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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden

"Spurensuche nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung
"Systemkritik: Deutsche Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/

 
Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems. Zivilrecht.

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Gast
New PostErstellt: 28.05.07, 08:40  Betreff: Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems. Zivilrecht.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

MAJER, Dieter (1987): Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems. Führerprinzip, Sonderrecht, Einheitspartei. Beispiele sonderrechtlicher Maßnahmen. Zivilrecht, Stuttgart; Berlin; Köln; Mainz: Kohlhammer, S. 187-193.



III. Beispiele sonderrechtlicher Maßnahmen


2. Zivilrecht

Beispiele der Auslegung bzw. der uferlosen Ausdehnung der Normen im Sinne der NS-Ideologie lassen sich auch zahlreich im Zivilrecht finden, das nicht, wie noch in den Forschungen der früheren Jahre behauptet wurde, ein Hort liberaler rechtsstaatlicher Traditionen gewesen ist, sondern dem Rassenprinzip ebenso geöffnet wurde wie das Strafrecht - mit vielfach viel einschneidenderen Folgen für die Betroffenen als das Strafrecht277a. Im Zivilrecht sind zwar nur wenige Sonderregelungen ergangen278 und das von der NSDAP beabsichtigte und in der Akademie für Deutsches Recht vorbereitete »Volksgesetzbuch«279, das das Bürgerliche Gesetzbuch ablösen sollte, kam nicht zustande.
Jedoch erfolgte die Umgestaltung des Rechts im nationalsozialistischen Sinne durch die Auslegung des bestehenden Rechts, die so weitgehend war, daß eine Änderung des Gesetzes Wortlauts nicht erforderlich war280. Das Zivilrecht als Verkörperung der allgemeinen bürgerlichen Rechtsgleichheit bot hinsichtlich der einzelnen Normen für eine solche Umgestaltung zwar keine Angriffsflächen. Einfallstore für das Eindringen der Rassen-Ideologie, d. h. des sonderrechtlichen Prinzips, waren jedoch die Generalklauseln der »guten Sitten«, »Treu und Glauben«, der »sittenwidrigen Schädigung« usw., die als Ausdruck des jeweiligen »Zeitgeistes« betrachtet und daher ohne dogmatische Schwierigkeiten i. S. der NS-Ideologie interpretiert wurden. Wesentliche Merkmale dieser Interpretation waren einmal die starke Betonung der »Gemeinschaftsgebundenheit«, ferner die »rassische« Fundierung des privaten Rechts. Wissenschaft und Rechtsprechung haben daher ohne positiv-rechtliche Fundierung allein durch die »unbegrenzte Auslegung«, d. h. die sog. Rechtsfortbildung und die Entfesselung des Richterrechts das Zivilrecht i. S. der Rassenideologie umgestaltet. Abgesehen hiervon wurde, wie bereits erwähnt, vielfach das Recht als unter einem allgemeinen rassenpolitischen Vorbehalt stehend angesehen, sodaß es des Mittels der Generalklausel an sich gar nicht bedurfte, um die sonderrechtliche Diskriminierung in das bürgerliche Recht hineinzuinterpretieren. 281
Der Diskriminierungsgedanke im bürgerlichen Recht bedeutete in dogmatischer Hinsicht die Nichtanwendung geltenden Rechts, d. h. seine Disponibilität zugunsten der Ideologie, genauer: den Verlust der Rechtsfähigkeit und des Persönlichkeitsschutzes und damit den Untergang der Rechtspersönlichkeit insgesamt. Die Rechtsfähigkeit einer Person beruhte nach dieser Auffassung nicht mehr auf der bürgerlichen Gleichheit, sondern war rassisch begründet282. Viele Beispiele aus dem Alltag belegen dies. So wurden z. B., entgegen der herrschenden Praxis, Radioapparate als persönliche Gebrauchsgegenstände für nicht pfändbar anzusehen (§811 Ziff. l ZPO), Radiogeräte von Juden für pfändbar erklärt283.
Als weiteres Beispiel sei ausgeführt, daß die Rassendiskriminierung auch hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Verträgen gem. §§119, 123 BGB wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung praktiziert wurde, um eine Lösung des »arischen« Vertragspartners vom Rechtsgeschäft mit jüdischen Vertragspartnern zu erleichtern284. Ähnliches galt für den Rücktritt vom Vertrag gem. §§ 346, 347 ff. BGB, der unter andrerem vom Reichsgericht gerechtfertigt wurde, wenn der Vertragspartner oder der sonst Beteiligte jüdischer Abstammung war und zwar auch dann, wenn der Vertrag erst nach 1933, also in Kenntnis der herrschenden Rassenideologie, geschlossen war. Dies ist Inhalt des bekannten bereits erwähnten Charell-Falls, in dem das Reichsgericht die jüdische Abstammung eines Beteiligten als eine Tatsache bezeichnete, die mit »Tod« oder »Krankheit« vergleichbar sei [!]285.
Die rassenpolitische Diskriminierung in Form des Sonderrechts trat besonders deutlich zutage \Ehe- und Familienrecht. Dort traten schon in den Anfangsjahren, noch vor Erlaß der »Nürnberger Gesetze«, viele bekannte Wissenschaftler, so z. B. Stoll, Siebert, Larenz, Bley, Esser und Heinrich Lange für die Aufgabe der allgemeinen Gleichheit und für die Rassenideologie ein286. Die folgenden Beispiele mögen dies verdeutlichen, sind aber nicht als abschließend zu verstehen.
Im Scheidungsrecht wurde auch schon vor Erlaß des Ehegesetzes 1938 auf Klagen »arischer« Ehepartner die Aufhebung von »arischer«-jüdischen Ehen nach § 1333 BGB a. F. wegen »Irrtums« über die »persönliche Eigenschaft« des Ehegatten für zulässig erklärt287.
Obwohl damit nur objektive, dem Partner bisher nicht bekannte Merkmale gemeint waren, und den Anfechtungsklägern die Tatsache der jüdischen Abstammung ihrer Ehegatten bekannt war, konstruierten die Gerichte einen Irrtum über die »Bedeutung der Rassenfrage«, der erst 1933 aufgrund der nationalsozialistischen »Revolution« eingetreten sei und einem Irrtum über objektive Tatsachen gleichstehe288. Die Anfech-tungsfrist gem § 1339 BGB a. F., die l Jahr seit Kenntnis des Anfechtungsgrundsatzes betrug, wurde vielfach hinausgeschoben, auf den Zeitpunkt der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 oder später, um die Eheanfechtungen zu erleichtern289. Mit dem Inkrafttreten des Ehegesetzes 1938 war die Scheidung deutsch-jüdischer Ehen (anstelle der früheren Eheaufhebung nach § 1333 BGB a. F.) ohnehin nach nationalsozialistischen Grundsätzen gewährleistet, indem der Staat die Entscheidung über die »sittliche Rechtfertigung« des Scheidungsbegehrens, d. h. über den »Wert« und »Unwert« einer Ehe nach rassepolitischen Gesichtspunkten fällte290.
Auch im Recht der elterlichen Sorge kamen Rassengesichtspunkte zum Zuge. Das galt einmal für jüdische Adoptionseltern und Sorgeberechtigte. Das Sorgerecht für »arische« Kinder aus geschiedenen deutsch-jüdischen Ehen wurde selbstverständlich nur auf den »arischen« Teil übertragen, selbst wenn dieser Teil alleinschuldig an der Scheidung war291, obwohl § 1635 BGB a. F. dies ausschloß. Gerechtfertigt wurde dies damit, daß die Belassung des Kindes bei dem »nichtarischen« Elternteil grundsätzlich eine »Gefährdung des Kindes« im Sinne des §1666 BGB sei, die die Entziehung des Sorgerechts rechtfertige. Ähnlich wies das Kammergericht Berlin die Klage eines jüdischen sorgeberechtigten Vaters ab, der sein Kind von der »arischen« Mutter herausverlangte, weil es hierin einen Anlaß zur Entziehung des Sorgerechts »wegen Gefährdung des Kindes« sah :
Diese Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen293. Die angebliche »Gefährdung« des Kindeswohls, die eine Entziehung des Sorgerechts rechtfertigte, wurde aber auch dann ins Feld geführt, wenn die Eltern oder Sorgeberechtigten aus politischen oder religiösen Gründen eine Erziehung im nationalsozialistischen Sinne nicht »gewährleisteten«. Dies galt z. B. für die Erziehung nach der Lehre der Bibelforscher294, für die Erziehung im katholischen Glauben295, für die »kommunistische« oder »atheistische« Erziehung296. Ebenso war die Weigerung eines Vaters, seine Kinder zur Hitlerjugend zu schicken, ein »Mißbrauch des Sorgerechts«, der die Entziehung und Überweisung der Kinder in die Fürsorgeerziehung rechtfertigte297.
Im Adoptions- und Pflegerecht galten ähnliche Verhältnisse. Dort wurden »nichtarische« Vormünder und Pfleger »arischer« Mündel (Pflegebefohlener) allein wegen ihrer Rassenzugehörigkeit aus ihrem Amt entlassen und zwar selbst dann, wenn der Betroffene »nur« »Halbjude« war . Als Begründung diente das Argument, daß Juden »grundsätzlich ungeeignet für das Amt eines Pflegers (Vormunds)« seien299. Auch hier lassen sich die Beispiele beliebig fortsetzen300. Sie zeigen, daß das nationalsozialistische Familienrecht als vorliberales Recht, als Rückgriff auf mittelalterliche Rechtsvorstellungen angesehen werden muß. Es setzt ideologisch die konservativen Familienauffassungen fort, die die Ehen mit möglichst vielen Kindern propagierten, die Frau als Mutter dem Hause zuordneten und ihr eine erhöhte Belastung auferlegten. Diese beruhten auf der Grundvoraussetzung der Unterdrückung der Frauen, hinsichtlich deren beruflicher und sozialer Position der Nationalsozialismus niemals eine Antwort gesucht, geschweige denn gefunden hat301.
Ähnlich sind im Erbrecht sonderrechtliche Diskriminierungen als Auswirkung der »völkischen Ungleichheit« zu beobachten. Bereits 1933 hatte das Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der Staatsangehörigkeit vom 14.7.1933302 die Möglichkeit vorgesehen, Personen, die sich nach Ansicht der Machthaber gegen das Regime betätigten, neben der deutschen Staatsangehörigkeit auch das Vermögen zu entziehen. Dies zielte natürlich auf die vertriebenen und geflüchteten Deutschen ab. Die Diskriminierungen traten am stärksten hervor in der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25.11.194l303, die deutschen Juden, die sich im Ausland aufhielten, neben dem Entzug der Staatsangehörigkeit zugleich die Erbberechtigung absprach. Der staatliche Zugriff auf das jüdische Vermögen im Inland sollte dadurch ermöglicht werden, weil bei Wegfall eines Erben der Staat der Erbe war. Besonders scharf verurteilten die Gerichte es, wenn Erblasser jüdische Erben unter Umgehung von nahen Angehörigen eingesetzt hatten; dies galt als grober, »dem gesunden Volksempfinden« widersprechender Verstoß »gegen die Rücksichten, die ein verantwortungsbewußter Erblasser gegen Familie und Volksgemeinschaft zu nehmen .. . hatte«304. . Diese Auffassung, die zur Nichtigerklärung des Testaments führte, war jedoch nur eine besonders starke Anwendung des allgemeinen Gedankens, daß die Übergehung der gesetzlichen Erben dem »gesunden Volksempfinden« widerspreche Auch auf dem Gebiete des Mietrechts, also auf einem Gebiet, wo Menschen in enger und täglicher Berührung miteinander standen, wurde der Gesichtspunkt der Diskriminierung von den Gerichten mehr und mehr durchgesetzt. In den Anfangsjahren des »Dritten Reiches« hatten zwar die Gerichte noch korrekt aufgrund des Mieterschutzgesetzes von 1928 dahingehend entschieden, daß bei Kündigungsklage jeder Mieter, auch der jüdische Mieter, den Schutz des Gesetzes genieße306. Seit 1938 wurden jedoch Räumungsklagen »arischer« Vermieter gegen jüdische Mieter allein aufgrund ihrer Rassenzugehörigkeit für begründet erklärt, weil jüdische Mieter die »Hausgemeinschaft« störten, die plötzlich als sogenanntes wesentliches Merkmal des Mietverhältnisses betrachtet wurde und sich, wie es im Schrifttum hieß, »ohne weiteres« aus dem »Gemeinschaftsgedanken des Nationalsozialismus« ergäben. Ein Zusammen wohnen mit Juden sei dem deutschen Vermieter daher nicht »zuzumuten« und er somit kündigungsberechtigt, da das Wohnen von Juden für ihn eine »Belästigung und Störung« im Sinne der §§2 und 4 MieterschutzG 1928 sei307.
Die im folgenden angeführten Urteile des Landgerichts Berlin und des Amtsgerichts Nürnberg folgen dem Reichsgericht. Sie sind ein besonders deutliches Beispiel dafür, daß, wie eingangs schon skizziert, viele Richter sich »im Dritten Reich« nicht an das bestehende Recht hielten, sondern ihre eigentliche Aufgabe vergaßen und blind der Staatsideologie folgten - verbrämt durch die Schlagworte der »Rechtsfortbildung« oder des »Richterrechts« - eine Verschleierung für die völlig politisierte Rechtsprechung, ja, für den Tatbestand der Rechtsbeugung. So führte das Landgericht Berlin in einer Entscheidung vom 7.11.1938 aus:

»... Die Auflösung der Mietverträge mit Juden wird ... durch das M eterschutzgesetz erschwert und in gewissen Fällen unmöglich gemacht. Dies aber steht der weltanschaulichen Forderung entgegen, daß alle Gemeinschaftsverhältnisse mit Juden möglichst schnell beendet werden müssen. Die Anwendung des Mieterschutzgesetzes auf jüdische Mieter [!] ist deshalb abzulehnen... Es ist nicht richtig, daß die Stellung der Juden durch die Nürnberger Gesetze endgültig geregelt worden ist. Die Nürnberger Gesetze waren nur ein Anfang [!]. Die Entwicklung ist aber noch nicht beendet. Auch die Ansicht daß jede einzelne Maßnahme gegen die Juden nur [!] von der Regierung angeordnet werden könne, ist nicht zutreffend ... Daß bei einer Kündbarkeit der Verträge mit jüdischen Mietern zahlreiche Juden in Deutschland obdachlos werden würden, mag sein, kann aber nichts ändern. Diese Wohnungen werden dann deutschen Volksgenossen zur Verfügung gestellt, was bei dem heutigen Wohnungsmangel nur erwünscht ist.. .«308.

Noch schärfer formulierte das Amtsgericht Nürnberg in einer Entscheidung vom 26.11.1938309, das sogar die fristlose Kündigung wegen der Rasseneigenschaft des jüdischen Mieters für zulässig erklärte:

»l.... Das AG Nürnberg hat bisher, wie die gesamte Rspr. die Auffassung vertreten, daß auf Mietverhältnisse zwischen deutschen Vermietern und jüdischen Mietern das MietSchG. anzuwenden sei. ...Der erkennende Richter kann diese bisher vertretene Rechtsauffassung nicht mehr aufrechterhalten ...
1..... An die Stelle des liberalen Grundsatzes vom freien Spiel der Kräfte gilt auf dem Gebiete der Wohnungswirtschaft der Grundsatz der Gemeinschaftsgebundenheit des Eigentums. ...Das MietSchG ist nach dem Willen des nationalsozialistischen Gesetzgebers die gesetzliche Verwirklichung der Volksgemeinschaft [!] auf dem Gebiete des Wohnungswesens. Es ist auf diesem Gebiete der gesetzliche Ausdruck der Forderung des Parteiprogramms: »Gemeinnutz geht vor Eigennutz«. 2. Da das MietSchG. also bestimmt ist, der Gemeinschaft des deutschen Volkes zu dienen, kann es nur für diejenigen gelten, die zur Gemeinschaft des deutschen Volkes gehören oder doch sich in die Gemeinschaft blutmäßig [!] einordnen können. Es würde daher dem Zweck, den der nationalsozialistische Gesetzgeber mit der Beibehaltung und Erweiterung des Gesetzes verfolgt hat, widersprechen, wenn seine Schutzbestimmungen auf Personen angewandt werden, die außerhalb der Gemeinschaft des deutschen Volkes stehen und auch nie zu ihr gehören können.
Dies ist bei Juden der Fall... Daraus folgt, daß die Schutzbestimmungen des MietSchG. jüdischen Mietern im Verhältnis zu deutschen Vermietern nicht zur Seite stehen können... Der Richter ist an dieser Rechtsauffassung nicht dadurch gehindert, daß eine ausdrückliche Regelung dieser Frage durch den Gesetzgeber bisher nicht erfolgt ist [!]. Denn der Umstand, daß die Staatsführung einen Rechtszustand, der mit nationalsozialistischen Anschauungen nicht vereinbar ist, noch nicht förmlich geändert hat, schließt nicht aus, daß der Richter bei seiner Entscheidung diesem Zustand die Anerkennung versagt und nötigenfalls versagen muß [!]...
II. ... An sich ist im BGB dem Vermieter das Recht zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses nur in den Fällen der § % 553 eingeräumt. Beide treffen hier nicht zu. Allein die Rspr. hat seit langem den Grundsatz entwickelt, daß der in den Bestimmungen der § § 553,626,723 BGB zum Ausdruck gebrachte Rechtsgedanke ganz allgemein für Dauerschuldverhältnisse Geltung habe. Danach können Dauerverhältnisse fristlos gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt... .Jeder Deutsche findet die An Wesenheit von Juden indem von ihm bewohnten Haus als lästig; es ist ihm peinlich, mit ihm zusammenzutreffen oder gar mit ihm in Verbindung treten zu müssen [!].
Diese Einstellung hat sich durch die Ereignisse der letzten Wochen (gemeint sind die Ausschreitungen gegen jüdische Einrichtungen in der »sog. Reichskristallnacht am 9./10.11. 1938) ganz bedeutend verstärkt. Die Entwicklung hat gezeigt, daß ein Zusammenwohnen von Deutschen und Juden unerträglich geworden ist. Die Durchführung des Mietvertrages ist durch die Person des Mieters, durch seine Zugehörigkeit zur jüdischen Rasse [!] gefährdet.... Das Recht der Kl. zur fristlosen Kündigung ist im vorliegenden Fall nicht etwa dadurch verbraucht, daß sie zunächst das Mietverhältnis unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfristen kündigten. Denn wenn die Kl. auch schon die ordentliche Kündigung v. 1. Nov. 1938 deshalb aussprachen, weil die Bekl. Juden sind, so haben doch erst die jüdische Mordtat von Paris am 7. Nov. 1938 und die dadurch hervorgerufenen Abwehrmaßnahmen des deutschen Volkes und der Reichsregierung die Notwendigkeit einer sofortigen räumlichen Scheidung [!] zwischen Deutschen und Juden in voller Klarheit gezeigt«.310
Dieser durch die Rechtsprechung initiierten Praxis trug der nationalsozialistische Gesetzgeber alsbald Rechnung. Durch das »Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden« vom 30.4.1939311 wurde, weil der Mieterschutz auf jüdische Mieter für unanwendbar erklärt und ein jederzeitiges Kündigungsrecht »arischer« Vermieter für alle Mietverträge mit Juden (auch für längerfristige oder auf eine bestimmte Zeit geschlossene Mietverträge) fixiert. Umgekehrt durfte sich das sonderrechtliche Prinzip niemals %u Gunsten eines jüdischen Betroffenen auswirken. So lehnte das Kammergericht Berlin einen Mietminderungsanspruch eines jüdischen Mieters eines Geschäfts wegen erheblicher geschäftlicher Nachteile ab. Die Ausschaltung der Juden aus der deutschen Wirtschaft, mit der der jüdische Mieter seinen Anspruch begründet hatte, rechtfertigte die Minderung nicht312.
Sonderrechtliche Diskriminierungen durchzogen auch das Handels- und Wirtschaftsrecht, so insbesondere im Hinblick auf das Namensrecht der Firmen, der Beschränkung des Erwerbs von Betrieben und Grundstücken durch Juden aufgrund der Ausschaltungsgesetze von 1938313.


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277 Sondergericht Stuttgart, zit. nach Steiniger] Les^aynski, Fall 3. Das Urteil im Juristenprozeß, 1969, Ziff. I,
S. 69, 637.
277a Zum Charakter des nationalsozialistischen Zivilrechts vgl. zusammenfassend Majer, a.a.O. (Anm. 19),
S. 685ff.; Grimm, a.a.O. (Anm. 232), S.46ff.
278 Z. B. das EheG vom 6.7.1983, RGB1. l, 807; TestamentG vom 31.7.1938,-RGB1.1, 973-. ReichserbhofG vom 29.9. 1933, RGBl. l, 685.
279 Vgl. J. W. Hedemann, Wert der Entwürfe - Arbeit am Volksgesetzbuch, Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht 1943, 3ff.
280 Vgl. insbes.. B. Rüthers, a.a.O. (Anm. 188).
281 Vgl. näher Ruthen, a.a.O. (Anm. 188), S. 170.
282 Näher P. Schaierdtner, Personen-, Persönlichkeitsschutz und Rechtsfähigkeit im Nationalsozialismus, ARSP Beiheft 18/1983, 82ff.
283 H. Weinkauff, Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus 1968, S. 133 mit Nachw.
284 Nachweise bei Majer, a.a.O. (Anm. 19), S. 690 und zu Diskriminierungsfällen in weiteren Rechtsgebieten S.690ff.
285 RGJW 1936, S.2529ff.
286 Vgl. Thilo Ramm, Das nationalsozialistische Familien- und Jugendrecht, 1984, S. 23, insbes. Anm. 72 mit zahlr. Nachw.
IKH
287 Nachw. bei Majer, a.a.O. (Anm. 19), S. 693ff.
288 RG 160, 146; OLG Celle DJ 1935, 573; weitere Nachweise bei Majer, a.a.O. (Anm. 19), S. 694f.
289 RGZ 145, S. 10f.; näher zu Eheanfechtungen vgl. Hans Wrobel. Die Anfechtung der Rassenmischehe. Diskriminierung und Entrechtung der Juden 1933-1945, in: Der Unrechtstaat H, Kritische Justiz, 1984, S. 99ff.
290 Näher Thilo Ramm, Das nationalsozialistische Familien- und Jugendrecht, a.a.O. (Anm. 286), S. 29ff.
291 LG Berlin JW 1934, 1516f.
292 KG Berlin JW 1936, 2562. o
293 Vgl. Majer, a.a.O. (Anm. 19), S. 697f.
294 LG Hamburg, zitiert nach K. Fraenkei, a.a.O. (Anm. 6), S. 82.
295 AG Frankfurt/Höchst DR 1937, S. 466.
296 AG Berlin Lichterfelde, Das Recht 1935, Nr. 8016.
297 AG Wüster JW 1938, 1264.
298 KG Berlin DJ 1935, 786f.; KG Berlin DR 1942 (A), 2564f.
299 KG Berlin DR 1942 (A), 2564f.
300 Vgl. näher Majer, a.a.O. (Anm. 19), S. 699f.
301 Vgl. näher Th. Ramm, Das nationalsozialistische Familien- und Jugendrecht, a.a.O. (Anm. 286), S. 43f.; die Diskriminierung galt insbesondere für Akademikerinnen, vgl. dazu Stefan Bajohr/Katbrin Rödiger-Bajohr, Die Diskriminierung der Juristinnen in Deutschland bis 1945, in: Der UnrechtstaatII, Kritische Justiz, 1984, S. 125f.
302 RGB1.1, 582.
303 RGB1.I, 722.
304 KG Berlin DJ 1941, 433f.
305 Vgl. AG Leipzig DJ 1936, 1579f.
306 Vgl. z. B. AG Charlottenburg, DR 1938, 512; ausführlich F. W. Adami, Das Kündigungsrecht wegen eines jüdischen Mieters, JW 1938, 3217ff. mit Nachw.
307 RGDR 1938, 512.
308 JW 1938, 3242.
309 AG Nürnberg JW 1938, 3243.
310 Hervorheb, d. Verf.
311 RGB1.I, 864.
312 HRR 1940, 430.
313 Im Einzelnen bei Majer a.a.O. (Anm. 19), S. 71 1 ff. belegt.
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