Mehr Schutz bei Kontopfändungen - Das neue P-Konto
Das Bundeskabinett hat heute einen Gesetzentwurf zur Reform des Kontopfändungsschutzes beschlossen.
Mit dem Entwurf wird erstmalig ein sog. Pfändungsschutzkonto („P-Konto“) eingeführt, auf dem ein Schuldner für sein Guthaben einen automatischen Sockel-Pfändungsschutz in Höhe von 985,15 ¤ pro Monat erhält. Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchen Einkünften dieses Guthaben herrührt. Damit genießen künftig auch Selbstständige Pfändungsschutz für ihr Kontoguthaben. Jeder Kunde kann von seiner Bank oder Sparkasse verlangen, dass sein Girokonto als P-Konto geführt wird. Hat der Schuldner Unterhaltspflichten zu erfüllen, kann der Basispfändungsschutzbetrag ähnlich wie bei der Pfändung von Arbeitseinkommen erhöht werden.
„Ein Girokonto ist heutzutage notwendige Voraussetzung für die Teilhabe am modernen Wirtschaftsleben. Kontolosigkeit und damit der Ausschluss vom bargeldlosen Zahlungsverkehr sind nicht nur finanziell nachteilig. Das Girokonto ist oft Voraussetzung für den Abschluss eines Mietvertrages, eines Stromlieferungsvertrages, mitunter sogar dafür, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Deshalb wollen wir dafür sorgen, dass niemand sein Girokonto allein deshalb verliert, weil ein Gläubiger das Guthaben pfändet und der Kontoinhaber erst Rechtschutz suchen muss“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.
Nach der geltenden Rechtslage führt die Pfändung eines Bankkontos dazu, dass die anfallenden Zahlungsgeschäfte des täglichen Lebens wie Begleichung von Miete, Energiekosten oder Versicherungen nicht mehr über das Konto abgewickelt werden können. Um Pfändungsschutz für den pfändungsfreien Selbstbehalt des Kontoguthabens zu erlangen, braucht der Schuldner in vielen Fällen eine Gerichtsentscheidung. Oftmals ist dies nicht rechtzeitig möglich, so dass Kosten für verspätete oder nicht ausgeführte Zahlungen anfallen. Erschwert wird der Pfändungsschutz dadurch, dass er für Gutschriften aus Arbeitseinkommen anders ausgestaltet ist als für solche aus Sozialleistungen. Auch für Banken und Gerichte ist die gegenwärtige Lage daher unbefriedigend.
„Mit diesem Gesetzentwurf wird ein moderner und effektiver Schutz bei Kontopfändungen für alle Bürgerinnen und Bürger geschaffen. Unter Wahrung der Interessen der Gläubiger verbleiben einem Schuldner ohne aufwändiges und bürokratisches Verfahren die Geldmittel, die er zur Bestreitung des existentiellen Lebensbedarfs benötigt. Kündigungen von Girokonten wegen des Zugriffs von Gläubigern werden in Zukunft erheblich seltener vorkommen“, erläuterte Zypries.
Die heute vom Bundeskabinett beschlossene Reform des Kontopfändungsschutzes ist ein Teil des Maßnahmenpaketes, mit dem die Bundesregierung den Bürgerinnen und Bürgern die Teilhabe am bargeldlosen Zahlungsverkehr sichern will.
Vor dem Hintergrund der überragenden Bedeutung des Girokontos hatte der Zentrale Kreditausschuss (ZKA) schon im Jahr 1995 allen Kreditinstituten, die Girokonten für alle Bevölkerungsgruppen führen, empfohlen, auf Wunsch für jede Bürgerin und jeden Bürger ein Girokonto einzurichten. Die Bundesregierung berichtet in regelmäßigen Abständen über die Umsetzung dieser Empfehlung. In ihrem mittlerweile Vierten Bericht vom Juli 2006 hat sie festgestellt, dass weiterhin Defizite bei der Umsetzung der Empfehlung bestehen.
Die Bundesregierung hatte sich daher zur Verbesserung der Lage von Bürgerinnen und Bürgern ohne Girokonto auf verschiedene, aufeinander abgestimmte Maßnahmen geeinigt. So fordert sie Banken und Sparkassen auf, ihre bisherige unverbindliche Empfehlung zum Girokonto für jedermann zu einer rechtlich verbindlichen Selbstverpflichtung gegenüber den Kundinnen und Kunden weiterzuentwickeln. Die Bundesregierung ihrerseits flankiert diesen Weg der Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft mit der Reform des Kontopfändungsschutzes.
Zu den Schwerpunkten des Gesetzentwurfs im Einzelnen:
1. Automatischer Pfändungsschutz
Ein Kontoguthaben in
Höhe des Pfändungsfreibetrages des § 850c ZPO (985,15 ¤) wird nicht von einer
Pfändung erfasst („Basispfändungsschutz“). Das bedeutet, dass aus diesem Betrag
Überweisungen, Lastschriften, Barabhebungen, Daueraufträge etc. getätigt werden
können.
- Der Basisbetrag wird für jeweils einen Kalendermonat gewährt. Anders als nach geltendem Recht kommt es auf den Zeitpunkt des Eingangs der Einkünfte nicht mehr an. Wird ein Freibetrag in einem Monat nicht ausgeschöpft, wird der Rest auf den folgenden Monat übertragen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele Leistungen nicht monatlich, sondern in größeren Zeitabständen zu erfüllen sind.
- Auf die Art der Einkünfte kommt es für den Pfändungsschutz nicht mehr an. Damit entfällt auch die Pflicht, die Art der Einkünfte wie Arbeitseinkommen, Sozialleistungen wie Rente, Arbeitslosengeld etc. gegenüber Banken und Gerichten nachzuweisen. Damit werden künftig jegliche Art von Einkünften, also auch die Einkünfte Selbstständiger und freiwillige Leistungen Dritter, bei der Kontopfändung geschützt.
- Eine Erhöhung z. B. wegen gesetzlicher Unterhaltspflichten oder eine Herabsetzung des Basispfändungsschutzes ist auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung möglich. Daneben kommt in bestimmten Fällen eine Erhöhung des pfändungsfreien Betrages durch bloße Vorlage entsprechender Bescheinigungen von Arbeitgebern, Schuldnerberatungsstellen und Sozialleistungsträgern (z. B. über Unterhaltspflichten und bestimmte Sozialleistungen) beim Kreditinstitut in Betracht.
2. Automatischer Pfändungsschutz nur beim Pfändungsschutzkonto
(„P-Konto“)
Der automatische Pfändungsschutz kann nur für ein
Girokonto gewährt werden. Dieses besondere Konto – „P-Konto“ – wird durch eine
Vereinbarung zwischen Bank und Kunde festgelegt. Der Entwurf sieht vor, dass ein
Anspruch auf Umwandlung eines bereits bestehenden Girokontos in ein P-Konto
besteht. Ein Anspruch auf die neue Einrichtung eines P-Kontos besteht allerdings
nicht.
3. Besonderer Schutz für bestimmte Leistungen wie Kindergeld und
Sozialleistungen
Kindergeld und Sozialleistungen – etwa nach dem
Sozialgesetzbuch II – werden künftig bei ihrer Gutschrift auf dem P-Konto besser
geschützt. Wertungswidersprüche zwischen Vollstreckungs-, Steuer- und
Sozialrecht werden damit vermieden.
4. Vorrang des P-Kontos
Der Pfändungsschutz auf dem
P-Konto ist vorrangig gegenüber dem herkömmlichen Kontopfändungsschutz, der auch
in Zukunft erhalten bleiben soll. Hat der Schuldner ein P-Konto, so erhält er
allerdings nur für dieses Pfändungsschutz. Denn mit der Führung eines P-Kontos
kann er sicherstellen, dass ihm die zur Bestreitung des Lebensunterhalts
notwendigen Mittel erhalten bleiben. Auf weiteren herkömmlichen Pfändungsschutz
ist er damit nicht mehr angewiesen.
5. Pfändungsschutz für sämtliche Einkünfte
Selbständiger
Die Reform schafft einen besseren und effektiveren
Pfändungsschutz für sämtliche Einkünfte selbständig tätiger Personen, da das
künftige Recht alle Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit wie Arbeitseinkommen
und Sozialleistungen behandelt.
6. Inkrafttreten
Nach der derzeitigen Planung soll sich
der Bundesrat in seiner Sitzung am 9. November 2007 mit dem Entwurf befassen.
Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Bei zügigem Verlauf der
Beratungen im Deutschen Bundestag kann mit einem Inkrafttreten Ende 2008
gerechnet werden. Damit die Kreditwirtschaft ausreichend Zeit zur Umstellung
hat, ist ein Zeitraum von 6 Monaten zwischen Verkündung und Inkrafttreten
vorgesehen.
Beispielsfälle
1. Fall:
Das monatliche Nettoarbeitseinkommen in Höhe von
1000 ¤ wird auf das Girokonto eines alleinstehenden Angestellten überwiesen.
Pfändung des Bankguthabens am 15. Juni, es besteht ein Guthaben in Höhe von 1000
¤.
a) derzeitige Rechtslage
Mit der Pfändung kann der
Schuldner nicht mehr über sein Kontoguthaben verfügen. Der Pfändungsschutz, der
für die Pfändung von Arbeitseinkommen beim Arbeitgeber gilt, ist von der Bank
bei der Gutschrift auf dem Bankkonto nicht zu berücksichtigen. Mit einem Antrag
beim Vollstreckungsgericht kann der Schuldner aber eine Freigabe seines
pfändungsgeschützten Arbeitseinkommens erreichen. Da die Pfändung (hier: 15.)
nach dem Zahlungstermin (hier 1. des Monats) liegt, kann der Schuldner aber nur
eine anteilige Freigabe seines Kontoguthabens für die Zeit von der Pfändung
(hier: 15.) bis zum nächsten Zahlungstermin (hier: 1. des Folgemonats)
erreichen. Das Vollstreckungsgericht hat den Gläubiger zu dem Antrag zu hören.
Es kann aber vorab schon die Pfändung des Guthabens teilweise aufheben, damit
der Schuldner bis zum nächsten Zahlungstermin seinen notwendigen Unterhalt
bestreiten und seine laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten erfüllen kann (§
850k der Zivilprozessordnung).
Berechnung des pfändungsfreien und daher freizugebenden Betrages durch das Gericht:
Nettoeinkommen: | 1000,00 ¤ |
Pfändbarer Anteil des Arbeitseinkommens (nach Tabelle zu § 850c ZPO) |
10,40 ¤ |
Pfändungsfrei (bezogen auf 1 Monat) | 989,60 ¤ |
Pfändungsfreier Anteil für die Zeit vom 15. bis 30. Juni:
989,60 ¤ x 15
= 30 |
989,60 ¤ : 2 = | 494,80 ¤ |
Pfändungsfrei auf dem Konto ist ein Betrag in Höhe von 494,80 ¤ und daher vom Gericht freizugeben.
b) künftige
Rechtslage
Das Kreditinstitut berücksichtigt unabhängig vom
Zeitpunkt der Pfändung einen pfändungsfreien Grundbetrag von 985,15 ¤. Es bedarf
keiner gerichtlichen Entscheidung; eine zeitanteilige Berechnung entfällt. Der
Schuldner hat – wie bisher – noch die Möglichkeit, weiteren Pfändungsschutz bei
Gericht zu beantragen.
2. Fall:
Wie Fall 1,
aber der Schuldner ist verheiratet, hat ein Kind und verdient 1200 ¤ netto.
a) derzeitige
Rechtslage
Berechnung des pfändungsfreien und daher freizugebenden
Betrages durch das Gericht:
Nettoeinkommen: |
1200 ¤ |
Pfändbarer Anteil des Arbeitseinkommens (Freibeträge nach § 850c ZPO: 985,15 ¤ für den Schuldner, 370,76 ¤ für die Ehefrau und 206, 56 ¤ für das Kind = 1562,47 ¤) |
0 ¤ |
Pfändungsfrei (bezogen auf 1 Monat) | 1200 ¤ |
Pfändungsfreier Anteil für die Zeit vom 15. bis 30.Juni:
1200 ¤ x 15
= |
1200 ¤ : 2 = | 600 ¤ |
Pfändungsfrei auf dem Konto ist ein Betrag in Höhe von 600 ¤ und daher vom Gericht freizugeben.
b) künftige
Rechtslage
Das Kreditinstitut berücksichtigt unabhängig vom
Zeitpunkt der Pfändung automatisch einen pfändungsfreien Grundbetrag von 985,15
¤. Es bedarf keiner gerichtlichen Entscheidung; eine zeitanteilige Berechnung
des Freibetrages entfällt. Kann der Schuldner seine Unterhaltspflichten
gegenüber seiner Ehefrau und seinem Kind durch eine Bescheinigung seines
Arbeitgebers, der Familienkasse, eines Sozialleistungsträgers oder einer
Schuldnerberatungsstelle gegenüber dem Kreditinstitut belegen, hat dieses von
sich aus einen pfändungsfreien Betrag von 1200 ¤ zu beachten. Der Schuldner kann
aber auch eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts beantragen; dann hat die
Bank auf der Grundlage der Gerichtsentscheidung den höheren pfändungsfreien
Betrag auf dem Konto zu berücksichtigen.
3. Fall:
Das Guthaben
des Bankkontos eines selbständig tätigen Unternehmers in Höhe von 1000 ¤ wird
gepfändet. Auf dem Konto werden nicht wiederkehrende Vergütungen für
Dienstleistungen des Unternehmers gutgeschrieben.
a) derzeitige
Rechtslage
Es besteht kein Pfändungsschutz, da die Vergütung nicht
zu den bei der Kontopfändung geschützten Einkünften wie Arbeitseinkommen,
Sozialleistungen etc. gehört.
b) künftige
Rechtslage
Pfändungsschutz besteht in gleichem Umfang wie bei
abhängig Beschäftigten. Auf die Darstellung zum künftigen Recht bei den Fällen 1
und 2 wird daher verwiesen.
Dokumente
RegE
Reform Kontopfändungsschutz