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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden

"Spurensuche nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung
"Systemkritik: Deutsche Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/

 
Jugendamt/Jugendhilfe und Hitlerjugend

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Gast
New PostErstellt: 27.07.07, 19:45  Betreff: Jugendamt/Jugendhilfe und Hitlerjugend  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Stadt Köln unterstützt die HJ bei der Errichtung ihrer Heime


Die Stadt Köln unterstützt die HJ bei der Errichtung ihrer Heime und der Erfassung von Jugendlichen in Arbeitslagern.

Die Stadt Köln hat bereits in den Jahren 1933 bis 1935 der HJ stadteigene Häuser und sonstige Räume zu Heimzwecken und zur Unterbringung von Dienststellen der HJ zur Verfügung gestellt. Soweit keine Räume als Eigenheime überlassen werden konnten, wurden Schulräume in Anspruch genommen. Durch Überlassung von Grundstücken und Baukostenzuschüssen konnten seitens der Stadt im Rahmen der Heimbeschaffungsaktion des Oberpräsidenten bereits drei neue Jugendheime fertig gestellt werden. Vier weitere stehen unmittelbar vor dem Baubeginn. Darüber hinaus hat die Stadtverwaltung durch Umbau geeigneter Objekte ebenfalls Heimräume geschaffen. Weiter hat das Jugendamt bei der Einrichtung verschiedener Führerschulen mitgeholfen. Die schulentlassenen arbeitslosen Jugendlichen werden von der Hitlerjugend erfasst, die sie in Arbeitslagern unterbringt. Das erste Lager wurde in dem ehemaligen Gaswerk Köln-Ehrenfeld geschaffen und mit verschiedenen Werkstätten eingerichtet. [...] Im vergangenen Jahr wurden in Köln-Deutz und Köln-Westhoven weitere Lager dieser Art vom Jugendamt eingerichtet und in Betrieb genommen.

http://www.museenkoeln.de/ausstellungen/nsd_0404_edelweiss/db_inhalt.asp?C=207
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Gast
New PostErstellt: 27.07.07, 19:46  Betreff: Re: Jugendamt/Jugendhilfe und Hitlerjugend  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

SS bekämpft oppositionelle Jugendgruppen


Das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) der Schutzstaffel (SS) gibt Ende Oktober 1944 Anweisungen heraus, wie seiner Ansicht nach oppositionelle Jugendgruppen auftreten und wie sie zu bekämpfen seien. Der Bericht lehnt sich an ein Schreiben des Reichsjustizministeriums vom Anfang des Jahres 1944 an.

Gerade in größeren Städten hätten sich in letzter Zeit verstärkt Cliquen von Jugendlichen gebildet. Sie seien "kriminell-asozialer" oder "politisch-oppositioneller" Art und nach Meinung der SS verstärkt zu überwachen, gerade im Hinblick darauf, dass viele HJ-Führer, Väter und Erzieher momentan im Krieg seien.

Gegen die Jugendgruppen will das RSHA gemeinsam mit der Hitlerjugend, der Justiz und dem Jugendamt vorgehen. In einem ausführlichen Bericht beschreibt sie "Art und Auftreten der Cliquen":

Die Jugendgruppen würden "nach bestimmten mit der nationalsozialistischen Weltanschauung nicht zu vereinbarenden Grundsätzen ein Sonderleben führen". Ein gemeinsamer Nenner sei die Ablehnung der Hitlerjugend und der "mangelnde Wille, sich den Erfordernissen des Krieges anzupassen".

(Eigen-)Bezeichnungen der Jugendlichen seien Namen wie Edelweißpiraten, Meute, Schlurf oder Blase. Eine feste Organisation kann das RSHA jedoch nicht entdecken und eher von einem losen Zusammenschluss. In manchen Fällen würden Erkennungszeichen wie Edelweißabzeichen, Totenkopfringe oder farbige Nadeln getragen werden. Die Cliquen haben feste Treffpunkte und gehen gemeinsam auf Fahrt. Auch zwischen den Gruppen gäbe es gelegentlich freundschaftliche aber auch feindschaftliche Verbindungen.

Solche Cliquen fänden sich durch "gemeinsame Zugehörigkeit zu einem Betrieb, einer Schule oder einer Organisation oder durch Wohnen im gleichen Bezirk" zusammen. Zuerst möglicherweise harmlos, spricht die SS den Gruppen eine wahrscheinlich "bedrohliche Entwicklung" zu, manchmal auch durch den Einfluss eines einzelnen.

Es gäbe drei Grundhaltungen, die Cliquen annehmen könnten. Meistens käme es zu Überlappungen:

Zum einen gäbe es "kriminell-asoziale" Gruppen. Es ist eine bei den Nationalsozialisten häufig genutzte Diffamierungsart von Jugendlichen, sie als "Kriminelle" und "Asoziale" zu bezeichnen. Oftmals äußere sich die "Kriminalität" in - meist kriegsbedingten - "gemeinsamen Diebstählen", Raufereien (mit der HJ) und "Sittlichkeitsdelikten". Damit ist sexueller Kontakt zwischen Jungen und Mädchen, aber auch gleichgeschlechtlicher Kontakt gemeint. Homosexuelle - ob der Vorwurf nun richtig war oder nicht - werden im Dritten Reich hart verfolgt. Grund genug für die Nazis, gegen die Jugendlichen vorzugehen, sehen sie darin doch eine "allgemeine charakterliche und sittliche Verwahrlosung".

Gruppen mit "politisch-oppositioneller" Einstellung wird eine "staatsfeindliche Haltung" zugeschrieben. Sie seien negativ gegen die Hitlerjugend eingestellt, würden Überfälle gegen sie organisieren, ausländische Rundfunksender abhören und sich in verbotenen (bündischen) Gruppen organisieren. Um sich zu tarnen oder um zersetzend zu wirken, würden diese Jugendliche oft in Parteiorganisationen eintreten.

Zum dritten gäbe es Cliquen mit "liberalistisch-individualistischer Einstellung". Diese Jugendlichen hören und tanzen zu im Dritten Reich verbotener Musik wie Jazz und Swing. Sie zeigen eine "Vorliebe für englische Ideale, Sprache, Haltung und Kleidung (englisch-lässig)". Nach Einschätzung des RSHA kämen die Jugendlichen aus dem gehobenen Mittelstand und wollen sich ihre eigenen, vom NS beschnittenen Freiheiten bewahren. Da sie bald mit Zwängen wie Hitlerjugend und Wehrdienst konfrontiert wurden, könne es zu einer "staatsfeindlichen" Haltung kommen.

Die Mitglieder von diesen Gruppen unterscheidet der Bericht in "Anführer, aktive Teilnehmer und Mitläufer". Die Anführer seien oft "Erwachsene oder Ausländer, die durch besondere Intelligenz, Initiative oder Rohheit hervortreten." Angeblich entstammen sie oftmals aus oppositionellen Kreisen oder seien als "Kriminelle" in Erscheinung getreten. Auch die übrigen Angehörigen seien zum Teil "kriminell vorbelastet oder entstammten ungeordneten Familienverhältnissen". Es gäbe aber auch Jugendliche aus "ordentlichen Familien", in denen die Eltern die Aufsichtspflicht vernachlässigt hätten. Diese Jugendlichen sieht der Bericht als fehlgeleitet an.

Die Gruppen haben oftmals eine eigene Kluft und eigene Spitznamen. Durch die ungeregelten Verhältnisse im Krieg üben sie nach Ansicht des RSHA eine noch stärkere Attraktivität auf Jugendliche aus.

Zur Bekämpfung dieser Jugendgruppen schlägt der RSHA-Bericht verschiedene Maßnahmen und Richtlinien vor:

Zuständig für die Bekämpfung von Jugendkriminalität sei das Reichskriminalpolizeiamt, bzw. der örtlichen Kriminalpolizei. Gibt es einen politischen oder staatsfeindlichen Verdacht, trete die Gestapo in Aktion.

Das RSHA stellt fest: "Überwachung und Bekämpfung der Cliquen sind kriegswichtig." Somit hat die Verfolgung der Jugendlichen eine hohe Priorität und alle Stellen, die sich mit Jugend beschäftigten, sollen eng zusammenarbeiten.

Sobald eine Jugendgruppe entdeckt wird, sollen polizeiliche Maßnahmen in Zusammenhang mit dem Sicherheitsdienst (SD) der SS erfolgen. Dabei solle aber darauf geachtet werden, dass genügend Informationen vorhanden seien, um alle Mitglieder der Gruppe zu verfolgen. Gruppenbildung soll im Keim erstickt werden. Das RSHA befürwortet "energisches Durchgreifen", was gerade in der letzten Phase des Krieges offener Terror gegen die Verfolgten bedeutet. So werden beispielsweise nur etwa zwei Wochen später, am 10. November 1944, in Köln-Ehrenfeld 13 Menschen öffentlich gehängt, darunter jugendliche Edelweißpiraten zwischen 16 und 18 Jahren.

Es sei bei der Bekämpfung der Jugendgruppen nicht zentral, "einzelne strafbare Handlungen aufzuklären, sondern vor allem Feststellungen über die Cliquenbildung selbst zu treffen". Dazu gehören neben den Mitgliedern die Verbindung zu anderen Cliquen, die Treffpunkte, Ziele und Aktivitäten.

Es sollen Versuche gemacht werden, die Jugendlichen wieder in die "Volksgemeinschaft" und die Staatsjugend zu integrieren. Darum sei auch die "innere Einstellung der Cliquenangehörigen zu erforschen", um abzuschätzen, welche Maßnahmen anzuwenden seien. Bei jugendlichen Mitläufern würden "erzieherische Maßnahmen den erstrebten Erfolg am besten gewährleisten, besonders dann, wenn es sich um im Grunde noch ordentliche Jugendliche handelt." Ihr Wille zur Integration sei mit "einer kurzfristigen Freiheitsentziehung zu wecken". Gegen Anführer oder aktive Teilnehmer soll jedoch hart durchgegriffen werden: "Ihre sofortige Entfernung aus der Öffentlichkeit wird in der Regel erforderlich sein". Das bedeutet Gefängnis oder aber auch KZ.

Ein regelmäßiger Streifendienst der Polizei scheint der SS am besten geeignet, die Gruppenbildung vorbeugend zu bekämpfen. Zur Verstärkung dient der Streifendienst der HJ (SRD). Zusätzlich dazu sollen Wehrmachtsstreifen eingesetzt werden, um Mädchen in Begleitung von Wehrmachtssoldaten zu kontrollieren.

Die Eltern sollen über die aufgegriffenen Jugendlichen durch uniformierte HJ-Kuriere informiert und gezwungen werden, ihre Kinder persönlich abzuholen.

Der Bericht, der an die verschiedensten Stellen geht, zeigt, wie ernst der NS-Staat die Zusammenschlüsse unangepasster Jugendlicher nahm und mit welcher Härte er gegen sie vorging.


http://www.museenkoeln.de/ausstellungen/nsd_0404_edelweiss/db_inhalt.asp?C=413
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Gast
New PostErstellt: 27.07.07, 19:46  Betreff: Re: Jugendamt/Jugendhilfe und Hitlerjugend  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

6. Jugendhilfe im NS-Staat
6.1 Der NS-Staat und das RJWG
In der Zeit des deutschen Faschismus erfolgte eine tiefgreifende Umstrukturierung der Jugendhilfe. Dies geschah weniger über einschneidende Gesetzesänderungen als vielmehr über den Weg einer "großzügigen" Interpretation und einer ausgedehnten Nutzung der nach dem RJWG gegebenen Möglichkeiten. Die Organisation des Jugendamtes wurde allerdings 1939 durch ein Gesetz dahingehend geändert, daß statt der kollegialen Leitung die Geschäftsführung dem Bürgermeister bzw. Landrat übertragen wurde. Im übrigen sollten die rechtlichen Bestimmungen des RJWG so ausgelegt werden, daß damit eine "Erziehung im nationalsozialistischen Sinne" gesichert werden konnte. Die damit gemeinten Erziehungsziele kommen deutlich zum Ausdruck im � 1 der 1939 erlassenen "Verordnung über Jugendwohlfahrt in den Sudetendeutschen Gebieten", in der - abweichend vom � 1 RJWG - formuliert wird:
"Die Erziehung der Jugend im nationalsozialistischen Staat ist Erziehung zur deutschen Volksgemeinschaft. Ziel der Erziehung ist der körperlich und seelisch gesunde, sittlich gefestigte, geistig entwickelte, beruflich tüchtige deutsche Mensch, der rassebewußt in Blut und Boden wurzelt und Volk und Reich verpflichtet und verbunden ist. Jedes deutsche Kind soll in diesem Sinne zu einem verantwortungsbewußten Glied der deutschen Volksgemeinschaft erzogen werden".
Um in der Praxis der Jugendhilfe diesen neuen Erziehungszielen zum Durchbruch zu verhelfen, werden ab 1933 durch entsprechende Erlasse und Verordnungen, durch Parteianweisungen und Auf- bzw. Ausbau eigener Organisationen die Grundlagen geschaffen.

6.2 Die NSV-Jugendhilfe
Die im April 1933 als Verein gegründete Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) wird noch im gleichen Jahr als ein der NSDAP angeschlossener Verein anerkannt. nach Auftrag und Aufgabenstellung betrachtet sich die NSV als zuständig "für alle Fragen der Volkswohlfahrt und der Fürsorge"[17] Ihren Zugriff kann die NSV auf mehreren Ebenen ausgestalten:
  • Als Teil der NSDAP kann die NSV sich auf die Macht, den Einfluß und die Angst vor Sanktionen der NS-Partei stützen;
  • ein amtlicher Auftrag und Handlungsspielraum erwächst der NSV aus der vom Reichsinnenministerium 1934 vorgenommenen übertragungen des "Hilfswerks Mutter und Kind";
  • schließlich kommen auch die RJWG verankerten Sicherungen zugunsten der privaten und konfessionellen Verb ände jetzt voll der NSV zugute, die über dieses Privileg große Teile der Jugendfürsorge von den Jugendämtern übernehmen kann.
"Mit dem einfachen Mittel der Übertragung von Aufgaben der Jugendämter nach � 11 RJWG und gestützt auf einen Runderlaß von 1941 über die 'Übertragung von Geschäften des Jugendamtes auf die NSV-Jugendhilfe' gelang es der NSV, in weiten, vor allem ländlichen Gebieten des Reiches die Jugendämter auf die sogenannten hoheitlichen Aufgaben, insbesondere der Amtsvormundschaft und die Sorge für 'minderwertige', weniger 'wertvolle' Kinder und Jugendliche zurückzudrängen"[18]
Diese privilegierte Stellung der NSV kommt auch in deren - selbstbewußt vorgetragenen - Selbstverständnis zum Ausdruck:
"Da die NS- Volkswohlfahrt sich grundsätzlich für die Besserung von Erbgut, Rasse, Gesundung und Leistungssteigerung einsetzt, enthält sie sich aller darüber hinausgehenden rein karitativen Aufgaben, die den drei anderen Verbänden, der Caritas, der Inneren Mission und dem Roten Kreuz, im Rahmen der Reichsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege vorbehalten bleiben sollen. Unsere Aufgabe als Parteidienststelle der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei ist die Mitarbeit an der Verwirklichung unseres Parteiprogrammes. Deshalb können und dürfen wir uns mit rassisch und erbbiologisch minderwertigem Menschenmaterial nicht befassen, sondern werden diese Aufgaben (...) den rein karitativen Verbänden überlassen" [19]
Auf dem Hintergrund dieser Selektionsprinzipien differenziert denn auch die Jugendfürsorge im NS-Staat nach:
  • erbgesunden, normal begabten, lediglich erziehungsgef ährdeten Kindern und Jugendlichen,
  • stärker gefährdeten, erbminderwertigen, schwererziehbaren, potentiell aber noch resozialisierbaren Kindern und Jugendlichen,
  • schwersterziehbaren, anlage- oder charakterbedingt kaum noch besserungsfähigen Jugendliche.
Für die zuerst genannte Gruppe schafft die NSV kleine, familien ähnlich strukturierte offene Heime mit Verbindung zur HJ. Die Form der Erziehung wird, als Erziehungsfürsorge bezeichnet, deutlich von der klassischen Fürsorgeerziehung abgegrenzt. Für die Arbeit mit dieser Gruppe sollte der Grundsatz gelten, "daß kein Mittel zu teuer und kein menschlich-pers önlicher Einsatz zu wertvoll sein dürfe, um diese Jugend der Volksgemeinschaft als wertvolle Glieder zuzuführen"[20]
Bei der zweiten Gruppe von Kindern und Jugendlichen, denen aufgrund erblicher Minderausstattung nur noch eine "bescheidene, bedingte Erziehungsfähigkeit" zugesprochen wird, bleibt es in der Regel bei der Anordnung von Fürsorgeerziehung (FE), die - vor allem bezogen auf "erbkranke Jugend" - noch überwiegend in konfessionellen Anstalten durchgeführt wird.
Für die zuletzt genannte Gruppe der schwersterziehbaren Jugendlichen werden ab 1940 besondere "polizeiliche Jugendschutzlager" eingeführt.
In diesen "Schutzlagern" wird: "mit militärischem Drill und hartem Zwang und ohne jede rechtliche Sicherung des jungen Menschen eine Dauerunterbringung ähnlich der in Konzentrationslagern durchgeführt. Das angeblich 'durchweg sehr schlechte Menschenmaterial' wird typenmäßig gesichtet und in Blöcke für Untaugliche, charakterlich Abartige, Dauerversager, Gelegenheitsversager, fraglich Erziehungsfähige und Erziehungsfähige aufgeteilt. Eine Entlassung aus diesen Zwangslagern für über 16jährige Jugendliche ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Bei endgültig festgestellter Unerziehbarkeit erfolgt mit der Volljährigkeit - spätestens mit 25 Jahren -
Überführung in ein Arbeitshaus oder ein Konzentrationslager, also eine endgültige Ausstoßung aus der Volksgemeinschaft" [21]

6.3 Die "Hitler-Jugend"
Hat sich die Ausrichtung der Wohlfahrtsorganisationen an nationalsozialistischen Zielsetzungen allmählich - und nie ganz vollständig - vollzogen, so erfolgte die Eingliederung der Jugendarbeit und der Jugendpflege in den NS-Staat und deren Instrumentalisierung für die Durchsetzung nationalsozialistischer Erziehungsziele bereits wenige Monate nach der Machtergreifung. Wichtige Entwicklungsstufen sind hier: die Ernennung von Schirachs zum Reichsjugendführer im Juli 1933, die Auflösung des Reichsausschusses der deutschen Jugendverbände und dessen Ersetzung durch einen F<\|>hrerrat (1933), Verbot der sozialistischen, kommunistischen und gewerkschaftlichen Jugendorganisationen und massive Beschränkungen der Arbeit konfessioneller Jugendverbände, die Ende 1933 vollzogene Überführung der evangelischen Jugendverbände in die Hitlerjugend[22], die Stärkung der Stellung der Hitler-Jugend gegenüber Jugendamt, Schule und anderen öffentlichen Institutionen bis schließlich zum 1936 erlassenen "Gesetz über die Hitlerjugend". Dieses Gesetz sichert der HJ in Verbindung mit der in einer zweiten "Durchführungs- verordnung" zum Gesetz über die Hitlerjugend vom 25. März 1939" erlassenen "Jugenddienstpflicht" aller 10- bis 18jährigen einen außerordentlichen großen Einfluß auf die Jugendlichen.
Darüber hinaus wurde der Hitler-Jugend durch verschiedene Disziplinarordnungen von 1936 bis 1943 eine eigene Gerichtsbarkeit und ein eigenes Disziplinarstrafrecht - bis hin zum zehntägigen Jugenddienstarrest - zugestanden.
Die HJ, die sich vom "Jugendbund der NSDAP" über eine Angliederung an die SA (1926) zur Parteigliederung entwickelte (1935), übernahm damit sowohl Aufgaben, die dem Bereich der staatlichen Jugendpflege - und darüber hinaus: der öffentlichen Erziehung - zuzurechnen sind, wie auch solche, die typischerweise Aufgabe und Gegenstand von Jugendverbandsarbeit darstellen. Diese Doppelrolle zwischen Partei und Staat schlug sich auch im organisatiorischen Aufbau der HJ und in den dieser Organisation zugeschriebenen Kompetenzen nieder. Der HJ wurde damit im Ergebnis sowohl politisch wie rechtlich eine Monopolstellung im Bereich der Jugendarbeit eingeräumt.
Mit der HJ, die 1939 rund 8 Millionen Mitglieder, d.h. mehr als 90 % der Zehn- bis Achtzehnjährigen, umfaßte, sollte - im Zusammenspiel mit anderen von den Nationalsozialisten geschaffenen Organisationen - die umfassende Indienstnahme und Indoktrination der nachwachsenden Generation gelingen. So heißt es unverhüllt in einer Hitler-Rede von 1938, daß schon die Zehnjährigen vom Jungvolk erfaßt werden sollten.

http://www.student-online.net/Publikationen/313/
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New PostErstellt: 28.07.07, 09:17  Betreff: Re: Jugendamt/Jugendhilfe und Hitlerjugend  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Nach dem „Festschreibungserlass“ vom 17. Oktober 1939 lebte die damals fünf Jahre alte Angela Reinhardt mit ihren Eltern auf der Flucht in den Wäldern der Schwäbischen Alb. Ihr Vater hatte vorausgesehen, dass die erzwungene Registrierung die Sinti ihren Verfolgern ausliefern würde; das Auseinanderreißen der Familien und die Einweisung in Konzentrationslager wollte er den Seinen ersparen. Im Frühjahr 1940 wird die Familie von der Polizei verhaftet; auf dem Gesundheitsamt in Hechingen erstellt die „Zigeunerforscherin“ Eva Justin ein „Rassegutachten“. Noch einmal gelingt der Familie, der Vater ist inzwischen zur Zwangsarbeit im Straßenbau verpflichtet, die Flucht in die Wälder. Dort erfährt der Vater – es gibt einen Briefkasten in einer Baumhöhle, mit dem sich die im Versteck lebenden Sinti Nachrichten zu kommen lassen –, dass Angela von ihrer leiblichen Mutter, einer Deutschen, polizeilich gesucht wird.

Von da an lebte Angela in ständiger Angst: sie war es, die ihren Eltern weggenommen werden sollte, sie war es, auf die Jagd gemacht wurde. In der Nähe von Burladingen schließlich wurden die Reinhardts verhaftet: Während die Polizei Vater, „Herzensmutter“ und alle anderen Sinti abtransportierte, wurde Angela ihrer leiblichen Mutter übergeben. An Friedrichshafen, wo Erna Schwarz lebt, kann und will sich Angela nicht gewöhnen – nicht an die fremde Frau, nicht an die Schule, sie verweigert das Essen. Schließlich schaltet sich das Jugendamt ein. Sie kommt zunächst in ein katholisches Heim nach Leutkirch, wo sie sich nach und nach wohler fühlt. Doch die Sachbearbeiter im Stuttgarter Jugendamt hatten inzwischen das „Rassegutachten“ der Eva Justin auf dem Tisch und verfügten, dass Angela als „Zigeunermischling“ in die St. Josefspflege in Mulfingen eingewiesen wurde. Die St. Josefspflege war zu diesem Zeitpunkt Sammellager für alle württembergischen Sinti-Kinder, deren Eltern in Konzentrationslager deportiert worden waren und die nun als „Waisen“ galten. Angela war eine Ausnahme: sie hieß nun Angela Schwarz nach ihrer deutschen Mutter. Eines Tages erschien Eva Justin, die „Rote Frau“, in Mulfingen; für ihre Doktorarbeit führte sie rassistische Verhaltensexperimente durch.

Nach Abschluss dieser Experimente werden ihre Versuchsobjekte nicht mehr benötigt und im Mai 1944 zur Vernichtung nach Auschwitz gebracht. Es heißt, es geht auf einen „Ausflug“. Angela gehört nicht zu diesem Transport: „Meine Rettung verdanke ich einzig und alleine Schwester Agneta. Bis heute weiß ich nicht, warum ihre Wahl auf mich gefallen ist. Warum ausgerechnet ich? ... Ich wäre selbst so gerne mit gefahren ... Aber Schwester Agneta hat mich gesehen und hat mir gleich eine Ohrfeige gegeben. ‚Du gehörst nicht dazu!’, hat sie zu mir gesagt, ‚Sofort rauf in den Schlafsaal, in dein Bett, und lass dich ja nicht mehr blicken!’“ Schwester Agneta bringt Angela, nun zehn Jahre alt, zurück zu ihrer deutschen Mutter nach Friedrichshafen. Zwar ist die Mutter keine Anhängerin des Nationalsozialismus – sie hilft russischen Kriegsgefangenen –, doch wieder gibt es Konflikte u.a. mit einem Nazi-Lehrer und Angela kommt in ein Heim nach Donzdorf. Nach der Befreiung hört sie, dass „irgendwo am Bodensee Zigeuner leben“; sie verlässt heimlich das Heim, geht nach Friedrichshafen, arbeitet in einer Fabrik, macht sich mit einem Foto auf die Suche nach ihrem Vater. Wie durch ein Wunder findet sie ihn und die „Herzensmutter“.

Michail Krausnick: Auf Wiedersehen im Himmel. Die Geschichte der Angela Reinhardt. Würzburg: Arena, 2005

http://www.studienkreis-widerstand-1933-45.de/archiv/xxbuch/bb063.html
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New PostErstellt: 28.07.07, 09:18  Betreff: Re: Jugendamt/Jugendhilfe und Hitlerjugend  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Jugendfürsorge in Frankfurt/Main

Die Geschichte des Jugendamtes der Stadt Frankfurt/Main wird von Harry Hubert in einer umfangreichen Dokumentation dargestellt: Band 1 umfasst die Anfänge bis 1945; Band 2, der noch nicht erschienen ist, die Geschichte nach 1945 bis zur Gegenwart. Der Autor hat für seine Dissertation neben umfangreicher Literatur insbesondere Akten des Jugendamtes, des Wohlfahrtsamtes, des Fürsorgeamtes und die diesbezüglichen Magistratsberichte der Stadt Frankfurt ausgewertet.

Mit der Reichsgründung 1871 veränderte sich auch der Umgang mit Kindern und Jugendlichen, die Unterstützung durch die Gesellschaft benötigten: vom Almosenwesen zur Armenordnung; einer mehr oder weniger staatlichen Regelung des Umgangs. Ziel war immer die „Erziehung zur Arbeit“.

Im Jahr 1914 wurde das Frankfurter Jugendamt gegründet, bereits 1908 das Frankfurter Jugendgericht. Die Auseinandersetzung spiegelte sich in Begriffen wie „Erziehung statt Strafe“ bzw. das Jugendamt als verlängerter Arm der Staatsanwaltschaft. Die Kriegsjahre bis 1918 erschwerten dann die vielfältigen Aufgaben von Armenunterstützung, Unterbringung von Waisenkindern, Pflegekindern, Unterstützung für obdachlose bzw. wandernde Jugendliche, Umgang mit straffällig gewordenen Kindern und Jugendlichen etc.; einerseits erhöhte sich die Anzahl der zu betreuenden Kinder/Jugendlichen massiv, andererseits herrschte Geld- und Arbeitskräftemangel. In der Weimarer Republik fand die gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung um fortschrittliche, demokratische Bestrebungen gerade auch im Bereich der Jugendfürsorge ihren Niederschlag. So führten skandalöse Zustände in Fürsorgeerziehungsheimen zu Revolten in einigen Heimen und stellten den Sinn von Heimerziehung grundsätzlich in Frage. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang die Entstehungsgeschichte des Hauses der Jugend, heute noch große Jugendherberge in Frankfurt. Dieses entstand durch vielfältige jahrelange Initiativen von Jugendorganisationen aus Parteien, Kirchen und Sportvereinen. Die Eröffnungsfeier 1930 wurde von HJ-Mitgliedern massiv gestört, die als einzige nicht an diesem Zusammenschluss beteiligt gewesen waren.

Die Wirtschaftskrise und die Machtübernahme der Faschisten machten aber bald alle fortschrittlichen (von denen es wenige gab) Ansätze zunichte. Die gesamte Jugend wurde zur Staatsjugend erklärt. Mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ ging ab dem Frühjahr 1933 die Entlassung vieler Beamtinnen aus politischen Gründen einher; Hinweise zu jüdischen Mitarbeiterinnen fehlen. Die Hitler-Jugend (HJ) wurde zur alleinigen Trägerin von außerfamiliärer und außerschulischer Erziehung ernannt. In den Magistratsberichten der Stadt Frankfurt wurde bald die „erfreuliche Zusammenarbeit“ von Jugendamt und HJ auf dem Gebiet der Gefährdeten- und Heilfürsorge und im Bereich der Jugendpflege hervorgehoben. Die Träger der freien Wohlfahrtspflege kooperierten auf allen Gebieten mit der NSVolkswohlfahrt. Die meisten Mitarbeiter/innen des Frankfurter Jugendamtes akzeptierten die eugenischen und rassenhygienischen Deutungsmuster. Es gab z.B. Diskussionen um die Beschulungspflicht von Sinti- und Romakinder, wobei die Tendenz eindeutig in Richtung „Endlösung der Zigeunerfrage“ ging. Bereits 1933 wurden „Erbkarteien“ im Gesundheitsamt angelegt. Es sollten für die Erziehung von „Bastarden, Zigeuner- und Judenkinder“ keine öffentliche Mittel mehr ausgegeben werden.

Gerade auch das Frankfurter Fürsorge- und Jugendamt kann mit Götz Aly als „Gehilfe und konstruktiver Mitorganisator“ des Faschismus bezeichnet werden. Dies weist Harry Hubert mit den vorliegenden Quellen eindeutig nach. Ein Widerspruch gegen nationalsozialistische Politik lässt sich nicht finden.

Das vorliegende Buch umfasst neben umfangreichen historischen Dokumenten auch Kurzbiografien einzelner im Bereich der Jugendfürsorge tätigen Personen in leitenden Funktionen, z.B. Stadtrat Dr. med. Werner Fischer- Defoy, ab 1924 zum Stadtmedizinalrat befördert, ab 1929 Mitglied der NSDAP und als „alter Kämpfer“ 1933 zum Stadtrat ernannt. Bis 1945 war er zuständig für Stadtgesundheitsamt, Fürsorgeamt und damit auch Jugendamt. 1945 wurde er auf Befehl der US-Militärregierung seines Amtes enthoben und 1948 von der Hauptspruchkammer Frankfurt nur als „Mitläufer“ verurteilt. Allein aufgrund seines Alters wurde seinem Antrag auf Wiedereinstellung in den städtischen Dienst nach 1945 nicht entsprochen.

Das Hauptanliegen des Autors ist die zeitgeschichtliche Dokumentation; allerdings lässt er die Quellen oft für sich selbst sprechen. Ich hätte mir etwas mehr Interpretation und Bewertung gewünscht; angesichts der Quellenmenge fällt einer historisch nicht ausgebildeten Leserin wie mir die Auswertung doch oft schwer. Das Buch ist ein Nachschlagewerk; aber es bietet auch viele interessante Aspekte zur Stadtgeschichte in Frankfurt.

Harry Hubert: Jugendfürsorge, Jugendwohlfahrt und Jugendhilfe. Zur Geschichte des Jugendamtes der Stadt Frankfurt am Main. Band 1: Von den Anfängen bis 1945 Frankfurt am Main: Fachhochschulverlag, 2005
Doris Seekamp

http://www.studienkreis-widerstand-1933-45.de/archiv/xxbuch/bb063.html
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New PostErstellt: 28.07.07, 09:25  Betreff: Re: Jugendamt/Jugendhilfe und Hitlerjugend  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Kersten, Otto: Schule und Lehrer in der behördlichen Jugendarbeit :
vorab erscheinender Sonderdruck mit Bibliographie aus "Behördliche
Jugendarbeit, ein Wegweiser für wechselseitiges Verstehen und Zusammenarbeit
in der Praxis" / von Otto Kersten. - Berlin: Schmidt,
1940, - 170 S.
(Handbuch der behördlichen Jugendarbeit : Sonderdruck ; 1)
Jugendamt ; Jugendarbeit ; Kooperation ; Schule ; Berufsschule ; Erziehungsschwierigkeit
; Erziehungsberatung ; Lernbehindertenschule ;
Schiffer ; Kind ; Lehrer ; Erziehungsauftrag ; Behinderung ; Verhaltensstörung
; Sterilisierung ; Auslese ; Hitler-Jugend
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New PostErstellt: 28.07.07, 09:51  Betreff: Re: Jugendamt/Jugendhilfe und Hitlerjugend  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Jugendkonzentrationslager
Beinah vergessene Geschichte

"Wir hatten noch gar nicht angefangen zu leben"

- dies ist der Titel einer Wanderausstellung über Jugendkonzentrationslager, die im Frühjahr 2006 in der Volkshochschule Favoriten in Wien zu sehen war.

Ein entscheidendes Merkmal, das den deutschen vom italienischen oder spanischen Faschismus unterscheidet, ist nach dem britischen Historiker Laurence Reese die Tatsache, dass vieles eben nicht genau geregelt oder vorgegeben wurde, um dann im Wildwuchs des Gehorsams gegenüber dem Regime umso schrecklichere Wirkung zu entfalten. Auch im Umgang mit Jugendlichen bestand dadurch breiter Handlungsspielraum, der je nach der Haltung ihnen gegenüber genutzt wurde. Da nach Kriminalpolizei und Jugendämtern bald auch Vormundschaftsrichter, Gefängnisse, Justizstellen und sogar HJ-Gebietsstellen die Haft im Jugend-KZ beantragen konnten, war dies ein beliebtes Mittel, Mißliebige loszuwerden. Guse zeigt als Beispiel eine Stellungnahme des Jugendamtes Kattowitz von 1943 zum Antrag auf Unterbringung der 19jährigen R.J. in Uckermark.

Als das Mädchen vier Jahre alt war, trennten sich die Eltern; da die Mutter arbeitete, war das Mädchen bei den Großeltern und dann in einem Pensionat. Nach der Schule lebte sie wieder bei der inzwischen wieder verheirateten Mutter und besuchte 1940 Haushaltungsschulen, konnte sich aber "an die herrschende Zucht und Ordnung" nicht "gewöhnen". Auf ihrer Pflichtjahrstelle benahm sie sich 1941 "in jeder Beziehung ungehörig", bestahl die Familie und "rückte nach 14 Tagen aus". Nach 3 Tagen Herumtreiben ging sie zu ihrer Mutter, die sie jedoch ebenfalls bestahl. Als sie von der Mutter in der Wohnung eingeschlossen wurde, brach sie die Tür auf, nahm eine Sparbüchse und Kleidung mit und machte sich davon. Sie wurde in Trier aufgegriffen, nachdem sie ihren "angeblichen Bräutigam", einen Soldaten, von dem sie schwanger sein soll, besucht und ebenfalls bestohlen hatte.

Zunächst wurde sie in ein Erziehungsheim eingewiesen, in dem sie sich äußerlich angepasst verhielt. Dennoch wurde das "Gesuch der Mutter auf Beurlaubung" der Tochter im November 1942 abgelehnt, da das Mädchen "charakterlich noch sehr ungefestigt war". Anfang 1943 durfte sie zu ihrer Mutter, wurde aber im Mai "wegen Herumtreibens" festgenommen und "dem Arbeitsamt zum Arbeitseinsatz zugeführt". Bald floh unter Entwendung von Schuhen und Schmuck aus dem Elternhaus und ist, als das Jugendamt sie beurteilt, "unbekannten Aufenthalts". Da das Mädchen bei Volljährigkeit ohnehin nicht mehr in die Agenden der Fürsorge fällt, wird sie sofort aus deren Obhut entlassen und soll nach Uckermark eingewiesen werden. Bei der 1928 geborenen B.J. beantragt der Direktor der Jugendpsychiatrischen Klinik Loben, in der das Mädchen "zur Beobachtung" ist, im Oktober 1944 die Überstellung nach Uckermark.

er Vater des Mädchens ist in der Wehrmacht, aber Trinker und wegen Hehlerei vorbestraft. Die Mutter "hat ein uneheliches Kind" und soll "einen schlechten Leumund" haben. Das Mädchen wird als "erzieherischen Einflüssen nicht zugängig" beschrieben und "wurde wegen Lügenhaftigkeit, Hang zum Herumstreunen und geschlechtlichen Ausschweifungen" im September 1943 der Fürsorge überwiesen und schließlich in einem Heim untergebracht. In der Jugendpsychiatrie soll sie "patzig, frech, trotzig" sein und sich von der Gemeinschaft zurückziehen und versuche nur, auf "jede mögliche Weise" mit größeren Jungen in Kontakt zu treten. Sie sei "außerordentlich geltungsbedürftig und putzsüchtig" und würde am liebsten den ganzen Tag im Bett liegen und ihre Locken wickeln. Es handle sich um einen "unsozialen Charakter mit oberflächlichem Gefühlsleben" und eine "Zwecklügnerin", ein faules Mädchen, das andere am liebsten ärgert und "keinerlei Bindung an die Gemeinschaft" zeige. Lediglich ihre Intelligenz wird nicht abschließend beurteilt, das manches an mangelnder schulischer Bildung liegen könnte, was ebenfalls negativ auffällt.

B.J. bekam auch vom Heim "Zum guten Hirten" in Breslau, wo sie zuvor war, "moralische und ethische Minderwertigkeit" und "psychopathische Züge" aus Beurteilung mit auf den Weg. Für viele war Uckermark die letzte Station ihres Lebens, wie vermutlich auch für Amalie B. aus München, die wegen zweier Diebstähle vorbestraft war und nach einem Aufenthalt in der Fürsorgeerziehung wieder etwas klaute. Diesmal wurde sie wegen "fortgesetzten Diebstahls" zu Gefängnis unbestimmter Dauer verurteilt, doch 1942 beantragte das Jugendamt München die Unterbringung im "Jugendschutzlager". Amalie entstamme "ungünstigen Familienverhältnissen", da ihre Eltern vorbestraft seien und ihre "verbrecherische Neigung" daher "auf Erbanlagen" beruhe. Bis zur Teilauflösung des Lagers im Jänner 1945 blieb Amalie in Uckermark. Ihre Name ist auch auf der Liste mit 211 Frauen, die nach Ravensbrück überstellt wurden, doch dann verliert sich ihre Spur.

Besonders bedrohlich war die NS-"Fürsorge" für jene Mädchen, die dem Ideal der "deutschen Frau und Mutter" nicht entsprechen wollten. Schon vorher war "sexuelle Verwahrlosung" ein Begriff, der sich gegen Mädchen wandte, und nun kam "moralischer Schwachsinn" dazu, was Prostitution oder wechselnde Sexualpartner meinte. Da konnte es dann ganz schnell gehen, wie das Schicksal von Franziska B., geboren 1924, zeigt: Sie wurde 1943 aus der Fürsorgeerziehung entlassen und arbeitete bei wechselnden Dienstherrinnen als Hausangestellte. Schließlich bekam sie eine Vorstrafe wegen Diebstahls und fiel dem Jugendamt wegen einer Geschlechtskrankheit auf. Ermittlungen ergaben, dass sie "wechselnden Männerverkehr" hat und man beantragte die Unterbringung in Uckermark, weil sie "eine große sittliche Gefahr für ihre Umwelt bedeutet" und auch eine "Gefährdung und Schädigung der Wehrmacht vorliegt", da ja deren Angehörige bei ihr "aus und ein gehen".

http://www.ceiberweiber.at/index.php?type=review&area=1&p=articles&id=237
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