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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden

"Spurensuche nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung
"Systemkritik: Deutsche Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/

 
faschistische Vorschulerziehung und Kindergärten

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Gast
New PostErstellt: 08.03.08, 23:11  Betreff: faschistische Vorschulerziehung und Kindergärten  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE DER VORSCHULERZIEHUNG.
7. bearb. Aufl. Hrsg. v. E. Barow-Bernstorff, K.-H. Günther u.a. Berlin/DDR, Volk u. Wissen, 1986.

Vorschulerziehung und Kindergärten in den Jahren der faschistischen Herrschaft, S. 357 - 376


Vorschulerziehung und Kindergärten in den Jahren der faschistischen Herrschaft

Die Weltwirtschaftskrise 1929/32 hatte die Positionen des deutschen Imperialismus geschwächt und zu einem starken revolutionären Aufschwung in der Arbeiterklasse geführt. Unter den Massen wuchs das Ansehen der KPD. In dieser Situation griff die Großbourgeoisie zur faschistischen Diktatur, um die revolutionäre Bewegung mit brutaler Gewalt zu unterdrücken. Dem deutschen Imperialismus war es bis zum Ende der zwanziger Jahre gelungen, mit Hilfe amerikanischer Kredite seine ökonomische Macht in vollem Umfang wieder herzustellen. Er wollte nunmehr den Kampf um die Neuaufteilung der Welt noch einmal führen und das Ergebnis des ersten Weltkrieges durch einen neuen Raubkrieg korrigieren. Auch hierzu bot sich die faschistische Partei Hitlers mit ihrem Revanchegeschrei, ihrer antikommunistischen Hetze, ihren maßlosen Eroberungsplänen und ihren Lügen von der deutschen "Herrenrasse" als geeignetes Werkzeug an.
"Mit der Berufung der Hitlerregierung, die aus Führern der Nazipartei und anderen extrem reaktionären Sachwaltern des Monopolkapitals bestand, wurde die offene, terroristische Gewaltherrschaft der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, aggressivsten Kräfte des deutschen Finanzkapitals aufgerichtet. Nach Schaffung des faschistischen Regimes leitete der deutsche Imperialismus Maßnahmen ein, um seine Streitkräfte rasch zu vergrößern und mit modernen Waffen auszurüsten. Er nahm Kurs auf einen Aggressionskrieg, um

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"eine Vorherrschaft in Europa und der Welt zu errichten, vor allem aber die sozialistische Sowjetunion zu vernichten."1
Zu dieser Krieg s Vorbereitung gehörte auch die ideologische Aufrüstung. Mit ihrer Hilfe sollten möglichst große Teile des deutschen Volkes dazu gebracht werden, sich mit den Kriegszielen des faschistischen Monopolkapitals zu identifizieren, die Kriegspolitik der Faschisten willig zu unterstützen, die verbrecherischen Überfalle auf andere Völker auszuführen oder widerstandslos zu dulden und furchtbare, sinnlose Opfer auf "ich zu nehmen. Neben allen anderen meinungsbildenden Einrichtungen stellten die faschistischen Machthaber auch das gesamte Bildungswesen vom Kindergarten bis zur Hochschule in den Dienst der Verbreitung ihrer Ideologie. Weil Kinder und Jugendliche der politischen, weltanschaulichen und moralischen Verführung durch den Faschismus leichter erlagen und in der Regel nicht genügend Wissen und Lebenserfahrung besaßen, um der ideologischen Beeinflussung ernsthaften Widerstand entgegenzusetzen, erfaßte die faschistische Erziehung den heranwachsenden Menschen möglichst früh und möglichst total. Auf die Frage, ab wann sich die Hitlerpartei für das deutsche Kind interessiere, antwortete ein Mitarbeiter der "Reichsjugendführung": "Bevor es empfangen ist."2
Die damit angedeutete faschistische Beeinflussung der Eltern - besonders der Mütter - vor und nach der Geburt des Kindes ließ sich allerdings in vielen Familien, die dem Faschismus gleichgültig oder gar ablehnend gegenüberstanden, nur schwer verwirklichen.3 Deshalb waren die Faschisten bestrebt, über den Kindergarten ihren Einfluß auf die Kleinkinder auszudehnen. Faschistische Vorschulpädagogen proklamierten ganz offen:
"Wie die Erziehung im nationalsozialistischen Deutschland selbst, so ist auch der Kindergarten ein wesentlich politisches Erziehungsmittel, in dem alle Grundsätze nationalsozialistischer Menschenführung ihre Verwirklichung finden."4
Richard Benzing, einer der nazistischen "Fachleute" für Fragen der Vorschulerziehung, forderte die stärkere Entwicklung aktiver Tugenden, um die Kleinkinder zu befähigen, dereinst "das Erbe Adolf Hitlers" anzutreten. Er umschrieb auch, welche Art von "Tugenden" das Ziel der Vorschulerziehung ausmachen sollten:
.Der kleine Junge wird ja einmal ein deutscher Soldat werden, das kleine Mädchen eine deutsche Mutter ... Wie liebevoll sorgt das kleine Gretchen für ihre Puppenkinder daheim, Das kleine Hanschen schleicht sich indessen mit einem Stein an den Spatz heran, der vor

1 Geschichte der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Abriß. Dietz Verlag, Berlin 1978, S. 56.
2 H. Mausbach/B. Mausbach-Bromberge r: Feinde des Lebens. - NS-Verbrechen an Kindern. Räderberg-Verlag, Frankfurt am Main 1979, S. 12.
3 Vgl. ebenda, S. 15.
4 Festschrift zur Hundertjahrfeier des deutschen Kindergartens. München (1940). S, 3

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der Haustür sitzt, um ihn zu toten. Hier der zukünftige Vaterlandsverteidiger, dort die liebevolle zukünftige Hausfrau."5
Das Erziehungsziel, das mit diesen gewollt naiven Worten angedeutet wird, verkündet Hitler mit brutaler Offenheit:
"Der völkische Staat muß dabei von der Voraussetzung ausgehen, daß ein zwar wissenschaftlich wenig gebildeter, aber körperlich gesunder Mensch mit gutem, festem Charakter, erfüllt von Entschlußfreudigkeit und Willenskraft, für die Volksgemeinschaft wertvoller ist als ein geistreicher Schwächling ... Vor allem aber, der junge, gesunde Knabe soll auch Schläge ertragen lernen. Das mag in den Augen unserer heutigen Geisteskämpfer natürlich als wild erscheinen. Doch hat der völkische Staat eben nicht die Aufgabe, eine Kolonie friedsamer Ästheten und körperlicher Degeneraten aufzuzüchten. Nicht im ehrbaren Spießbürger oder der tugendsamen allen Jungfer sieht er sein Menschheitsideal, sondern in der trotzigen Verkörperung männlicher Kraft und in Weibern, die wieder Männer zur Weh zu bringen vermöge n. "^
Körperliche Gewandheit und Zähigkeit, rücksichtsloses Draufgängertum gepaart mit Überheblichkeit, bedingungslosem Glauben an die Unfehlbarkeit des "Führers", Begeisterung für alle An Raufereien und selbst fürs Töten, das etwa war das Erziehungsziel, zu dem die Kindergärten den Grund legen sollten. Um dieses Ziel möglichst vollkommen zu verwirklichen, trachteten die Faschisten nicht nur danach, einen recht großen Teil der Kleinkinder in Einrichtungen der Vorschulerziehung zu erfassen. Sie waren gleichzeitig bestrebt, immer mehr Kindergärten ihrer direkten Kontrolle zu unterstellen.
Ausdruck dieser Bemühungen des Faschismus, möglichst viele Kindergärten mit seinen erzieherischen Absichten "gleichzuschalten", war der wachsende Einfluß der NSV7 auf die Vorschulerziehung. Im Jahre 1935 befanden sich noch 83,8 % aller Kindergärten von 201 deutschen Städten mit mehr als 20 000 Einwohnern in den Händen von Privatleuten, konfessionellen Verbänden und ähnlichen Trägern, 12,3 % wurden von den Städten und nur 3,9 % von der NSV unterhalten.8 In der Folgezeit änderte sich dieses Bild rasch. Die NSV übernahm sämtliche Vorschuleinrichtungen des Deutschen Roten Kreuzes und anderer Organisationen sowie zahlreiche städtische, konfessionelle und private Kindergärten. Die Neugründungen, insbesondere die Erntekindergarten, wurden ausschließlich von der NSV getragen. Schon 1938 lagen zum Beispiel 55,4 % aller Dauerkindergärten und 94,9 % aller Erntekindergärten Thüringens in den

5 R. Benzing: Grundlagen der körperlichen und geistigen Erziehung des Kleinkindes im nationalsozialistischen Kindergarten. Berlin 1941, S. 40 und 104.
6 Zitiert nach H.-J. Gamm: Führung und Verführung. Pädagogik des Nationalsozialismus. Liszt-Verlag, München 1964, S. 48 ff.
7 NSV (Nationalsozialistische Volks wohl fahrt): faschistische Organisation, die vorgab, der sozialen Fürsorge zu dienen. Sie nährte die Illusion der "Volksgemeinschaft", half durch Geldsammlungen, den verbrecherischen Krieg zu finanzieren, und übernahm als Hilfsorgan des faschistischen Siaates verschiedene Verwaltungsfunktionen.
8 F. Rösch: Untersuchungen zur Frage der Kindertagesstätten. Mainz 1938, S. 7.

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Händen der NSV. Das Vordringen der NSV im Bereich der Vorschulerziehung fand seinen Höhepunkt mit einem Runderlaß vom Jahre 1941, in dem es hieß:
"Die Betreuung der Kinder in den Kindertagesstätten9 liegt der NSV im Rahmen der allgemeinen Menschenführungsaufgabe der Partei ob. Sie schafft in engster Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Landkreisen (Jugendämtern) die hierfür notwendigen Voraussctzungen.""10

Dieser Erlaß unterstellte der NSV grundsätzlich alle vorschulischen Einrichtungen, auch wenn sie von den Gemeinden oder anderen Trägern unterhalten wurden. In den verschiedenen Teilen Deutschlands wurde der Führungsanspruch der NSV unterschiedlich rasch und rigoros durchgesetzt. Mit Rücksicht auf die Stimmung der Bevölkerung im "Entscheidungskampf des deutschen Volkes" wurde die Übernahme von konfessionellen, auch städtischen und privaten Kindergärten vor allem nach den ersten Niederlagen der Faschisten in der Sowjetunion abgebremst. Es kam zu Kompromißlösungen, ohne daß die NSV ihr Ziel aufgab, alle Kindergärten in die Hand zu bekommen.11
Die Auslieferung der Kindergärten an die NSV, also an ein Organ der faschistischen Partei, zeigt bereits, daß die Vorschulerziehung in Hitlerdeutschland trotz ihres scheinbaren Aufschwungs voll in den Dienst der aggressiven Kriegspolitik des Großkapitals gestellt wurde. Die verhängnisvolle Rolle der damaligen Vorschulerziehung wird jedoch erst in voller Deutlichkeit erkennbar, wenn man den Inhalt und die Methoden der pädagogischen Arbeit im "nationalsozialistischen" Kindergarten näher betrachtet.

Inhalt und Methoden der vorschulischen Erziehung in der Zeit des Faschismus

Ein hervorstechendes Charakteristikum der faschistischen Erziehung war die Oberbetonung der körperlichen und die Mißachtung der geistigen Erziehung. Das kommt deutlich in folgendem, von Hitler proklamiertem Erziehungsprogramm zum Ausdruck:
"Der völkische Staat hat ... seine gesamte Erziehungsarbeit in erster Linie nicht auf dal Einpumpen bloßen Wissens einzustellen, sondern auf das Heranzüchten kerngesunder Körper. Erst in zweiter Linie kommt dann die Ausbildung geistiger Fähigkeiten. Hier aber wieder an der Spitze die Ausbildung des Charakters, besonders die Förderung der Willens- und

9 Kindenagesstätten faßten Kindergarten, Hort und mitunter auch Kinderkrippe in einer Einrichtung zusammen.
10 Handbuch der Jugendhilfe. Heft 4. Berlin 1942, S. 30.
11 Vgl. M. Heinemann: Evangelische Kindergärten im Nationalsozialismus. In: Erziehung und Schulung im Dritten Reich. Teil 1. Klett-Cotta, Stuttgart 1980, S. 66 ff.

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Entschlußkraft, verbunden mit der Erziehung zur Verantwortungsfreudigkeit, und erst als letztes die wissenschaftliche Schulung."12
Auch in der Vorschulerziehung genossen das "Heranzüchten kerngesunder Körper" und die "Förderung der Willens- und Entschlußkraft" absoluten Vorrang.
Die starke Betonung der körperlichen Erziehung entsprang dabei nicht der humanistischen Absicht, dem eigentlichen Zweck der körperlichen Erziehung zu dienen, nämlich die Kinder gesund zu erhalten, sie zu kräftigen, ihre Lebensfreude und Lebenstüchtigkeit zu entwickeln. Ihr wurde vielmehr deshalb so großer Wert beigemessen, um im Interesse der faschistischen Kriegspolitik bereits bei den Kleinkindern die Ausbildung sogenannter "soldatischer Tugenden" anzubahnen. Selbst die Vorschulerziehung wurde ganz und gar in den Dienst des Militarismus gestellt. "Alle Kindererziehung" müsse "im Endziel den Wehrgedanken, die Wehrbereitschaft zum Schütze der NS-Volksgemeinschaft" haben.13
Das Anliegen der körperlichen Ertüchtigung war letztlich die Ausbildung solcher Charaktereigenschaften der Menschen, wie sie der Nationalsozialismus zur Durchsetzung seiner verbrecherischen Ziele benötigte: Härte, Rücksichtslosigkeit, Brutalität.
Nach Ansicht der faschistischen Ideologen der Vorschulerziehung war "die Charakterbildung" vor 1933 "einige Härtegrade zu niedrig".14 Und eben in der wesentlichen Intensivierung und Überbetonung der körperlichen Erziehung sahen sie das Mittel, den nötigen "Härtegrad" in der Charakterbildung zu erreichen. "Der Körper ist ein besonders naheliegendes Erfolgsorgan, an dem die zu schulende Willenskraft sich bemessen und fördern läßt."15
So wird zum Beispiel in einem der Standardwerke der faschistischen Vorschulerziehung gefordert, eine "Stufenfolge von Mutproben" zu entwickeln, die das Kleinkind Gefahren aussetzt, um es zu zwingen, die Angst zu überwinden.16
Charakterliche Härte sollte vor allem auch durch Kampfspiele und Raufereien herausgebildet werden, in denen die Kinder ihre Kräfte erprobten und danach trachteten, anderen überlegen zu sein. Dabei sollten es die kleinen "Führernaturen" lernen, sich als rücksichtslose Draufgänger hervorzutun. Auf den ersten Blick könnten die Willensschulung, die mit Hilfe der körperlichen Erziehung angestrebt wurde, und die "Hinwendung von den passiven Tugenden zu den aktiven Tugenden"17 als Wider-

12 Zitiert nach H.-J. Gamm: A.a.O., S. 43.
13 Vgl. "Der Kindergarten", Jg. 1938, S, 200 f.
14 R. Benzing: A.a.O., S. 39.
15 Ebenda, S. 15.
16 Ebenda, S. 17.
17 Ebenda, S. 49.
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18 Ebenda, S. 15.
19 Ebenda, S. 19.


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spruch zu dem Kadavergehorsam des Faschismus und seiner Forderung nach bedingungsloser Anerkennung der großen und kleinen "Führer" verstanden werden. Aber es ging bei dieser Erziehung nicht um die schöpferische Selbständigkeit denkender Persönlichkeiten, sondern um eine Aktivität, die sich in der schnellen und genauen Ausführung von Befehlen erschöpfte und dabei möglichst jedes Hindernis überwand. Deshalb mußte die gewünschte Aktivität mit einem möglichst primitiven Wissen und einem Minimum an Denkfähigkeit verknüpft werden. Bereits in der Vorschulerziehung wurde dem Rechnung getragen:
"Der bisherige Erzieher muß sich ... einen Einbruch in das streng umhegte System seiner Maßnahmen gefallen lassen, da uns weder Stäbchen- und Legespiele, noch die methodisch geleitete Beschäftigung mit Würfeln, Prismen und Hohlzylindern eine genügende Gewähr bieten, daß die erreichte Stufe der Körperertüchtigung nunmehr erhalten bleibt."18
"Wir sind ebenso überzeugt, daß in der geistigen Entwicklung des Kleinkindes auf die Ausbildung besonderer geistiger Fähigkeiten, soweit sie nicht unmittelbar als Erlebnisquell aus der Anschauung stammen, viel stärker als bisher verzichtet werden soll."19
Diese Mißachtung der geistigen Erziehung entsprang nicht einfach einer primitiven oder perversen pädagogischen Konzeption. Sie hatte tiefe gesellschaftliche Wurzeln. Die verschärfte Diktatur des Monopolkapitals konnte ein denkendes deutsches Volk nicht gebrauchen. Zur Durchsetzung ihrer Politik bediente sich die Großbourgeoisie der faschistischen Ideologie, die weder den objektiven natürlichen und gesellschaftlichen Gesetzen entsprach noch in der Lage war, diese Gesetze wissenschaftlich zu interpretieren. Sie stellte vielmehr eine Art menschenfeindlicher Glaubenslehre dar, deren Dogmen in die heranwachsende Generation mit Hilfe der Erziehung hineingepflanzt werden sollten. An die Stelle wissenschaftlicher Erkenntnis setzte die faschistische Erziehung den bedingungslosen Glauben. Mit dieser Gläubigkeit gelang es, die überwiegende Mehrheit der Jugend irrezuführen.
Demzufolge richtete sich auch der Inhalt der faschistischen Vorschulerziehung neben der körperlichen und charakterlichen Ausrichtung auf den Militarismus vor allem darauf, die Kinder gefühlsmäßig an den Faschismus und seine verbrecherischen Ziele zu binden.
Besonderes Gewicht hatte der Kindergarten in dieser Hinsicht auf die "Vergötterung" der Person Hitlers zu legen. In keinem Kindergarten durfte das "Führerbild" fehlen. Die Kindergärtnerin mußte am Morgen zunächst die "Herzen der Kleinen" auf den "Führer" ausrichten, um "Liebe, Ehrfurcht und Treue in der Kinderseele " wachsen zu lassen. Gleich einem Gebet sprach sie dabei zum Beispiel die Worte:

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„Unseren Führer lieben wir, unseren Führer ehren wir, unserem Führer folgen wir, bis wir Männer werden. An unseren Führer glauben wir, für unseren Führer leben wir, für unseren Führer sterben wir, bis wir Helden werden."20

Der Führerkult wurde auch genutzt, um den Vorschulkindern Verhaltensnormen einzuprägen, die von der faschistischen Erziehung als vorbildlich angesehen wurden:

"Wer nicht weint, wenn es schmerzt,
erfreut den Führet.
Wer mutig ist und beherzt,
den liebt der Führer.
Wer andere angibt und Schlechtes sagt,
betrübt den Führer.
Wer gute Kameradschaft hall,
den liebt der Führer."21

Die scheinbar harmlosen Aufforderungen, kameradschaftlich zu handeln und andere nicht zu verpetzen, stellten nur erste Schritte zur Herausbildung einer Gesinnung dar, die jede inhumane und verbrecherische Tat zu decken bereit war, wenn sie nur von "Kameraden" begangen wurde.
Willkommene Gelegenheiten, die Gefühle der Kinder zu mißbrauchen, waren die nazistischen Fest- und Feiertage. So wurde beispielsweise mit Genugtuung festgestellt, daß die "Bemühung um die Erziehung des deutschen Menschen" bereits zu "keimhaftem Verständnis" geführt habe, da die Kinder nach dem 9. November22 "in selbstgeordnetem Aufmarsch ... feierlich grüßend und singend mit Fahne und Trommelschlag" an einer "Feldherrnhalle" - aus großen Klötzen gebaut - vorbeizogen oder an Hitlers Geburtstag "sich zwei Buben mit Begeisterung und Wichtigkeit vor seinem Bild als Ehrenposten" aufstellten.23 In ähnlicher Weise wurde das Hissen und Einziehen der Hakenkreuzfahne vor dem Kindergarten benutzt, schon die Kleinkinder gefühlsmäßig an das faschistische Regime zu binden.
Zu den ideologischen Grundpfeilern der faschistischen Kriegspolitik gehörte der Chauvinismus. Auf raffinierte Weise wurden die Gefühle der Menschen gegen andere Völker aufgeputscht und in den Dienst der Kriegshysterie gestellt.

20 Zitiert nach H. Mausbach, B. Mausbach-Bromberger: Feinde des Lebens. A. a. O., S. 23.
21 R. Benzingi A.a.O., S. 43.
22 Dieser Feiertag galt dem faschistischen Putschversuch am 9. November 1923 in München.
23 R. Schneider: Aus einem deutschen Kindergarten. Berlin 1941, S. 50 f.

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Schon den Kleinen im Kindergarten wurde systematisch eingebleut. daß alles Deutsche Jeglichem auf der Welt überlegen sei. Selbst das Spiel mit den Kasperpuppen wurde dazu ausgenutzt. Der Kasper wurde zum "deutschen Helden" erkoren. Da er, mit überdimensionalen Schlagwerkzeugen ausgerüstet, gegen Tod und Teufel kämpfte und dabei stets siegreich bleibe, "so empfinden wir auch den Kasper schlechthin als Verkörperung deutschen Wesens."24
Mit der gleichen Zielstellung wurden den Kindern Märchen erzählt. Auch das Märchen, das als "gute derbe deutsche Kost" bezeichnet wurde, sollte die Kinder für den Kampf gegen andere Völker begeistern. "Der kleine Märchenkenner ist durch ein Geschehnis, auch das Bild des Todes, nicht so leicht umzuwerfen." Und da es im Leben des Kindes einmal "dick kommen" werde und Leben Kampf bleibe, deshalb passe "das Märchen ... in die deutsche (sprich faschistische) Erziehung.""
Man ging noch weiter und gab dem Märchen eine wichtige Funktion bei der Erziehung im Sinne der faschistischen "Rassenideologie". Ein Experte der "rassenpolitischen Erziehung", Alfred Eydt, behauptete, im deutschen Märchen spiegele sich im Gegensatz zu den orientalischen Märchen, deren handelnde Personen sämtlich Menschen mit minderwertigen sittlichen Eigenschaften seien, "die Gesamthaltung der nordischen Rasse" wider. Das Kind könne, da es "instinktiv die Gesetze der Rasse aus dem Märchen heraushorche", mit Hilfe eben der Märchen "gefühlsmäßig an die rassische Erziehung herangeführt werden".26
Die faschistischen Machthaber verstanden es, eine mystisch verbrämte Heimatliebe zu züchten, die sie geschickt für ihre psychologische Kriegsvorbereitung ausnützten.
Dem Kindergarten war die Aufgabe gestellt, das sogenannte "alte Brauchtum" in übersteigertem Maße zu pflegen. Alter Zauber, Aberglaube, die Mythologie der Germanen, als deren direkte Nachkommen die "Nationalsozialisten" sich bezeichneten, trieben auch im faschistischen Kindergarten neue Blüten. Die Welt des "germanischen Wehrbauern" war Leitbild der nazistischen Erziehung27 und wurde der kindlichen Phantasie als erstrebenswertes Ideal vorgestellt.
So wurde der 1. Mai von den Faschisten nicht nur in einen "uralten Volksfeiertag" umgefälscht, an dem die Kinder den "Pfingstritt" in die Fluren, wie es "die Ahnen taten", symbolisch nachahmen sowie "Maien einholen" sollten28, sondern sie proklamierten gleichzeitig diesen internationalen Kampftag der Arbeiterklasse als "Tag der deutschen Arbeit" und

24 R. Benzing: A.a.O., S. 37.
25 Ebenda, S. 36.
26 Vgl. "Der Kindergarten", Jg. 1938, S. 93 ff.
27 Vgl. "Der Kindergarten", Jg. 1939, S. 17 ff., 42 ff., 65 ff.
28 Vgl. "Der Kindergarten", Jg. 1933, S. 149 ff.

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benutzten ihn dazu, die Klassengegensätze zu vertuschen und die Illusion von der "Großen Volksgemeinschaft" zu wecken.
Auch die kirchlichen Feste wurden auf neue Art "germanisiert", indem man beispielsweise für das Weihnachtsfest religiösen Stoff und altes Brauchtum zu "neuen Idealen" vermischte. Maria wurde nun den Kindern als "gute, treusorgende deutsche Hausfrau und Mutter" dargestellt, Maria, Josef und das Kind verkörperten "die Harmonie der deutschen Familie". Auf diese Weise mußte den Kindern die Weihnachtsgeschichte "als das große Wunder im deutschen Volk ... lebendig gemacht" werden.29
Besonders der Dorfkindergarten wurde verpflichtet, das alte Brauchtum neu zu beleben und neues "dörfliches Brauchtum" zu schaffen. Das Idealbild war die romantische Vorstellung von der ländlichen Dorfidylle, vom dörflichen Feierabend, an dem beim Surren des Spinnrades Märchen erzählt, alte Weisheiten verbreitet, Volkstänze getanzt und Volkslieder gesungen werden sollten. Mit alledem wollte man die Kinder zur "Landtreue" erziehen und sie vor dem "Entbauern" bewahren.30 Darunter war der Versuch zu verstehen, an halbfeudalen Zuständen und Denkweisen auf dem Lande festzuhalten und die Landjugend gegen die Ideologie und Lebensweise der Arbeiterklasse abzuschirmen.
Alle romantische Gefühlspflege durfte jedoch - das wurde den Kindergärtnerinnen eingeschärft - die Erziehung zur Härte nicht beeinträchtigen. "Damit ist die Grenze unseres erlaubten Träumens und unserer musischen Entspannung aufgezeigt."31
So wurde der Inhalt der faschistischen Vorschulerziehung sorgfältig gegen alle humanistische Bildung und Erziehung abgegrenzt.
Zur äußeren Entwicklung der Kindergärten
Die faschistischen Machthaber nahmen gern für sich in Anspruch, die Kindergärten besonders gefördert und entwickelt zu haben. Der "Gauleiter" und Führer des NS-Lehrerbundes Fritz Wächtler behauptete beispielsweise, dem deutschen Kindergarten sei es vergönnt gewesen, "im Deutschland Adolf Hitlers unter der Führung der NS-Volkswohlfahrt einen Aufschwung zu erleben, der einzig in der Welt dasteht".32
Das zahlenmäßige Wachstum der Kindergärten in der Zeit des Faschismus verlieh derartigen Behauptungen eine gewisse Glaubwürdigkeit. Die

29 Vgl. "Der Kindergarten". Jg. 1935. S. 266 ff.
30 Vgl. "Der Kindergarten-, Jg. 1942. S. 94 ff.
31 R. Benzing; A.a.O.. S. 39.
32 Festschrift zur Hunden Jahrfeier des deutschen Kindergartens, S. 3. Vgl. auch K. Heinze: Wir wachsen ins Volk! Bilder aus einem deutschen Kindergarten, Berlin 1939, S. 5.

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Anzahl der Kindertagesstätten in Deutschland stieg von 1928 bis 1939 auf
das Doppelte. 1941 erfaßten in Deutschland allein die Dauereinrichtungen 18 bis 20 Prozent aller Kinder im Kindergartenalter. In einzelnen Landesteilen ging etwa die Hälfte der Kinder des entsprechenden Alters in den Kindergarten. Berücksichtigte man auch die Erntekindergärten, so lag die Erfassungsquote in den Anfangsjahren des zweiten Weltkrieges bei 33 Prozent.33
Untersucht man jedoch die Ursachen dieses scheinbaren Aufschwungs, so erkennt man, daß sich die Entwicklung der Vorschulerziehung im faschistischen Deutschland voll in die totale Mobilisierung des deutschen Volkes für die Kriegsvorbereitung und Kriegsführung einordnete.
Erstens ging es den Faschisten darum, die Familienerziehung des Kleinkindes in möglichst vielen Fällen durch eine direkte ideologische Einflußnahme zu ergänzen. Darauf wurde bereits hingewiesen.
Zweitem bestand ein enger Zusammenhang zwischen der sprunghaften Entwicklung der Kindergärten und der immer offener zutage tretenden Aggressionspolitik der Faschisten. Die fieberhaften Kriegsvorbereitungen erforderten den raschen Auf- und Ausbau einer gewaltigen Rüstungsindustrie. Gleichzeitig aber mußten die faschistischen Machthaber darauf bedacht sein, sich eine zahlenmäßig starke, schlagkräftige Armee für ihre Eroberung s plane zu schaffen. Sie gingen deshalb dazu über, mehr und mehr Männer für den Heeresdienst aus den Rüstungsfabriken abzuziehen und die dadurch frei werdenden Arbeitsplätze mit weiblichen Arbeitskräften zu besetzen. Die Frauen wurden zur Arbeit in den Rüstungsbetrieben verpflichtet und zu Leistungen gezwungen, die nicht selten ihre Kräfte weit überstiegen. Die Sorgen der Mütter um ihre nicht beaufsichtigten Kinder waren den Faschisten bei der skrupellosen Ausbeutung der Frauen ein ernstes Hindernis. Aus diesem Grunde errichteten sie neue Kindertagesstätten und erweiterten die Kapazität der bereits bestehenden. Sie taten das besonders nach Ausbruch des Krieges, als die Zahl der männlichen Arbeitskräfte zusehends geringer wurde.
Drittens ist zu beachten, daß die quantitative Erweiterung des Kindergartennetzes auf Kosten der Qualität in der Betreuung der Kinder erfolgte. Es fehlten sowohl die entsprechende Anzahl ausgebildeter Kindergärtnerinnen als auch die notwendigen materiellen Mittel für Einrichtungsgegenstände, Spielsachen usw. Die Faschisten ignorierten diese Mängel, da ja auch unter diesen denkbar ungünstigen Voraussetzungen die Kindergärten den ihnen zugedachten Zweck weitgehend erfüllten.
Eine gewisse Erweiterung der Kindergartenerziehung ergab sich noch aus einem vierten Grund.
Als die ideologische Front der Nazis durch den Ausbruch des Krieges und die zunehmende illegale antifaschistische Bewegung zu bröckeln be-

33 Vgl. .Der Kindergarten", Jg. 1939. S. 180 f. - R. Benzing A.a.O.. S. 5.

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gann, wurde der Kreis der aufzunehmenden Kinder noch erweiten. Die Jugendhilfe sorgte dafür, daß jetzt auch Kleinkinder an der öffentlichen Vorschulerziehung teilnahmen, die als "rassisch minderwertig", "erbminderwertig" und "asozial" bezeichnet wurden. Als "asozial" galten die Kinder von Antifaschisten, die eine für die Begriffe der Nazis mangelhafte politische Einstellung besaßen34 und deshalb für eine Erziehung im Sinne des "Nationalsozialismus" keine Gewähr boten.
War den Kindergärten einerseits die Aufgabe zugedacht, die Erziehung durch die Eltern zu durchkreuzen, zu korrigieren oder wenigstens zu ergänzen, so sollten sie andererseits auch auf die Eltern einwirken und ihre Erziehung mit der offiziellen Vorschulerziehung gleichschalten. Kein Mittel blieb unversucht, die Eltern auf die machtpolitischen Bestrebungen der deutschen Großbourgeoisie zu orientieren, sie für diese Pläne zu aktivieren und sie dahin zu bringen, ihre Kinder in diesem Geiste zu beeinflussen. Die Kindergärtnerinnen wandten sich besonders an die Mütter. In den von ihnen veranstalteten Mütterabenden standen neben Themen zur Kinderpflege, zur Zubereitung von Kinderkost und zum Basteln von Spielzeug auch weltanschauliche Probleme auf der Tagesordnung. Unter harmlosen Überschriften, zum Beispiel "Deutsche Sitte und deutsches Brauchtum", wurde die Naziideologie den Zuhörerinnen unauffällig, aber oft sehr nachhaltig beigebracht.35
Wenn die Faschisten den Ausbau der Kindergärten als bedeutsame soziale Maßnahme priesen, nutzten sie auch die Tatsache, daß die Eltern für die Betreuung ihrer Kinder relativ niedrige wöchentliche Beiträge entrichten mußten. Sie lagen im Durchschnitt bei 2 bis 3 Mark. Aber auch hier trog der Schein. Das Geld preßte man auf andere Weise aus den Eltern heraus. Wie die gesamte Tätigkeit des NSV wurden auch die Kindergärten aus Quellen finanziert, die als "Spenden" und "Opfer" umschrieben wurden. Monatlich suchten die "Blockwarte" der NSV36 alle Familien mit Spendenlisten auf. Darüber hinaus wurden zahllose Straßensammlungen veranstaltet und immer neue Abzeichen verkauft, ohne die man sich in der Öffentlichkeit kaum sehen lassen konnte. Diese und viele andere Maßnahmen waren kaum verhüllte Steuererhebungen und beschnitten den Lohn der Werktätigen. Der faschistische Staat brüstete sich freilich mit diesem Raub. Raffinierte Propaganda legte es darauf an, die hohen Sammelergebnisse der großen Beliebtheit der nationalsozialistischen Idee zuzuschreiben. Es wurde aber tunlichst verschwiegen, daß nur ein kleiner Teil dieser Opfergaben für soziale Zwecke Verwendung fand. Der Hauptanteil der aus der Bevölkerung herausgeholten Mittel wurde für Rüstung

34 Handbuch der Jugendhilfe. A.a.O., Heft 4, S. 49.
35 Ebenda. S. 24.
36 Blockwart: Unterster Funktionär der NSV, der einen Häuserblock zu "beireuen" halte, um aus ihm Mittel für seine Organisation einzutreiben.

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und Krieg verwendet. Selbst die Faschisten mußten immer wieder Fälle zugeben, in denen kleine und größere Bonzen ihres Regimes einen Teil der "Spenden" in die eigene Tasche gewirtschaftet hatten. Nur ein kleiner Teil der Gelder wurde für Zwecke verwendet, die offizielles Anliegen der Sammlungen waren.
Das, was dabei für den Unterhalt von Kindergärten übrig blieb, war gering. Demgemäß erwies sich in vielen Kindergärten die Innenausstattung als ärmlich und primitiv, obgleich die Eltern unausgesetzt für die NSV "opferten".
Die angebliche Leistung von Weltbedeutung, die das faschistische Regime mit dem Ausbau der Kindergärten zu vollbringen behauptete, hält also einer näheren Betrachtung nicht stand. Die ganze Unmenschlichkeit des Faschismus wird jedoch erst deutlich, wenn man untersucht, was er den Vorschulkindern wirklich antat.

Vernichtung von Kleinkindern und Kindergärten

Der faschistische Terror traf zuerst die Kinder von aktiven Antifaschisten und von rassisch verfolgten Menschen. Ihre Eltern wurden eingekerkert oder umgebracht; die Kinder wurden in vielen Fällen faschistischen Heimen oder Familien von Nazis zur "Umerziehung" übergeben. Viele Kleinkinder lernten mit ihren Familien das schwere Los der Emigration kennen.
Jüdische Kinder wurden verhöhnt und bespuckt. Sie durften nicht mehr die öffentlichen Schulen oder Kindergärten besuchen und keine öffentlichen Spielplätze benutzen.37 Aber das war hur der Anfang. Bald wurden auch die Kinder jüdischer Familien in Konzentrationslager verschleppt und dort ermordet. Dabei wurden selbst die Kleinkinder bei der Deportation ihren Eltern gewaltsam entrissen. Insgesamt wird die Zahl der ermordeten jüdischen Kinder in den faschistisch besetzten Ländern Europas auf \ 200 000 geschätzt.38 Der Anteil von Vorschulkindern ist unbekannt, betrug jedoch gewiß Hunderttausende. Als sowjetische Truppen 1944 das Vernichtungslager Majdanek befreiten, fanden sie Berge von Schuhen vor, die den vergasten Kleinkindern gehört hatten. Ein Beispiel humanistischer Selbstaufopferung gab der polnische Pädagoge Janusz Korczak (Henryk Goldszmit), der freiwillig bei den Kindern seines Waisenhauses blieb und an ihrer Spitze, zwei der Kleinsten an den Händen führend, den Marsch aus dem Warschauer Ghetto in das Todeslager Treblinka antrat.39

37 Vgl. H. Mausbach/B. Mausbach-Brom beige r: Feinde des Lebens. A.a.O., S. 87 ff.
38 Ebenda. S. 221.
39 Vgl. J. Korczak: Die Liebe zum Kind. Union Verlag. Berlin 1980, S. 421.

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Das Schicksal der jüdischen Kleinkinder im Machtbereich des Faschismus teilten Kinder von Zigeunern, von Polen, Kinder der Völker der Sowjetunion und Jugoslawiens, der Franzosen, Tschechen und anderer. Kleinkinder in Partisanengebieten oder in Orten, die nur in dem Verdacht standen, Partisanen unterstützt zu haben, wurden wie die übrige Bevölkerung erschossen, bei lebendigem Leibe verbrannt oder deportiert. Allein in Polen kamen auf diese Weise 225 000 Kleinkinder um.40 Von den 104 Kindern Lidices waren mindestens 34 zwischen 0 und 6 Jahren alt. Von ihnen überlebten S/1
Viele Tausende von Kleinkindern - allein in Polen etwa 200 OOO42 -wurden ihren Eltern geraubt und nach Deutschland zur "Eindeutschung" verschleppt.
Auch Kinder des deutschen Volkes fielen dem faschistischen Völkermord zum Opfer. Unter der Deckbezeichnung "Euthanasie" organisierten die braunen Machthaber die planmäßige Ausrottung psychisch kranker und behinderter Kinder durch willfährige Ärzte. Zur Leitung dieser Aktion wurde eigens ein "Reichsausschuß" gegründet. Seine 1945 aufgefundene Statistik weist 70 273 Morde aus. Sie wurden in sogenannten "Heil- und Pflegeanstalten" wie Hadamar, Bernburg, Irrsee, Pirna-Sonnenstein, Brandenburg-Görden, Grafeneck, Hartheim, Kalmenhof und Eichberg43 begangen. Über das Alter der Euthanasie-Opfer berichten die Protokolle des Nürnberger Prozesses:
"Der Reichsausschuß hatte ursprünglich nur mit kindlichen Patienten bis zu drei Jahren zu tun. Die Zeitgrenze wurde später erhöhl auf acht Jahre, zwölf Jahre, und ich meine sogar auf 16 bis 17 Jahre."4'
Aber auch alle übrigen Kinder im Vorschulalter erlebten Furchtbares, als der Krieg mit voller Wucht auf Deutschland zurückschlug. Tausende von Kleinkindern fielen der wahnwitzigen faschistischen Kriegsführung bis fünf Minuten nach zwölf zum Opfer. Viele von ihnen erlitten einen qualvollen Tod oder wurden gräßlich verstümmelt. Andere verloren ihre Eltern oder wurden auf der Flucht aus dem Kampfgebiet von ihren Angehörigen getrennt. Im Mai 1946 gab es allein in Mecklenburg-Vorpommern 16 000 elternlose Kinder, von denen 4000 noch so klein waren, daß sie nicht einmal ihren Namen. Geburtsort und Geburtstag anzugeben vermochten.45

40 H. Mausbach/B. Mausbach-Bromberget; Feinde des Lebens. A.a.O., S. 220.
41 Vgl. ebenda, S. 160 ff.
42 Ebenda, S. 110.
43 Vgl. ebenda, S. 69.
44 Zitiert nach ebenda, S. 84.
45 Neues Deutschland. Nr. 5271946, S. 2.

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Hunderttausende kleiner Kinder mußten in schrecklichen Tagen und Nächten erleben, daß Bombenangriffe oder Kampfhandlungen die vertraute elterliche Wohnung zerstörten. Sie wuchsen auf in Notquartieren ohne Wasser, Strom und Gas und konnten nur unzureichend ernährt und bekleidet werden. Unterernährung und Krankheiten waren die Folge.
Das blieb übrig von den Beteuerungen der Faschisten, ihr "Reich" sichere den Kleinkindern "Geborgenheit", "gesundes Aufwachsen" und "frohe Kindergemeinschaft".
Im Chaos des "totalen Krieges" kam die Kindergartenarbeit überall in Deutschland zum Erliegen. Die Gebäude zahlreicher Kindergärten und Kindertagesstätten wurden vernichtet und beschädigt. Unzerstörte Räume wurden beschlagnahmt. Vielerorts wurde das Inventar gestohlen oder zerschlagen. Kindergärtnerinnen wurden von den Faschisten "kriegsdienstverpflichtet" und ihren Erziehungsaufgaben entzogen. So offenbarte die Zeit der faschistischen Diktatur, daß es unter der Herrschaft der Großbourgeoisie auch für die Vorschulerziehung keine echte Perspektive gibt.
Die Aus- und Weiterbildung der Kindergärtnerinnen
Seit etwa 1937 wurde der Heranbildung neuer Kindergärtnerinnen und der Weiterbildung der bereits im Dienst stehenden mehr Bedeutung als bis dahin beigemessen. Im wesentlichen gab es dafür zwei Ursachen. Mit der verstärkten Gründung von Kindergärten wuchs erstens auch der Bedarf an ausgebildeten Kindergärtnerinnen. Zum anderen konnte die ideologische Beeinflussung und Erziehung der Kleinkinder im Sinne des Faschismus nur durch solche Kräfte erfolgen, die eine entsprechende "Ausbildung" erhalten hatten.
Die Ausbildung erfolgte vorwiegend in staatlichen Fachschulen für Kindergärtnerinnen, die "sozialpädagogische Lehranstalten" genannt wurden, oder in Seminaren der NSV.
Das Ziel der Ausbildung war dem anderer pädagogischer Berufe ähnlich. Auch die Kindergärtnerin sollte "zuverlässig ausgerichtet" sein und "völkisch-politische Menschenbildung" erhalten. Sie sollte neben ihrer Erziehertätigkeit auf die politische Massenarbeit, auf die Verbreitung der Naziideologie unter den Eltern und im Dorf sowie auf "rassenpolitische Erziehungsarbeit" vorbereitet werden.
Eine der wichtigsten Aufnahmebedingungen war die sogenannte "Führernatur" der Bewerberinnen. Sie sollten auf Grund ihrer bisherigen faschistischen Erziehung und ihrer sozialen Herkunft die Gewähr dafür bieten, die ihnen anvertrauten Kinder im "nationalsozialistischen" Sinne zu führen.
Weitere Voraussetzungen für eine Aufnahme an der sozialpädagogi-

(26 26 84-7]

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sehen Lehranstalt waren: "arische" Abstammung46, vollendetes 16. Lebensjahr und Abschluß der Mädchenoberschule oder Mittelschule. Da der Besuch dieser Schulen auf Grund des Bildungsmonopols der herrschenden Klasse für die übergroße Mehrheit des Nachwuchses der Arbeiter und Bauern unerreichbar blieb, konnte auch nur eine sehr geringe Zahl der Mädchen aus diesen Kreisen die Ausbildung als Kindergärtnerin beginnen. Daneben waren noch hauswirtschaftliche Vorbildung und Kenntnisse auf mindestens einem technisch-künstlerischen Arbeitsgebiet notwendig (Nadelarbeit, Beherrschung eines Musikinstruments u. ä.). Die Zugehörigkeit zum BDM17 wurde unbedingt gefordert,
"denn es ist durchaus notwendig, daß die künftige Kindergärtnerin bereits sicher im Nationalsozialismus verankert ist, wenn sie ihre Berufslaufbahn beginnt".48
Die Ausbildungszeit betrug in der Regel zwei Jahre und umfaßte eine theoretische und praktische Unterweisung.
Die Stundentafel entsprach den Zielen der faschistischen Erziehung und machte einige charakteristische Züge in der Ausbildung deutlich.
Den Fächern der "nationalpolitischen" Erziehung wurde eine besondere Bedeutung beigemessen. Sie umfaßten nicht mehr als fünf Wochenstunden, sollten jedoch die gesamte Ausbildung durchdringen und den ideologischen Gehalt aller Fächer bestimmen. Wie im Kindergarten und in der gesamten faschistischen Erziehung nahmen die körperliche Erziehung und die Aufgaben der Körperpflege einen unverhältnismäßig breiten Raum ein. Im "Reichsseminar" für Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen, das die NSV in Steinatal (Hessen) eingerichtet hatte, wurde der erste Lehrabschnitt von fünf Monaten unter lagermäßigen Bedingungen absolviert.49 Es entsprach den schon erwähnten Erziehungsauffassungen des Hitlerfaschismus, daß an den Fachschulen für Kindergärtnerinnen •der wissenschaftlichen Ausbildung der Schülerinnen wenig Bedeutung beigemessen wurde. Ihre Allgemeinbildung wurde nur wenig erweitert. Solche Fächer wie Volkstumspflege, Berufskunde, Volkspflege, Jugendschrifttumskunde, Naturkunde, trugen keinen wissenschaftlichen Charakter. Die gesamte Ausbildung zielte nicht darauf hin, den künftigen Kindergärtnerinnen ein solides theoretisches Fundament für ihre Berufsarbeit zu geben, sondern beschränkte sich in erster Linie auf praktisch-nützliche Handreichungen und Ratschläge. Nach Abschluß des Staatsex-

46 Die Faschisten mißbrauchten den für eine Einteilung der Menschheit nach Rassen oder Völkern wissenschaftlich unhaltbaren Begriff "Arier" für ihre menschenfeindliche Rassentheorie; u. a. für die Rechtfertigung der Nürnberger Blutgesetze.
47 BDM (Bund Deutscher Mädchen): faschistische Mädchenorganisation. 1
48 Berufsbild der Kindergärtnerin. Hortnerin und Jugend leiten n. Amt für Berufserziehung und Betriebsführung der DAF. Berlin 1938, S. 12.
49 Vgl. R. Benzing: Neuausrichtung eines Frauenberufs: Die Kindergärtnerin im Reichsseminar für Kindergärtnnerinnen und Hortnerinnen der NS-Volkswohlfahrt (staatlich anerkannt). Steinatal (Gau Kurhessen), o. J" S. 3.

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amens konnte die Arbeit als Kinderpflegerin, Kindergärtnerin und Hortnerin, Heimerzieherin oder Sozial- und Jugendpflegen n aufgenommen werden. Der Einsatz einer ausgebildeten Kindergärtnerin als Jugendleiterin, das heißt als Leiterin einer Vorschuleinrichtung, Lagerführerin im Landjahr oder Lehrerin im Seminar setzte eine dreijährige praktische Tätigkeit und eine zusätzliche einjährige Ausbildung an der Fachschule voraus.50
Der Mangel an ausgebildeten Kräften machte es außerdem notwendig, viele Kindergärtnerinnen in Kurzlehrgängen notdürftig auf ihren Beruf vorzubereiten. Das Ziel dieser Kurzlehrgänge bestand im wesentlichen in einer verstärkten Schulung im Geiste der "nationalsozialistischen Weltanschauung".
Den faschistischen Behörden war sehr daran gelegen, ein System der Weiterbildung für alle Kindergärtnerinnen zu organisieren. Das Erziehungsziel des Nationalsozialismus machte dies zur notwendigen Aufgabe. Alle auf dem Gebiet der Vorschulerziehung Tätigen sollten ständig mit dem neuesten faschistischen Schrifttum, mit den neuen "Erkenntnissen" in Erbbiologie und Rassenkunde bekannt gemacht und stets aufs neue auf den Nationalsozialismus ausgerichtet werden. So wird zum Beispiel im "Handbuch der Jugendhilfe" über die sogenannten "Blankenburger Osterlehrgänge" berichten
"Die Erb- und Rassenpflege im Lebenskreis der deutschen Frau und Mutter wurde ergänzend zu den Aufgaben des Kindergartens als Volksbildungsstätte und Mütterschulungsmittelpunkt behandelt."5'
Hier wird deutlich, daß die Kindergärtnerinnen durch die Weiterbildung befähigt werden sollten, einen möglichst breiten Kreis von Müttern faschistisch zu beeinflussen. Dem dienten Vorträge zu Themen wie
"Die Rassenfrage, ihre theoretischen Grundlagen und ihre praktische Durchführung im nationalsozialistischen Staat", "Erziehungsprobleme im Hinblick auf Erblehre und Erbpflege",
"Bevölkerungspolitische Maßnahmen im nationalsozialistischen Staat"."
Die Weiterbildung sollte aber auch mit neuen faschistischen Erziehungsmethoden bekannt machen, Fertigkeiten und Kenntnisse auf verschiedenen Gebieten auffrischen oder Anregungen geben.
Als eine Form der Weiterbildung wurden auch Inspektion und Hospitation bezeichnet. Sie dienten jedoch vor allem der Kontrolle darüber,
"ob die Erziehung in den Kindergärten und Horten der NSV den Erziehungsgrundsätzen des nationalsozialistischen Staates entspricht".53

50 Vgl. W. Hehlmann: Pädagogisches Wörterbuch. Stuttgart 1942, S. 215.
51 Handbuch der Jugendhilfe. Heft 4. S. 54.
52 Berufserziehungsplan für Kindergärtnerinnen. Hortnerinnen und Jugendleiterinnen, Berlin 1937, S. 5 f.
53 .Kind - Familie - Staat". Weimar, Heft 1/2. S. 43.

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Die Zeitschrift "Der Kindergarten" und die Schulungsbriefe des NSV waren weitere wichtige Mittel der ideologischen Beeinflussung. In ihnen schrieben führende Vertreter der NSDAP zu den Fragen der "Bewegung" und den Aufgaben der vorschulischen Erziehung. Besonderer Wen wurde in der gesamten Aus- und Weiterbildung auf eine enge Zusammenarbeit mit den NS-Organisationen und auf die Zugehörigkeit zu ihren Gliederungen gelegt. Nachdem es zur "Selbstauflösung" des Deutschen Fröbel-Verbandes gekommen war, wurden alle Vereinigungen der Kindergärtnerinnen im NS-Lehrerbund, Fachschaft sozialpädagogische Berufe, zusammengefaßt. Die Mehrzahl war in der NSDAP selbst oder im BDM, NSV, NS-Frauenschaf t, Frauenwerk und im Arbeitsdienst organisiert. Auch dort diente die faschistische Beeinflussung stark einer Gleichschaltung aller Erzieherkräfte im Sinne des Nationalsozialismus.
Der Kampf der antifaschistischen, humanistischen Kräfte um die Rettung der Kinder
Trotz aller Anstrengungen gelang es den Hitlerfaschisten zu keiner Zeit, die vorschulische Erziehung aller Kinder ihrem verderblichen Einfluß zu unterwerfen. Erneut bewahrheiteten sich Lenins Worte aus dem Jahre 1913:
"In jeder nationalen Kultur gibt es - seien es auch unentwickelte - Elemente einer demokratischen und sozialistischen Kultur, denn in jeder Nation gibt es eine werktätige und ausgebeutete Masse, deren Lebensbedingungen unvermeidlich eine demokratische und sozialistische Ideologie erzeugen."54
Auch im faschistischen Deutschland gab es eine solche verfolgte und unterdrückte, aber unbesiegbare demokratische Kultur und damit auch eine demokratische Erziehung. Antifaschistische, humanistische Kräfte wirkten der faschistischen Erziehung entgegen und suchten die Kinder dem Zugriff der braunen Horden zu entziehen. Inmitten der chauvinistischen Hochflut waren sie unablässig bemüht, die jungen Menschen für den Sturz des Faschismus und den Aufbau eines demokratischen und humanistischen Deutschlands vorzubereiten, oder wenigstens vor der Inhumanität faschistischen Denkens zu bewahren.
Diese antifaschistische Erziehung wurde getragen von Arbeitereltern, insbesondere von werktätigen Müttern, aber auch von bürgerlich-humanistischen und christlichen Familien, Lehrern und Erziehern.
Die Eltern durften es freilich nicht wagen, mit ihren Kindern im Vorschulalter offen über die Verbrechen des Faschismus zu sprechen, denn ein unbedachtes Kinderwort genügte, um Vater und Mutter bei der Ge-

54 W. I. Lenin: Werke, Bd. 20. Dietz Verlag. Berlin 1961, S. 8.

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stapo verdächtig zu machen. Vorsichtig und behutsam mußten sie deshalb versuchen, ihren Kindern Abscheu vor dem Kriege, Achtung vor den Menschen aller Sprachen oder Hautfarben und Vorbehalte gegenüber den "Führern" des faschistischen Staates einzuflößen.
Sie wurden dabei von einem Teil der Kindergärtnerinnen unterstützt. Ungeachtet der ständigen Bespitzelung, der intensiven Schulungsarbeit und der verlogenen Appelle an das Gefühl gelang es den Faschisten nicht, alle Erzieherinnen "gleichzuschalten". Sei es aus politischer Erkenntnis, aus religiöser Überzeugung oder auch einfach aus Liebe zu den Kindern - manche Kindergärtnerin vermied, wo das nur möglich war, Hitler und seine "Siege" zu verherrlichen, den Ungeist des Militarismus zu verbreiten und die brutale Harte zum Gesetz der Vorschulerziehung zu erheben.
In den Jahren des Krieges setzten viele Erzieherinnen bei Luftangriffen ihr Leben aufs Spiel, um das Leben der ihnen anvertrauten Kinder zu schützen oder zu retten.
Auch Vorschulerzieherinnen fanden das politische Verantwortungsbewußtsein und den Mut, am illegalen Widerstandskampf gegen das faschistische Regime teilzunehmen, und dabei ihr Leben einzusetzen. Zu ihnen gehörte die Kinderpflegerin Marianne Joachim (geb. 1921). Gemeinsam mit ihrem Ehemann half sie in der Widerstandsgruppe Herbert Baum, Flugschriften gegen Faschismus und Krieg herzustellen und zu verbreiten. Die Kindergärtnerin Rose Scblosinger (geb. 1907} wurde ab 1933 von den Faschisten an der Ausübung ihres Berufes gehindert. Dessen ungeachtet schloß sie sich der antifaschistischen Gruppe Schulze-Boysen/ Harnack an, die als "rote Kapelle" zu den bedeutendsten Trägern des illegalen Widerstands gehörte. Im Jahre 1943 starben beide Frauen unter den Händen faschistischer Henker.
Ein heldenhafter Kampf wurde um die Rettung jener Kinder geführt, die von den Faschisten in die Konzentrationslager verschleppt wurden. Oft begann er bereits vor der Deportation. Gefährdete Kinder wurden aus den Ghettos geschmuggelt, versteckt, in andere Orte gebracht und von Familien aufgenommen, die ungeachtet der drohenden Todesstrafe diese Kinder für ihre eigenen ausgaben. Das Ringen um die Kinder ging in den Lagern weiter.
Kommunistische, sozialdemokratische und parteilose Häftlinge fast aller Nationen Europas, die den schwerbewaffneten SS-Banden nichts entgegenzusetzen hatten als ihre eiserne Disziplin und Solidarität, versteckten die Kinder, pflegten sie, erteilten ihnen Unterricht und sparten für sie Lebensmittel vom Munde ab. Aufrechte Antifaschisten opferten ihr Leben, um Kinder vor der Vernichtung zu bewahren. Ein ergreifendes und aufrüttelndes Bild ihres Ringens zeichnete Bruno Apitz in seinem Roman "Nackt unter Wölfen".
Unter verschärften Bedingungen des Terrors stand die KPD als revolu-

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tionäre Partei der Arbeiterklasse an der Spitze des Kampfes gegen die Faschisten.
Sie sah im Kampf gegen die ideologische Vergiftung der deutschen Jugend eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Dabei ließ sie sich von der Linie leiten, die von dem VII. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale im Sommer 1935 erarbeitet worden war. Palmiro Togliatti hatte im Namen dieses Weltforums der Kommunisten erklärt:
"Wir wollen die Jugend nicht dem Faschismus überlassen. Wir wollen es nicht zulassen, daß die Jugend in einen Stoßtrupp der Kriegstreiber verwandelt wird. Wir wollen die Jugend zu einem Stoßtrupp unseres Kampfes für den Frieden machen.""
Daraus leitete er die Aufgabe ab:
"Als Gegenmaßnahme gegen diese so groß angelegte Tätigkeit der Bourgeoisie zur Militarisierung der Jugend müssen wir in ebenso umfassender Weise unsere Arbeit entfalten, um die junge Genetation dem Einfluß der Bourgeoisie und des Faschismus zu entreißen."**
Die KPD ließ nichts unversucht, um eine antifaschistische Volksfront zu schaffen, die alle Gegner des Hitlerregimes zusammenschließen und unter anderem den Kampf gegen die Faschisierung der Kinder und Jugendlichen führen sollte. Wilhelm Pieck verfaßte im Juni 1936 Richtlinien für die Ausarbeitung einer politischen Plattform der deutschen Volksfront, in denen er feststellte:
.Die Hitlerregierung will die deutsche Jugend in die Hölle des Krieges, in die lebensvernichtende Pest der Giftgase, in die mörderischen Schützengräben treiben ... Die Volksfront kämpft für die Reitung der deutschen Jugend vor ihrer Vernichtung in einem neuen Kriege, sie kämpft für die Erziehung der Jugend im Geiste des Völkerfriedens, der Freiheit und des Fortschritts
Am Vorabend des zweiten Weltkrieges, im Januar und Februar 1939, tagte die illegale Berner Konferenz der KPD58 und faßte grundlegende Beschlüsse über den Weg zum Sturz Hitlers und den Aufbau einer deutschen demokratischen Republik. In der Resolution hieß es:
"Eine der dringendsten Aufgaben aller Antifaschisten ist es, der weiteren Vergiftung der deutschen Jugend durch den Nationalsozialismus entgegenzutreten und die Jugend für den Freiheitskampf des deutschen Volkes zu gewinnen ... Die Eltrn müssen geduldig und systematisch unter Ausnutzung der großen Geisteswerke der deutschen Vergangenheit ihre Kinder mit dem Geist der Ideale des Fortschritts, der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Humanismus erfüllen."5'

55 VII. Kongreß der Kommunistischen Internationale. Referate und Resolutionen. Dietz-Verlag, Berlin 1975. S. 233.
56 Ebenda, S. 231.
57 W. Pieck; Zur Bildungspolitik der Arbeiterbewegung. Ausgewählt, eingeleitet und erläutert von Rudi Schulz. Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin 1981, S. 191.
58 Zur Irreführung der faschistischen Polizei und ihrer Spitzel wurde die Parteikonferenz als .Berner" bezeichnet, obwohl sie in Drevoil bei Paris stattfand.
59 Die Berner Konferenz der KPD (30. Januar-1. Februar 1939). Hrsg. und eingeleitet von K. Mammach. Dietz Verlag, Berlin 1974. S. 131.

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Die grundsätzlichen Orientierungen der Partei der Arbeiterklasse wurden illegal im Lande verbreitet, und Tausende von Parteimitgliedern handelten danach in gefahrvoller Kleinarbeit. Viele Kommunisten verstanden es, sich mit sozialdemokratischen Klassengenossen, mit katholischen Gläubigen und anderen Hitlergegnern zusammenzuschließen, um der faschistischen Erziehung der Kinder und Jugendlichen Widerstand zu leisten. Dabei richteten sie ihre Aufmerksamkeit nicht nur auf Schüler und Lehrlinge, sondern auch auf die Kinder im Vorschulalter. Auch Familien, die nicht die politische Bewußtheit und moralische Kraft zum antifaschistischen Widerstand fanden, waren gleichwohl bemüht, ihre Kinder von klein auf im Geiste humanistischer Ideale zu anständigen Menschen /,u erziehen.
Als sich die totale Niederlage des Hitlerfaschismus abzuzeichnen begann, erarbeitete die Parteiführung der KPD konkrete Vorstellungen über die ersten Schritte zur Neugestaltung der Gesellschaft nach dem Stur/ des Faschismus. Dabei wurden auch Fragen der Vorschulerziehung berücksichtigt. In dem Entwurf zu einem "Aktionsprogramm des Blocks der kämpferischen Demokratie", den Anton Ackermann nach gründlichen Diskussionen im Oktober 1944 niederschrieb, wurde beispielsweise gefordert:
"Kampf gegen die Kindersterblichkeit durch Sicherung besserer Bedingungen für die Kinderernährung und Erziehung sowie Ausbau der öffentlichen Mütter- und Kinderfürsorge ... Gründliche Umgestaltung der gesamten Volksbildung im Geiste wahrhaft freiheitlicher und fortschrittlicher Ideen ...
Schaffung von Kinderkrippen und Kindergärten, Spielschulen für das vorschulpflichtige Kindesalter."110
Am 5. April 1945 beschloß eine Kommission der Parteiführung der KPD "Richtlinien für die Arbeit der deutschen Antifaschisten in dem von der Roten Armee besetzten deutschen Gebiet". Darin wurden die wichtigsten Sofortmaßnahmen zusammengefaßt, die unverzüglich in Angriff genommen werden mußten, um den Faschismus vollständig zu zerschlagen, die Bevölkerung vor dem drohenden Untergang zu retten und die schlimmsten Kriegsfolgen zu beseitigen. Die Richtlinien empfahlen unter anderem:
"Ausgabe von Lebensmitteln erfolgt in erster Reihe für die Arbeitenden, vor allem an die Küchen für Betriebe und Arbeit s komm an dos sowie für Kindergarten."01
So stellten die von den Kommunisten geführten Antifaschisten dem Niedergang der Kindergärten und der Bedrohung des Lebens der Klein-

60 Jahrbuch für Erziehungs- und Schulgeschichte. Jg. 10/1970. Akademie-Verlag. Berlin 1970, S. 179 ff.
61 H. Laschitza; Zwei Dokumente der KPD aus den Jahren 1944 und 1945 für das neue, demokratische Deutschland. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, H. 2/1965. S. 266.

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kinder unter der Herrschaft des Faschismus ein positives Programm entgegen, das drei Hauptpunkte umfaßte:
- Ausschaltung aller faschistischen Einflüsse auf die Kinder; antifaschistische, demokratische und humanistische Erziehung schon der Jüng-
sten.
  • Ausbau des Netzes vorschulischer Einrichtungen.
  • Sicherung der Ernährung der Vorschulkinder unier schwierigsten
Bedingungen.
Dieses einfache Programm bot die einzige Möglichkeit zur Rettung der Kinder vor der Vernichtung, die ihnen die Faschisten zugedacht hatten.
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