[FN 23]: Eine Vermengung der Richterstellung mit der politischen Stellungnahme findet also statt. Aber wir sehen darin keine Gefahr, sondern eine Selbstverständlichkeit: die Voraussetzung, die das Richtertum selbst schaffen muß, damit es an die Erfüllung seiner Aufgaben im nationalsozialistischen Reich überhaupt mit Aussicht auf Erfolg herangehen kann. Solche bestimmte innere Ausrichtung und ihre Bestätigung nach außen vom Richter verlangen, heißt auch gar nicht, ihn zu vergewaltigen; von Vergewaltigung kann schon rein äußerlich deshalb nicht die Rede sein, weil ja niemand gezwungen ist, Beamter und insbesondere Richter des Dritten Reiches zu werden oder zu bleiben. Der Richter dürfe bei seiner Tätigkeit »nichts anderes wollen, als innerhalb seiner Funktion den von der politischen Führung und sonstwie herausgestellten politisch ferneren und näheren Gesamt- und Teilzielen näherzukommen suchen«.[FN 24] Hermann Weinkauff, der erste Präsident des Bundesgerichtshofs, früherer Reichsgerichtsrat, berichtet aus dieser Zeit [FN 25]: Daß dann der Nationalsozialismus den Versuch machte, das Reichsgericht durch seine Personalpolitik und durch seinen Terror politisch, menschlich und rechtlich zu zersetzen, daß ihm dieser Versuch teilweise gelang, daß er innerhalb des Gerichts besondere zusätzliche Rechtsprechungsgremien bildete, die er durch Personalnachschub linientreu zu besetzen suchte, daß ihm auch das teilweise gelang, daß schwere Schatten auf die Rechtsprechung dieser Gremien fielen, daß damals ein unerhörter Druck und die schimpflichsten Spitzelmethoden auf dem Gericht lasteten, daß sich in ihm eine lähmende Atmosphäre der Furcht, des Mißtrauens, der Verbitterung, ja der Verzweiflung ausbreitete, das alles ist bekannt. Das Reichsgericht war damals nicht mehr es selbst. Zwar ergingen weitaus die meisten Entscheidungen auch jetzt noch in dem alten, ehrenhaften Geist - ein Strafsenat wurde damals bekanntlich aufgelöst, weil er Eingriffe in seine Rechtsprechung abgewiesen hatte -, und doch war dem Gericht die Lebensluft der Freiheit und der Unabhängigkeit genommen. IV. Die Scheidung der »völkisch« nicht gerechtfertigten Ehe durch das Reichsgericht 1. Im Ehegesetz von 1938 standen im Zentrum der verschuldensunabhängigen Ehescheidung zwei unbestimmte Rechtsbegriffe: die »richtige Würdigung des Wesens der Ehe« und die »sittliche Rechtfertigung« der Aufrechterhaltung der konkreten Ehe [FN 26]. Literatur und Gerichte reagierten zunächst völlig unterschiedlich -eheerhaltend bzw. umgekehrt scheidungsfreundlich [FN 27]. Manche Richter erklärten die Vorschrift des § 55 EheG sogar aus Unklarheit für nicht anwendbar. Bei den Oberlandesgerichten war es so, daß »einige ... alles - andere ... nichts schieden«[FN 28]. Die Scheidungsunfreundlichkeit war durchaus legitim, hieß es doch in der amtlichen Begründung zum Ehegesetz ausdrücklich: einem Ehegatten dürfe nicht der Weg eröffnet werden, durch eigene schwere Eheverfehlung die Zerrüttung herbeizuführen, um dann nach dreijähriger Trennung die Scheidung zu begehren. Ein Ehemann dürfe seine Frau nicht verstoßen, weil er eine jüngere und reizvollere gefunden habe und mit dieser vereinigt zu sein wünsche [FN 29]. In dieser Situation griff die Partei ein. Die offiziellen Stellen der NSDAP, aber auch Parteizeitungen wie das »Schwarze Korps« und »Der Stürmer« und schließlich sogar der »Völkische Beobachter« unter Abdruck eines Artikels, welcher der Zeitung »aus Kreisen des Reichsjustizministeriums zur Verfügung gestellt« worden war, machten kein Hehl daraus, daß man im Prinzip eine Erleichterung der Scheidung wollte. In dem zuletzt genannten Artikel hieß es wörtlich: Wenn in dem Gesetz im übrigen gewisse Sicherungen gegen eine frivole Auflösung der Ehe eingebaut sind, so darf in der Praxis keinesfalls die Auffassung Platz greifen, als ob diese eng umgrenzten Schutzbestimmungen nun das wesentliche der neuen Gesetzesbestimmung seien und dazu berechtigen würden, den Willen des Gesetzgebers, der die für die Volksgemeinschaft nutzlosen und wertlosen Ehen getrennt wissen will, zu umgehen. In diesem Sinne ist der Begriff der sittlichen Rechtfertigung für die Auflösung der Ehe gem. § 55 Abs. 2 zu verstehen. Ist eine Ehe unheilbar zerrüttet, so spricht dies nach der Auffassung des Gesetzes bei richtiger Vorstellung vom Wesen der Ehe als lebendiger Gemeinschaft gegen die Aufrechterhaltung der Ehe. Das Gesetz läßt allerdings aus besonderen Gründen die Aufrechterhaltung des Ehebandes ... zu. Doch ist die Behauptung, daß schon das Vorhandensein von Kindern an sich die Scheidung nach § 55 ausschließt, völlig unrichtig. [FN 30] Entsprechend war die Zurückhaltung der Berufungsgerichte bei der Zulassung der Revision gerügt worden; und zunächst wurde diese Entwicklung korrigiert. Die Revisionen zu § 55 Abs.2 EheG schnellten derart in die Höhe, daß die normale Mitgliederzahl des zuständigen iv. Senats am Reichsgericht von sieben oder acht Richtern auf dreizehn erhöht wurde [FN 31]. Einer von ihnen, der dem Senat von 1937 bis 1943, bis zu seiner Einberufung zur Wehrmacht, angehört hatte, äußerte sich nach dem Kriege dahin, »daß von keiner amtlichen oder parteiamtlichen Stelle der Versuch einer Einwirkung auf die Rechtsprechung des Senats gemacht worden« sei [FN 32]. Aber die Erhöhung der Zahl der Mitglieder des Senats ermöglichte bereits die Besetzung mit Gefolgsleuten der NSDAP, wie denn auch Frantz in demselben, nach dem Kriege verfaßten Artikel zugibt, daß die Auslegung des §55 EheG »im Senat sehr umstritten« war und nachdem die entscheidende Wendung in der Interpretation einmal vollzogen gewesen sei, auch für die Senatsmitglieder, die anderer Ansicht waren, als gegeben hingenommen werden mußte, obwohl sie später wahrscheinlich keine Mehrheit im Senat mehr hinter sich hatte [FN 33]. Tatsache ist, daß - von einer strengeren Auslegungsmethodik her zumindest zweifelhaft [FN 34] - das Reichsgericht fortan nach der Maxime entschied und Ehen schied, daß der nationalsozialistische Staat im Interesse gesamtvölkischer Belange auf die Aufrechterhaltung zerrütteter Ehen keinen Wert legte. 2. In einem Fall war aus einer 1908 geschlossenen Ehe ein inzwischen volljähriger Sohn hervorgegangen. Der Ehemann war - was nach damaliger Rechtsauffassung ein seinem Scheidungswunsch an sich absolut entgegenstehendes schweres Verschulden bedeutete -, nachdem er nach dem Ersten Weltkrieg aus der Gefangenschaft zurückgekommen war, zu einer Witwe in Beziehungen getreten, die er »vor seinem Gewissen als seine Ehefrau« betrachtete. Seit 1934 lebte er von seiner Ehefrau getrennt. Das RG hat die Ehe nach dem damals neuen § 5 5 Abs. 28.2 EheG geschieden. Zum Verstoßungsproblem führte der iv. Senat aus: Für das Leben der Frau wird sich ein großer Unterschied auch kaum ergeben, ob nun die Ehe inhaltlos fortgeführt oder endgültig geschieden wird, wenn man von der geldlichen Seite zunächst absieht. Eine Lösung der Ehe kann auch ihr bei Einrichtung eines neuen Lebens nur förderlich sein. Sittlich nicht zu rechtfertigen wäre ihr Verlangen, nur um der Aufrechterhaltung ihrer bisherigen Lebensgrundlage willen den entfremdeten Mann dauernd an sich zu fesseln. Sinn des Gesetzes ist es auch nicht, einen schuldigen Ehegatten durch Festhalten an einer Scheinehe zu strafen. Es ist daher gerechtfertigt, dem schuldigen Ehegatten eine sein Leben vergällende dauernde Bindung trotz seiner Schuld zu ersparen und dem anderen Teil zuzumuten, gegebenenfalls durch eigene Arbeit sich eine neue Lebensgrundlage zu schaffen, solange er dazu noch fähig ist. Das alles liegt im wohlverstandenen Interesse nicht nur der Eheleute selbst, sondern insbesondere auch der Volksgesamtheit, der statt der inhaltlosen Ehe eine wertvolle neue Ehe des einen Gatten oder beider nur erwünscht sein kann. Staat und Volk haben außerdem ein dringendes Interesse, ein loses Zusammenleben von Personen verschiedenen Geschlechts ohne gesetzliche Bindung zu verhindern - wie es häufig als Folge zerstörter, nicht geschiedener Ehen entsteht - ungesunde Hemmungen zu beseitigen und dadurch Sitte und Anstand zu fördern. [FN 35] In derselben Entscheidung hieß es weiter: Anders zu beurteilen wird die Lage sein, wenn erst nach langer Ehe die Entfremdung der Eheleute in höherem Alter eintritt, wenn der schuldlose Gatte seine guten Jahre dem anderen gewidmet hatte und er nun im Alter seine Lebensgrundlage verlieren soll. An der neuen Ehe eines gealterten Menschen hat die Volksgemeinschaft ebensowenig Interesse, wenn der neue Lebensgefährte ebenfalls in höherem Alter steht, wie wenn der schon bejahrte schuldige Teil mit einem erheblich jüngeren Gatten eine den Naturgesetzen nicht entsprechende Verbindung eingehen will. [FN 36] In der nächsten Entscheidung hieß es, »Kernfrage« sei, »ob die Aufrechterhaltung einer ... zerrütteten und damit ihres wesentlichsten Gehalts verlustig gegangenen Ehe vom völkischen und bevölkerungspolitischen Standpunkt aus überhaupt noch einen Sinn« habe. Stehe im Mittelpunkt der Betrachtung aber das allgemeine Interesse und nicht das Interesse der Parteien an der Aufrechterhaltung oder Lösung der Ehe, dann könne dem Gesichtspunkt, daß der Scheidungskläger drei Jahre in seiner Untreue ohne jeden Versuch der Besserung und einer Wiederannäherung an die Beklagte beharrt habe, keine entscheidende Bedeutung zukommen. Das stärkste Verschulden des Scheidungsklägers könne »für sich niemals die Grundlage für die Aufrechterhaltung einer zerbrochenen Ehe bieten«. Das käme darauf hinaus, den schuldigen Ehegatten durch Festhalten an der Ehe zu bestrafen. Hierauf hat der Senat bei der dann fälligen Gesamtabwägung aller Umstände die Scheidung letztlich aus »bevölkerungspolitischen« Gründen gewährt: Die zu scheidende Ehe war kinderlos; für den 44 Jahre alten Kläger bestand nach Auffassung des Reichsgerichts »durchaus die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit«, daß er eine neue Ehe eingehe und eine Familie gründe [FN 37]. In der hierauf folgenden Entscheidung hieß es wörtlich: »So sehr der nationalsozialistische Staat darauf bedacht ist, eine vollwertige Ehe zu schützen und ihr die Rechtsstellung zu geben und zu erhalten, die sie als Grundlage der Familie ... verdient, so wenig kann ihm daran gelegen sein, eine Ehe durch Zwang aufrechtzuerhalten, die ihren inneren Wert endgültig verloren hat«. Die Frage, ob die Aufrechterhaltung der Ehe wegen des Widerspruchs bei richtiger Würdigung ihres Wesens sittlich gerechtfertigt ist, sei in erster Reihe nach den völkischen Belangen zu beantworten. Ehen die zu einer ausgehöhlten und zwecklosen Rechtsbindung geworden sind, zu scheiden, sei sittlich gerechtfertigt [FN 38]. Diese Linie behielt das RG auch in der Zukunft bei. Die Entscheidungen werden weniger, die Entscheidungsgründe knapper. Die Berufungsgerichte werden dahin belehrt, der Standpunkt, »daß im Falle des §55 Abs. 2 EheG die Aufrechterhaltung der Ehe die Regel, ihre Lösung also die Ausnahme bilde«, sei falsch. i In Wahrheit müsse »es auch im Falle des §55 Abs.2 EheG bei f dem Grundsatze bleiben, daß unheilbar zerrüttete und damit ihres inneren Wertes entkleidete Ehen zu scheiden sind, wenn nicht besondere Umstände für das Gegenteil sprechen«. Trotz des Vorhandenseins zweier 6 und 8 Jahre alter Töchter aus der Ehe sei es vom völkischen Standpunkt aus wünschenswert, daß der Kläger sein Verhältnis zu der Buchhalterin, mit der er ehebrecherische Beziehungen angeknüpft hatte, durch eine Ehe ordne, aus der wohl auch Kinder erwartet werden könnten. Die Scheidung liege auch im wohlverstandenen eigenen Interesse der beklagten Ehefrau, »da sie ihr den Weg in eine neue Zukunft freimacht« [FN 39]. Grundsätzlich solle zwar der schuldige Ehegatte »gerade von der nationalsozialistischen Auffassung aus, die allgemein den Gedanken der Pflichterfüllung in den Vordergrund stelle«, an seinen mit der Ehe übernommenen Pflichten festhalten. Unter diesem Gesichtspunkt liege die Aufrechterhaltung der Ehe auch im allgemeinen Interesse. Umgekehrt und hier ausschlaggebend sei das entscheidende Gewicht aber darauf zu legen, »daß die zur hohlen Form herabgesunkene Ehe nutzlos Kräfte bindet und verzehrt, die bei Trennung der Ehe der Allgemeinheit zugute kommen könnten« [FN 40]. Uns, die wir seit mehr als zehn Jahren unter der Herrschaft eines reinen Zerrüttungscheidungsrechts leben, stört inzwischen weniger die rechtsethische Neutralisierung des für die Frage der Ehescheidung damals noch eigentlich maßgeblichen Verschuldens als vielmehr die Reduktion der Ehe zu einem bloßen Instrument der Bevölkerungspolitik. Da aber Ideologie unser Thema ist und die in einer Ideologisierung der Rechtsprechung gerade für uns Juristen liegenden Gefahren verdeutlicht werden sollen, gehört es mit zu unserer Aufgabe, auf das Schicksal einzugehen, das die Vorschrift des § 55 EheG nach dem Zusammenbruch erfahren hat. Vom Standpunkt der Ideologiekritik aus verliert die Regelung nämlich nichts von ihrer Brisanz. 3. Der Alliierte Kontrollrat der Siegermächte hat bei Schaffung des Ehegesetzes vom 20.2.1946 das NS-Ehegesetz von 1938 im wesentlichen nur »entnazifiziert«. Dabei hat man in der Vorschrift des § 55 EheG keine offenkundigen nationalsozialistischen Inhalte entdecken können und die Bestimmung als § 48 in das neue Ehegesetz übernommen [FN 41]. Damit wurde eine Regelung, die den bevölkerungspolitischen Zielen des Nationalsozialismus gedient hatte [FN 42], völlig unverändert in ein Rechtssystem mit einem ganz anderen rechtsethischen Wertgefüge übernommen [FN 43]. Gleich in seiner ersten Entscheidung zum Thema erklärte der BGH - auch bei ihm ist es der iv. Zivilsenat -, für die Beurteilung der Beachtlichkeit des Widerspruchs gegen die Scheidung hätten »als dem Wesen der Ehe fremde Elemente« gänzlich außer Betracht zu bleiben solche bevölkerungs- und rassenpolitischer Natur. Wesensmäßig wichtig sei, ob und in welchem Maße die Ehe vor ihrer Zerrüttung zu einer Lebensgemeinschaft geworden und in welchem Maße diese entwicklungsfähig gewesen sei [FN 44]. Aber während es noch in einer Entscheidung vom 10.5.1951 hieß, »daß die Allgemeinheit ein sittliches Interesse daran hat, die offenbar unlösbar gewordene faktische Ehe des im Alter vorgeschrittenen Klägers in gesetzliche Bahnen zu lenken, wenn die frühere Ehe völlig sinnwidrig und auch aus äußeren Gründen für die Frau ohne Wert geworden ist« [FN 45], veränderte der Senat - bei gleichbleibendem Wortlaut! - immer mehr die Vorzeichen, unter denen die Vorschrift verstanden werden sollte. Dem Widerspruch des sich gegen die Scheidung wehrenden Ehegatten wurde praktisch Omnipotenz zuerkannt und damit die Ehescheidung unmöglich gemacht: Ein Widerspruch gegen die Scheidung soll im allgemeinen nur dann unbeachtlich (sein), wenn das eheliche Zusammenleben von Anfang an durch objektive von dem sittlich zu verantwortenden Willen der Ehegatten unabhängige Mängel so stark belastet und behindert war, daß die Entwicklung der Ehe zu einer echten und erfüllten Lebensgemeinschaft und damit die Erfüllung des Eheversprechens, insbesondere die Bewahrung der ehelichen Gesinnung von den Ehegatten auch bei aller zumutbaren Anstrengung ihrer sittlichen Kräfte nicht erwartet werden konnte, oder wenn festzustellen ist, daß auch bei dem widersprechenden Ehegatten eine echte innere Bindung an die Ehe und eine echte Bereitschaft, diese fortzusetzen, nicht vorhanden, der Widerspruch also von ihm nicht zur Verteidigung seiner in der Ehe verwurzelten persönlichen Würde, sondern nur aus sittlich nicht anerkennenswerten Beweggründen erhoben wird. [FN 46] Zu einer der Rechtsprechung des RG diametral entgegengesetzten Rechtsanwendung gelangte man, indem man zwar dem Worte nach weiterhin auf die sittliche Berechtigung des Fortbestandes der Ehe [FN 47], in Wirklichkeit aber auf die sittliche Berechtigung des Widerspruchs desjenigen Ehegatten abstellte, der verheiratet bleiben wollte: »Die Aufrechterhaltung der Ehe ... ist ... sittlich gerechtfertigt, solange ein Ehegatte in echter innerer Bindung an diesen Sinn der Ehe ... die Scheidung ablehnt« [FN 48]. V. Rassistische Gesichtspunkte in der Rechtsprechung des Reichsgerichts 1. Unverhohlene Ideologie der NS-Zeit ist ihr Haß verzerrter Antisemitismus. Er mußte sich zwangsläufig auch in der Rechtsprechung überall dort niederschlagen, wo es um die Anwendung des überaus umfangreich entwickelten »Sonderrechts für die Juden im NS-Staat« ging. Die von Joseph Walk herausgegebene Sammlung der gesetzlichen Maßnahmen und Richtlinien umfaßt über 400 Seiten [FN 49]. Nach dem Blutschutzgesetz vom 15.9.1935 [FN 50] war die Eheschließung von Juden mit Angehörigen »deutschen oder artverwandten Blutes« verboten. Eine trotzdem (etwa im Ausland) geschlossene Ehe galt als nichtig. Die verbotswidrige Eheschließung wurde als »Rassenverrat« bestraft, ebenso wie der entsprechende außereheliche Geschlechtsverkehr als »Rassenschande«. Wer darin verwickelt war, kam ins KZ (Schutzhaft). Die ganze Rechtsordnung war durchzogen von Sondervorschriften für Juden, so daß die meisten gegen sie ergriffenen Maßnahmen den Anstrich vollkommener Legalität hatten. Harte Eingriffe wurden durch Härteregelungen scheinbar abgeschwächt. Wenn etwa der gesetzliche Mieterschutz von Juden gegenüber einem nichtjüdischen Vermieter beseitigt wurde, so doch nur unter der Voraussetzung, daß der Vermieter durch eine Bescheinigung der Gemeindebehörde nachwies, daß die anderweitige Unterbringung des Mieters gesichert war. Der in der Durchführung des Gesetzes über Mietverhältnisse mit Juden erkennbare politische Hintergrund dieses »Entgegenkommens«: es sollte der Eintritt einer - bei der Bevölkerung leicht Mitleid auslösenden -Obdachlosigkeit jüdischer Familien verhindert werden [FN 51]. Wie politisch pragmatisch die Dinge behandelt wurden, zeigt etwa der Erlaß vom 18.9.1935, wonach die Nürnberger Gesetze im Saarland aufgrund des Abkommens von Rom befristet keine Anwendung finden sollten. Es sei streng darauf zu achten, daß Klagen in dieser Hinsicht vermieden würden [FN 52]. 2. Nach Hitlers »Mein Kampf« [FN 53] ist der Jude »immer nur Parasit im Körper anderer Völker ... Er sucht immer neuen Nährboden für seine Rasse ... Er ist und bleibt der typische Parasit, ein Schmarotzer, der wie ein schädlicher Bazillus sich immer mehr ausbreitet ... Wo er auftritt, stirbt das Wirtsvolk nach kürzerer oder längerer Zeit ab.« Schon in einer Gesetzesinitiative der NSDAP-Reichstagsfraktion von 1930 wurde die Einführung der Zuchthausstrafe wegen »Rassenverrat« für den gefordert, der durch Vermischung mit Angehörigen der jüdischen Blutsgemeinschaft oder farbigen Rassen zur Rassenverschlechterung und Verletzung des deutschen Volkes beiträgt oder beizutragen droht [FN 54]. Reine Ideologie ist die These vom parasitären Volkscharakter der Juden, weil dafür überhaupt keine Beweise vorlagen. Im Gegenteil haben gerade die Juden ihr Volk in überaus eindrucksvoller Weise über Jahrhunderte als völkische Minderheiten zusammengehalten. Historisch gibt es kein einziges Beispiel dafür, daß sie ein »Wirtsvolk« zum Absterben gebracht haben. Mit der Judenemanzipation, wie sie in Preußen durch Gewährung des städtischen bzw. staatlichen Bürgerrechts im Rahmen der Stein-Hardenberg'schen Reformen eingeleitet wurde, war der Weg für eine Assimilierung frei, der gerade wir Juristen Unersetzliches verdanken: die Verbindung geschichtlichen und systematischen Denkens bei Georg Jellinek (1851 -1911), die weit über die Jurisprudenz hinaus wuchernde Interessiertheit eines Josef Kohler (1849-1919), die vielschichtige Intellektualität eines Ernst Rabel (1874-1955) und die unbestechliche Logizität eines Martin Wolff (1872-1953), von den großen Anwälten wie Max Hachenburg (18 60-19 51) oder Max Aisberg (1877-1933) ganz zu schweigen. Für das Folgende ist es wichtig zu wissen, daß zwar die Eheschließung mit Juden verboten war und daß mit allen Mitteln versucht wurde, auf diejenigen, die mit Juden verheiratet waren, unmittelbaren oder mittelbaren Druck auszuüben, sich von dem jüdischen Ehepartner zu trennen, daß aber der jüdische Teil solange, wie eine solche »Mischehe« [FN 55] Bestand hatte, in gewissem Umfang geschützt war, später sogar vor dem Abtransport in die Vernichtungslager. Gingen aus einer solchen Mischehe Kinder hervor, »Mischlinge ersten Grades«, so galt die Mischehe als »privilegiert« [FN 56], ein Status, der kraft ausdrücklichen Führerschreibens auch nicht fortfiel, wenn der die Privilegierung vermittelnde einzige Sohn der Eheleute den Heldentod erlitten hatte [FN 57]. 3. Ideologisch viel entschiedener als das RG gebärdeten sich von Anfang an die Instanzgerichte, das RG auch auf Nebenschauplätzen und in den juristischen Zeitschriften vor allem die Verfasser von Anmerkungen. So durfte die Erziehung eines vierteljüdischen Kindes nicht in die Hände seines jüdischen Elternteils gelegt werden [FN 58] oder wurde einer jüdischen Mutter nach Scheidung ihrer Ehe das Recht abgesprochen, ihr Kind, das von dem arischen Vater erzogen wurde, im Rahmen ihres Besuchsrechts in ihrer Wohnung zu empfangen; sie könne nur ein Zusammenkommen mit ihrem Kind außerhalb der Wohnung beanspruchen [FN 59]. Ein deutschblütiger Anwalt, der noch vor dem Verbot der Eheschließung zwischen Ariern und Juden im Juni 1935 eine Volljüdin geheiratet hatte, wurde mit dem Ausschluß aus der Rechtsanwaltschaft bestraft mit der Begründung: Die Verpflichtung, die Rassegrundsätze des nationalsozialistischen Staates zu achten, bestehe »für jeden Volksgenossen und für den Anwalt als Organ der Rechtspflege in erhöhtem Maße, ganz unabhängig davon, in welchem Umfang der Staat es für erforderlich erachtet, diesen Rassegrundsätzen durch gesetzliche Verbote Nachdruck zu verleihen« [FN 60]. Reine Ideologie sind die Entscheidungen, in denen rassische Momente, die für das Verfahrensrecht eine Rolle spielen, unmittelbar ins materielle Recht hinüberschlagen und dort etwa zum Verlust von Ansprüchen oder Gegenrechten führen. In diesem Zusammenhang spielen die zahlreichen Bestimmungen und Anordnungen zur Zurückdrängung von jüdischen Anwälten eine große Rolle [FN 61]. Ideologiekonträres Verhalten wurde mit dem Verlust materieller Rechte, insbesondere von Unterhaltsansprüchen bestraft. So verlor eine Tochter, die im Jahre 1934 einen Volljuden geheiratet hatte, ihren Aussteueranspruch, weil sonst »dieser unsittliche Zustand ... durch die Gewährung einer Aussteuer gefördert« würde [FN 62]. Die Instanzgerichte ließen die Boykottverpflichtung gegenüber jüdischen Anwälten auf die Sache selbst durchschlagen: So wurde der Antrag einer Ehefrau, ihrem Manne im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, einen Gebührenvorschuß für ihre Unterhaltsklage zu zahlen, mit der Begründung abgelehnt, sie habe als arische Beamtenfrau einen jüdischen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Rechte beauftragt. Dabei ist noch das Argument, die Finanzierung des jüdischen Anwalts sei für den Beamten der Reichsbahn unzumutbar, weil er »sich mittelbar mit der von ihm erwarteten grundsätzlichen Einstellung in Widerstreit bringen« würde, durchaus ideologiekonsistent. Aber geradezu absurd und eigentlich ein geheimes Eingeständnis der (rassischen?) Überlegenheit jüdischer Anwälte ist das immer wieder ebenfalls in diesem Zusammenhang gebrauchte Gleichheitsargument, der Beamte seinerseits hätte sich jüdischer Hilfe nicht bedienen dürfen, »ohne im erheblichen Maße gegen seine allgemeinen Beamtenpflichten zu verstoßen«. Die Frau eines Beamten müsse sich nach den gleichen Grundsätzen verhalten [FN 63]. Aber nicht einmal das RG hat sich dieses Arguments geschämt und in der Betreuung nichtarischer Anwälte mit der Prozeßvertretung im Ehescheidungsprozeß sogar eine Eheverfehlung gesehen. Begründung: Das Vorgehen der Klägerin mußte notwendig zur Aufdeckung des gesamten Ehelebens »vor jenen Rassenfremden« führen, »zumal bei der Zugehörigkeit des Beklagten zur Partei und zum NSKK, die ihm selbst die Zuziehung nichtarischer Rechtsanwälte verbot« [FN 64]. Rechtsmeinungen, die ausschließlich von der NS-Doktrin diktiert sind, findet man in den juristischen Zeitschriften der damaligen Zeit am meisten natürlich in den Anmerkungen zu Gerichtsurteilen. So etwa, wenn Trinius [FN 65] lobt, daß das OLG den Mut gefunden habe, gegen den Wortlaut eines Gesetzes zu entscheiden, daß »nach seiner richterlichen Überzeugung dem gesunden Volksempfinden und den Grundsätzen nationalsozialistischer Rechtsanschauung ins Gesicht schlage«. Die Anwendung der fraglichen Norm (es ging um § 1594 BGB) wäre »keine Rechtsprechung mehr, sondern Paragraphenanwendung« [FN 66]. Als Begründung wurde angeführt, für den NS-Gesetzgeber sei es nahezu undurchführbar, jede einzelne Norm, die nationalsozialistischem Rechtsempfinden widerspreche, aufzuheben [FN 67]. 4. Das Ausmaß an Ideologisierung in der Rechtsprechung läßt sich angesichts der zahlreichen legalisierten Antisemitismen weniger in der Anwendung von Gesetzen mit eindeutig antisemitischer Zielsetzung feststellen als vielmehr an Hand solcher Vorschriften, die wiederum nur wertausfüllungsbedürftige Begriffe enthielten, also nicht ausdrücklich gegen die Juden gerichtet waren. a) Statt des an sich geplanten großen Volksgesetzbuchs hat sich der NS-Staat in der Mitte der dreißiger Jahre auf Rechtsreformen im Sinne der NS-Doktrin in Form von Einzelgesetzen festgelegt. Das erste Gesetz dieser Art war das Gesetz über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen, kurz Testamentsgesetz, vom 31.7.1938. Dessen § 48 wiederholte praktisch nur den in § 138 BGB allgemein niedergelegten Grundsatz der Nichtigkeit von sittenwidrigen Rechtsgeschäften. Doch war die neue Formulierung, wonach eine Verfügung von Todes wegen nichtig sein sollte, soweit sie in einer gesundem Volksempfmden gröblich widersprechenden Weise gegen die Rücksichten verstieß, die ein verantwortungsbewußter Erblasser gegen Familie und Volksgemeinschaft zu nehmen habe, deutlich auf letztwillige Zuwendungen an Juden gemünzt [FN 68]. Allerdings erging dazu in der ganzen NS-Zeit nur eine einzige Entscheidung. Ein Urteil des Amtsgerichts Leipzig, wonach die Erbeinsetzung eines Juden (es ging um Vater und Schwester des Erblassers) durch einen Deutschen unter Umgehung der gesetzlichen Erben als Verstoß gegen das gesunde Volksempfinden bezeichnet und für nichtig erklärt worden war, stammte bereits aus der Zeit vor Erlaß des Testamentsgesetzes [FN 69]. Unter der Geltung des Testamentsgesetzes hat das OLG Darmstadt vielmehr in einer Entscheidung vom 13.12.1939, die dann in dem führenden Kommentar zum Testamentsgesetz von Vogels [FN 70] zustimmend zitiert wurde, sogar gegen die NS-Ideologie ein Testament für gültig erklärt, in welchem ein Erblasser nach 10jähriger kinderloser Ehe seine jüdische Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt hatte. Das Gericht meinte zur Begründung - und diese Argumentation kehrt auch in anderen Zusammenhängen immer wieder: »Solange die Gültigkeit einer ehelichen Verbindung zwischen Ariern und Juden aufrechterhalten bleibt, ist für die Bejahung der Nichtigkeit einer letztwilligen Verfügung zugunsten einer jüdischen Ehefrau, die nur die Rassenzugehörigkeit als Grund nähme, kein Raum.« b) Auf der gleichen Argumentationslinie und damit gegen die damalige Ideologie liegen Entscheidungen wie jene, in denen das RG bestimmten Eheverfehlungen für die Scheidung keine große Bedeutung deshalb beizumessen bereit war, weil es sich um eine Mischehe handelte. So hieß es in einer Entscheidung, in der die jüdische Ehefrau ihren »deutschblütigen« Ehemann wegen seines Verhältnisses zu einer Kanzlistin auf offener Straße gestellt und beschimpft hatte: Wenn die Revision meint, das angefochtene Urteil gehe insofern von einer falschen rechtlichen Grundlage aus, als es annehme, daß der Kläger trotz der gewandelten und so im Recht zur Geltung gelangten allgemeinen Anschauung über die Bedeutung des rassischen Unterschieds zwischen Deutschblütigen und Juden auch heute noch zur ehelichen Lebensgemeinschaft mit der Beklagten verpflichtet und ihr gegenüber zu ehelicher Treue verbunden sei, so kann dem nicht beigetreten werden. Es gilt auch heute nicht zweierlei Recht für Ehen zwischen Rassegleichen und für Mischehen und erst recht nicht für den deutschblütigen Partner einer Mischehe und für den jüdischen. Wer sich wie der Kläger zur Verheiratung mit einer Rassefremden entschlossen hat, hat sich dadurch mit ihr für sein Eeben verbunden. Solange er nicht die Scheidung oder Nichtigerklärung der Ehe erreicht, kann er sich von diesem Bunde nicht lösen und nicht verlangen, für sich allein leben zu dürfen, nachdem ihm die Auswirkungen der Rasseungleichheit fühlbar geworden sind. Diese nachteiligen Folgen ihrer Verbindung müssen die Eheleute vielmehr gemeinsam tragen und sich im Rahmen der ehelichen Gemeinschaft, auf deren Fortführung trotz jener Folgen jeder von ihnen ein Recht hat, durch gegenseitige liebevolle Rücksichtnahme erleichtern; keiner von ihnen kann ihretwegen beanspruchen, von der Lebens- und Schicksalsgemeinschaft mit dem anderen und den damit wesensmäßig für ihn verknüpften Pflichten befreit zu werden. Das muß insbesondere auch von der Verpflichtung zum ehelichen Zusammenleben und zur ehelichen Treue gelten. Die von der Revision vertretene abweichende Auffassung läßt sich auch nicht damit rechtfertigen, daß dem Staat und der Volksgemeinschaft die Erzeugung rassischer Mischlinge unerwünscht sei. Indem der Gesetzgeber aus wohl erwogenen Gründen von der Lösung der bestehenden Mischehen trotz des Verbotes des Abschlusses neuer abgesehen hat, hat er jene Folge des Fortbestandes solcher ungleichrassischer Geschlechtsgemeinschaften hier in Kauf genommen, wobei er zugleich in anderer Weise dafür gesorgt hat, daß eine rassische Verschlechterung der deutschen Volksgemeinschaft durch die Kinder dieser Ehen nach Möglichkeit vermieden wird. [FN 71] c) In einem anderen Urteil ging es nicht um die Ehescheidung, sondern um die Klage auf Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 BGB a. F.). Nach der rein »biologisch« verstandenen Rassenideologie des Nationalsozialismus hätte der Geschlechtsverkehr zwischen einem »Juden« und einem »Arier« als »Rassenschande« eigentlich unabhängig davon gelten müssen, ob Mann und Frau miteinander verheiratet waren. Das Berufungsgericht hatte diesem Gedanken in vollem Umfang Rechnung getragen, indem es ausführte, es widerspreche nach der damaligen Auffassung dem sittlichen Wesen der Ehe, »wenn ein Jude gegenüber seiner arischen Ehefrau gegen deren Willen die Fortsetzung eines rasseschänderischen Verhältnisses verlange«. Das Reichsgericht hat dagegen der Klage des jüdischen Ehemannes gegen seine im Sinne des Blutschutzgesetzes »deutschblütige« Ehefrau auf Wiederherstellung der häuslichen Gemeinschaft stattgegeben. Das Berufungsgericht wurde geradezu zurechtgewiesen, weil es sich für die Beurteilung auf die natürlich nationalsozialistisch »geläuterte Auffassung des Volkes« berufen hatte, wonach sich derjenige arische Partner einer Mischehe, dem das Empfinden für sein rasseschänderisches Verhalten abgehe, außerhalb der Volksgemeinschaft stelle. Das Reichsgericht berief sich auf den Umkehrschluß zu § 2 Blutschutzgesetz, durch den formell nur der »außereheliche« Verkehr zwischen Juden und Deutschblütigen verboten worden war. Daraus könne man nur den Schluß ziehen, daß die Ehegatten auch einer Mischehe »wie alle Ehegatten überhaupt« einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet seien. Wörtlich heißt es: »Da die nationalsozialistische Weltanschauung im Blutschutzgesetz und der dazu ergangenen Ausführungsverordnung ihren vollständigen und abschließenden Ausdruck gefunden hat, ist für eine ausdehnende Auslegung dieser Vorschriften unter Berufung auf das Volksempfinden kein Raum vorhanden.« [FN 72] d) Ein nicht weniger interessantes ideologisches Geplänkel gab es in einer anderen Entscheidung des RG, in der es um die Versäumung der Ehelichkeitsanfechtungsfrist und die Beeinflussung der verschiedenen gesetzlichen Tatbestandsmerkmale durch verschiedene ideologische Gesichtspunkte ging. Der Kläger hatte, nachdem durch ein Blutgruppengutachten eindeutig festgestellt worden war, daß sein jüngster Sohn nicht von ihm stammte, Klage mit dem Ziel erhoben, dies gerichtlich festzustellen. Nach der normalen Berechnung war die Anfechtungsfnst verstrichen. Es ging also darum, ob man - aus im übrigen rein nationalsozialistisehen Erwägungen! - die verspätete Feststellung zulassen sollte. Das Reichsgericht hat dies abgelehnt [FN 73]. Das Berufungsgericht war davon ausgegangen, im nationalsozialistischen Staat sei die Feststellung der blutmäßigen Abstammung und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sippe von so weittragender Bedeutung, daß man die Vorschrift über die Anfechtungsfrist jedenfalls nicht eng auslegen dürfe und außerdem auch bei der Anfechtung arisch-jüdischer Mischehen die Anfechtungsfrist bis zum Durchbruch der nationalsozialistischen Bewegung als gehemmt behandelt würde. Demgegenüber hat das Reichsgericht kühl und kühn differenziert, und zwar sowohl im Rechtlichen wie im Tatsächlichen. Bei der Frage der blutsmäßigen Abstammung einerseits und der Frage der ehelichen oder unehelichen Abstammung eines Kindes andererseits handele es sich nämlich »um begrifflich und grundsätzlich verschiedene Fragen«. Unter Berufung auf zwei Beschlüsse der Oberlandesgerichte Hamburg und Naumburg [FN 74] führte der Senat aus, die blutsmäßige Abstammung betreffe die Feststellung eines biologischen Gemeinschaftsverhältnisses, an das die nationalsozialistische Gesetzgebung eine Reihe von öffentlichrechtlichen Wirkungen anknüpfe, während sich die Frage der ehelichen oder unehelichen Abstammung auf den Familienstand, d. h. auf die Zugehörigkeit zu einer durch die Rechtsordnung geschaffenen Gemeinschaft familienrechtlicher Art, beziehe. Die einheitliche Beantwortung beider sei zwar wünschenswert, aber die »nun einmal bestehenden« Vorschriften über die Ehelichkeitsanfechtung könnten nicht »als durch das nationalsozialistische Gedankengut ohne Gesetzesänderung außer Kraft gesetzt angesehen werden« [FN 75]. Anschließend macht sich das RG sogar ausdrücklich die mutige Prärogative zu eigen, die das OLG Hamburg gewagt hatte, indem es der Eigenständigkeit der Familie gerade vom nationalsozialistischen Rechtsdenken aus »nur (!) das Interesse an der Feststellung der wirklichen Sippenzugehörigkeit des Kindes« gegenüberstellte; hütete sich dagegen dann vorsichtigerweise, im Sinne einer Beschwichtigung aber auch wiederum leichtherzig, da es hier nicht darauf ankam, davor, der Familie auch dem Antisemitismus gegenüber den Vorrang einzuräumen: Die Frage, ob anders zu entscheiden wäre, wenn im vorliegenden Fall nicht nur die fehlende Sippenzugehörigkeit des Beklagten, sondern auch seine Rassenverschiedenheit in der auf Anfechtung der Ehelichkeit gerichteten Klage behauptet und unter Beweis gestellt worden wäre, kann unerörtert bleiben. [FN 76] Denn in dem zu entscheidenden Fall war der Erzeuger des Beklagten jedenfalls Arier. VI. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Eheaufhebung Die Eheschließung wird von der Rechtsordnung als ein familienrechtlicher Vertrag behandelt. Die Scheidung würde im Recht der Schuldverhältnisse der Kündigung des Dauerrechtsverhältnisses entsprechen. Entsprechend werden bei der Eheaufhebung die beim Vertragsschluß mitwirkenden Irrtümer berücksichtigt. Die Eheaufhebung entspricht der Irrtumsanfechtung des Allgemeinen Teils. Sie wird durch Eheaufhebungsklage durchgesetzt und war - und nur das interessiert in unserem Zusammenhang - nach § 37 EheG von 1938 nur möglich bei einem Irrtum über persönliche Umstände, die den Partner »bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe« von der Eheschließung abgehalten hätten. Die Aufhebung war ausgeschlossen, wenn das Aufhebungsbegehren »sittlich nicht gerechtfertigt« war. In der bis zum Jahre 1938 geltenden Fassung des § 1333 BGB entsprach die gesetzliche Fassung der Eheaufhebung, indem sie auf die Kenntnis der Sachlage und die verständige Würdigung des Wesens der Ehe abstellte, praktisch den Voraussetzungen der allgemeinen Irrtumsanfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB. In einem Kommentar zum BGB aus dem Jahr 1900 wird als zur Aufhebung berechtigende moralische persönliche Eigenschaft die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfession, als soziale Eigenschaft etwa der Geburtsstand (d. h. die Abstammung) genannt [FN 77]. i. Nach 1933 taucht als erstes die Frage auf, ob zu den Eheaufhebungsgründen auch der Irrtum über die Rassezugehörigkeit gehört. Das RG hat sie ohne Umschweife bejaht: Wegen der besonderen Eigentümlichkeiten der verschiedenen Rassen erscheint die Zugehörigkeit zu einer Rasse, insbesondere zur jüdischen Rasse, nach der natürlichen Lebensauffassung als wesentlicher Bestandteil der Persönlichkeit eines Menschen und damit als persönliche Eigenschaft im Sinne der angegebenen Gesetzesvorschrift. Unter Eheleuten erhält die Rassenverschiedenheit besondere Bedeutung dadurch, daß die Rasseeigentümlichkeiten sich auch auf die Nachkommen vererben können. Hat also ein arischer Ehegatte bei der Eheschließung nicht gewußt, daß der andere der jüdischen Rasse angehört, so hat er sich in einem Irrtum über eine persönliche Eigenschaft des anderen befunden, der ihn beim Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 1333 zur Anfechtung der Ehe berechtigt [FN 78]. In einem Lexikon werden Menschenrassen als geographisch lokalisierbare Formengruppe der Art homo sapiens definiert, die sich durch erbbedingte charakteristische Konstitutionsmerkmale mehr oder weniger deutlich voneinander unterscheiden lassen. Im »Brockhaus« wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die meisten Völker und Stämme Rassengemische darstellen. In dem vorzüglichen zweibändigen Werk von Alex Bein über »Die Judenfrage - Biographie eines Weltproblems« [FN 79] wird die »Herausbildung des jüdischen >Rassentypus<« durch die Absperrung des Judentums vom Zufluß ethnisch fremder Elemente dargestellt [FN 80], zugleich aber auch die Rassenmythologie des Nationalsozialismus mit ihrer »Dämonisierung des Judenbildes« zurückgewiesen [FN 81]. Was man unbedingt wissen sollte, ist, daß der aus dem Sanskrit stammende Begriff »Arier« ursprünglich nur die Zugehörigkeit zu einer bestimmten indogermanischen Sprachgruppe zum Ausdruck bringen sollte. Erst in der Rassentheorie des französischen Grafen Gobineau (1816-1882) wurde daraus eine völkische Natur- und Eliterasse, der (in der von ihm entwickelten Lehre von der Ungleichheit der Rassen) die Herrscherrolle zufiel, während die übrigen Rassen zum Dienen bestimmt waren [FN 82]. 2. In der zuletzt zitierten Entscheidung des RG kam es sodann nach der Frage, ob die Zugehörigkeit zum Judentum eine wesentliche Eigenschaft des Ehegatten war, auf die zweite hier relevante Frage an. Der auf Aufhebung der Ehe klagende Ehemann war früher evangelischer Pfarrer gewesen und von seiner ersten Frau, geschieden worden. Während seines Medizinstudiums in Wien lernte er seine spätere zweite Frau kennen, die Jüdin war und gegen die er nach 1933 Eheaufhebungsklage mit der Begründung erhob, ihm sei zwar bei der Eheschließung die Abstammung seiner Frau von jüdischen Eltern bekannt gewesen, er hätte sich aber über eine persönliche Eigenschaft der Beklagten insofern im Irrtum befunden, als er die Bedeutung der Rasseverschiedenheit nicht erkannt habe. Diese Erkenntnis sei ihm erst durch die nationalsozialistische Revolution gekommen, die den Unterschied zwischen der deutschen und der jüdischen Rasse erst zur allgemeinen Anerkennung gebracht habe. Das OLG hatte der Klage stattgegeben mit der Begründung, ein Fall von § 1333 BGB liege auch vor, wenn - wie hier - vom Kläger die Bedeutung der nichtarischen Abstammung des Ehepartners bei der Eheschließung nicht in ihrer vollen Tragweite erfaßt worden sei. Aus der Entscheidung des Reichsgerichts lassen sich die Entscheidungsgründe des OLG Karlsruhe rekonstruieren: Man habe erst neuerdings erkannt, daß die jüdische Rasse hinsichtlich des Blutes, des Charakters und der ganzen Lebensauffassung von der arischen Rasse völlig verschieden sei und daß deshalb eine Verbindung und Paarung eines Ariers mit einer Jüdin für jenen nicht nur nicht wünschenswert, sondern verderblich, ja widernatürlich sei. Sie bringe den arischen Teil als einzelne Persönlichkeit, namentlich aber in seiner Eigenschaft als Volksgenossen, in die Gefahr, seiner Rasse und seinem Volkstum fremd zu werden und artfremde Kinder zu erzeugen. Diese Erkenntnis habe sich erst durch die nationalsozialistische Revolution allgemein oder wenigstens bei den meisten deutschen Volksgenossen durchgesetzt. Deshalb bedeute die dem Kläger durch diese Revolution vermittelte Erkenntnis unter allen Umständen einen erheblichen Fortschritt seiner Kenntnis vom Rasseproblem, möge er sich auch vorher ... mehr als andere damit beschäftigt haben [FN 83]. Das RG hat diese Argumentation nicht gelten lassen und die Eheaufhebungsklage abgewiesen, weil der Kläger die inneren Voraussetzungen dafür nicht nachgewiesen hätte. Als »Pfarrer a.D. in reifen Jahren und Mediziner in höheren Semestern« müsse er den Rassenunterschied und auch die Grundbegriffe der Biologie gekannt haben. Auch daß der Kampf gegen die jüdische Rasse im Staat zum Programm der NSDAP gehörte, sei allgemein bekannt gewesen. Ich halte das Urteil für eines der wichtigsten zu unserem Thema überhaupt. Denn es zeigt, wie schwierig es für uns heute ist, die Frage zu entscheiden, in welchem Maße ein Urteil Ausfluß einer bestimmten ideologischen Grundhaltung ist. Die Entscheidung läßt sich nämlich trotz der Tatsache, daß das RG die Mischehe der Parteien im Ergebnis aufrechterhalten hat, als Triumph der Rassenideologie lesen. Das RG hebt unter Berufung auf Alfred Rosenberg ausdrücklich hervor, »daß das nationalsozialistische Programm die Verschiedenheit der deutschen und der jüdischen Rasse mit allem Nachdruck betont und daß es ein von Anfang an besonders hervorgetretener Wesenszug der nationalsozialistischen Bewegung gewesen sei, daß sie den Rassenbegriff und die Vorstellung von einem Gegensatz der Rassen ins Volk getragen habe« [FN 84]. Die Aufrechterhaltung der politisch unerwünschten Mischehe läßt sich von da aus sogar als besonderer Gehorsam gegenüber der NS-Ideologie verstehen, indem das RG die Abweisung der Eheaufhebungsklage damit begründete, die Gerichte seien »nicht befugt, den nationalsozialistischen Anschauungen über diejenigen Grenzen hinaus Geltung zu verschaffen, die die Gesetzgebung des nationalsozialistischen Staates sich selbst gezogen hat. In dieser Hinsicht ist«, so fährt das RG fort, »von entscheidender Bedeutung, daß die Gesetzgebung der nationalsozialistischen Regierung in der Rassenfrage bei weitem nicht alle Forderungen des nationalsozialistischen Programms verwirklicht hat«. Aus den verschiedenen gesetzlichen Maßnahmen, die allein gegen in Mischehe bereits verheiratete Beamte gerichtet seien, ergebe sich, daß sich der Gesetzgeber eines Eingriffs in den Bestand bereits vorhandener Mischehen »mit Vorbedacht enthalten« hätte. Mit einer Zulassung der Eheanfechtung in Fällen wie dem vorliegenden würde man also »über die Absichten des Gesetzgebers hinausgehen« [FN 85]. Das Urteil läßt sich aber auch genau umgekehrt interpretieren als ein gegen die NS-Ideologie gerichteter Akt der Rechtsprechung. Denn immerhin konnte aus der Sicht des Nationalsozialismus gar kein Zweifel daran bestehen, daß man auch die bestehenden Mischehen mißbilligte. Deutlich wurde dies nicht zuletzt am Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.4. 1933, wonach auch der in einer Mischehe verheiratete Bürger zur Rechtsanwaltschaft oder zur kassenärztlichen Praxis nicht zugelassen werden durfte. Der Hinweis auf Rosenberg und das in den Bevölkerungskreisen bekannt gewordene nationalsozialistische Parteiprogramm wäre unter diesem Vorzeichen ebenso Beschwichtigung wie Ironie - eine Interpretation, die noch eine besondere Note dadurch erhalten würde, daß das RG die Anwendbarkeit des § 1333 BGB für möglich erklärte in solchen Fällen, in denen »der arische Teil unter dem Einfluß kirchlicher Lehren vom Rassenunterschied überhaupt nichts wußte, sondern angenommen hat, der andere Teil gehöre letztlich einer anderen Religion an und der Unterschied werde durch einen Übertritt des anderen zum Christentum beseitigt« [FN 86]. Im Klartext hieß das nämlich: angesichts der Effektivität der NS-Aufklärung über die Rassenfrage käme für einen aufhebungsrelevanten Irrtum nur der überzeugte Kirchenchrist in Frage. Die zitierte Entscheidung des KG [FN 87] blieb für die weitere Rechtsentwicklung interessant - eben weil sie ideologisch ambivalent war; daß die nationalsozialistische Rassendoktrin schon in den zwanziger Jahren Allgemeingut der Bevölkerung gewesen sei, tat natürlich dem ohnehin problematischen Selbstwertgefühl der Nazis wohl; andererseits stand eine solche Beurteilung der an sich gewünschten Erleichterung bei der Eheaufhebung entgegen. Deshalb konstatierte das RG in einer späteren Entscheidung kurzerhand: »Dem Volk in seiner großen Masse war das Rassenproblem unbekannt«, um dann mit der den Nazis ebenfalls geläufigen Larmoyanz fortzufahren: »Der Leidensweg der vierzehn Kampfjahre mußte durchschritten werden, bis der Führer aus kleinsten Anfängen das Volk in seiner Gesamtheit hinter sich gebracht hatte« [FN 88]. Abgesehen davon, daß eine solche Weinerlichkeit und Rührseligkeit nicht in ein Gerichtsurteil hineingehört, ist sie reine Ideologie. Daß es in der Tat mit der Rezeption des nationalsozialistischen Rassebewußtseins nicht weit her war, zeigt eine andere Entscheidung des RG, in der es um die Bedeutung des Irrtums darüber ging, daß der andere Ehegatte nicht nur jüdischer Mischling, sondern Volljude war. Pikanterweise war der Kläger Nationalsozialist. Mag sein, daß sich das RG unter diesem Umstand nicht getraut hat, seine Eheanfechtungsklage abzuweisen. Wenn das Gericht ihr stattgab, dann doch mit einem Hieb wenn nicht gegen die Ideologie, so doch jedenfalls gegen deren Vertreter: »Es mag nicht gerade für ihn (den Kläger) sprechen, daß er als Nationalsozialist es überhaupt über sich gebracht hat, die Tochter eines Juden zu heiraten«; und es sei auffällig, »daß der Kläger sich weder damals noch später ... trotz des ... jüdischen Aussehens nicht bloß der Beklagten selbst, sondern auch ihrer Mutter jemals nach deren Rassezugehörigkeit und Bekenntnis erkundigt hat« [FN 89]. Freilich läßt sich bei genauerem Hinsehen auch dieses Urteil in der Abkanzelung des »armen« Klägers wiederum als potenziertes Pharisäertum des iv. Senats interpretieren: »Seht her, wir als verantwortungsvolle Nationalsozialisten hätten uns selbstverständlich auch unsere Schwiegermutter besser angesehen als dieser Kläger!« [FN 90]


VII. Schlußbemerkung

Die Beispiele machen hinreichend deutlich, daß Konformismus und Widerstand gegen die herrsch

[editiert: 30.05.07, 21:00 von Admin]

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