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bjk

Beiträge: 7353


New PostErstellt: 14.02.09, 09:19     Betreff:  Brief an Klaus Ernst, Mitglied des Bundestages DIE LINKE

Brief an Klaus Ernst (MdB Die Linke) per Rundmail erhalten:



Hallo Klaus,

nachdem in Zeil am 31.1.2009 ein paar Themen angesprochen wurden, die in einem kausalen Zusammenhang stehen, möchte ich mich auf diesem Wege dazu äußern, da ich an diesem Tage u.a. die Wahl nicht unnötig in die Länge ziehen wollte.

[ ... ]

Um auf das zurückzukommen was man mittlerweile als ‚Hartz ligth’ umschreibt, so ist dieses Papier nicht unbedingt vorteilhaft für das Erreichen 'bürgerlicher' Wähler für unsere Partei. Dies hat nichts damit zu tun ob es gut oder schlecht ist. Es ist die Frage wie es in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Man kann bei den Hartzgesetzen an den verschiedensten Schrauben drehen und justierten, es bleibt Hartz!

Unser politischer Gegner wird dies zur Kenntnis nehmen und es gegen uns verwenden. Als ‚Hartz – muss - weg - Partei’ können wir nicht, auch nur annähernd, das gleiche Konzept der Öffentlichkeit vorlegen ohne die Glaubwürdigkeitsfrage gestellt zu bekommen beziehungsweise lächerlich gemacht zu werden. Dies ist sogar für mich nur unter dem Aspekt zu verstehen, dass man an künftige Koalitionen denkt und so einen gemeinsamen Nenner sucht.

Den Hinweis, den ich neulich hörte, man habe dies unter anderem mit der Hilfe der Gewerkschaften erarbeitet, macht auch nicht glücklich, da dies nicht unbedingt die beste Adresse ist wenn es um soziale Fragen geht. Allgemein bekannt ist ja, dass in den letzten 10 Jahren im europäischen Ausland eine Lohnentwicklung von circa 25-30 % plus stattgefunden hat. In dieser Zeit haben wir in Deutschland einen Null- beziehungsweise Minus-Zuwachs zu verzeichnen.

Besonders deutlich hoben die Gewerkschaften in dieser Zeit ihre tolle Lohnzurückhaltung hervor. Hätten die SPD - Gewerkschaftsfunktionäre statt für die Unternehmen zu denken ihre Klientel genau so vertreten wie die Gewerkschaften im Ausland, bräuchte es keine Abwrackprämien. Mittlerweile ist dies statistisch nachweisbar. So wurden noch vor circa 10 Jahren im Schnitt alle sieben Jahre ein neues Auto gekauft. Jetzt sind es neun Jahre!

Rechnet man diese Differenz aus, so kommt man ziemlich genau auf diese 25-30 %, die den Arbeitnehmern in dieser Zeit in Deutschland vorenthalten wurde. So etwas kommt dabei heraus, wenn Manager, die schon das erste Semester Volkswirtschaft geschwänzt haben, sich mit einschlägigen Gewerkschaftern zusammentun.

Obwohl die Gewerkschaften in England quasi zerschlagen wurden, war der Lohnanstieg gerade dort besonders hoch. Möglicherweise sind dort die Manager doch etwas klüger und kennen noch die Grundprinzipien der Marktwirtschaft. Ich möchte hier noch einmal ganz klar zum Ausdruck bringen, um nicht missverstanden zu werden, dass du zu den wenigen Gewerkschaftern gehört hast, die dagegen vorgegangen sind, was uns letztlich eine neue Partei gegeben hat und somit den jetzigen, ausbaufähigen Status Quo. Aber bei den SPD nahen Funktionären stellt man sich doch nur noch 3 Fragen: Arbeiten die gerade in die eigene Tasche, in die der Wirtschaft oder arbeiten sie gerade für ihren Sexualtrieb.

Wenn man einen DGB–Sommer hört, der Zeitarbeit ganz toll findet, die Hauptsache es besteht ein Tarifvertrag, auch wenn der nur 3,50 € in der Stunde ausweist, - ist man eigentlich nur noch sprachlos. Gerade das deutsche Zeitarbeitsmodell sollte verboten werden und statt dessen das französische übernommen werden (30% Aufschlag wegen ständig wechselnder Einsatzorte). Es wäre richtig schön zu sehen, wie wenig Flexibilität unserer Wirtschaft auf einmal braucht.

Denkbar wäre auch, dass Zeitarbeitsvermittlung nur noch direkt über die Arbeitsämter getätigt werden kann. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss auf jeden Fall gelten. Fakten aus Schweinfurt: ein Bildungsinstitut vermittelte über eine Zeitarbeitsfirma Stellen bei holländischen Gurkenbauern. Diese zahlten 24 € pro Stunde an die Zeitarbeitsfirma, der Arbeiter bekam ca. fünf Euro netto. Der Gurkenbauer stellte die Unterkunft, die Zeitarbeitsfirma zog dem Arbeitnehmer dafür noch einmal zwei Euro pro Stunde ab. Hätte hier eine Direktvermarktung durch die Arbeitsämter stattfinden können hätte der Arbeitnehmer leicht auf brutto 15 € kommen können. Um das Ganze abzurunden, prellte die Zeitarbeitsfirma die Arbeitsnehmer um den letzten Monatslohn.

Typisch für Deutschland ist auch, dass unsere Spargelbauern mit ihrem teueren Edelgemüse im Gegensatz zu den holländischen Billiggemüsebauern, Eineurojober brauchen, um über die Runden zu kommen.

Dass wir einen Zuwachs brauchen, der in der „Zeiler Runde“ als im Mittelstand bezeichnet wurde, ist Fakt und ich plädiere, seit ich in der WASG bin, dafür. Ich habe auch bezüglich der Bayern Wahl mit Wolfgang Ziller darüber einige Mail's ausgetauscht. Gerade die Arbeitslosigkeit ist dabei ein Schnittpunkt und bietet die Möglichkeit Wähler zu gewinnen. Letztlich hat der Durchschnittsarbeitnehmer am meisten Angst davor in Hartz IV abzurutschen. - Also muss Hartz IV weg!

Dazu braucht es für die Öffentlichkeit griffige und leicht verständliche Formeln. Wenn die oberste Direktive heißt: ‚zurück zur alten Regelung’, so versteht das fast jeder. Da ich aber innerhalb der Linken schon gefragt wurde, was die alte Regelung war: es ist damit ein verdienstabhängige ALG II Lösung gemeint. In den Neunzigern wurde bei circa 2500 DM gedeckelt, auch wenn man 10.000 DM verdient hatte. Nach unten gab es keine Grenze. Dies müsste man, vor allem wegen der neuen ultraleicht-Lohngruppen, ändern.

Bis 2000 beinhaltete die Regelung, dass die Renteneinzahlungen vom letzten Gehalt aus berechnet wurden, egal wie lange man arbeitslos war. Die Schröderclique kürzte diese Einzahlungen auf das jeweilige ALG II Geld und ab 2005, mit Hartz IV, auf praktisch nichts mehr. Eine Total - Sperre von 3 Monaten gab es bis 2000, wenn man 3 zumutbare Arbeitsstellen ausschlug beziehungsweise die Entlassung verschuldet hat. Von 2000 an konnte dies schon bei der ersten zumutbaren Arbeit passieren. Die Betonung in dieser Zeit lag immer auf zumutbar, was faktisch bedeutete: eine Stelle der Ausbildung entsprechend. 50 Jahre fuhr Deutschland damit nicht schlecht. Wie sich herausstellte war die ALG II Lösung sogar billiger als Hartz IV. Sagte doch dieser Müntefering mit seinem Charme und Intellekt eines geistig derangierten Verwaltungsbeamten, nach Einführung von Hartz IV, die Leute sollten nicht alles in Anspruch nehmen was sie könnten, um so die Kosten zu dämpfen.

Wenn schon mal berechnet wird, wieviel Wohnung jemandem zusteht, und ganz in die alten Rollen verfallend, einen Hartz IV Empfänger 2200 Kalorien zugestanden wird (während des Krieges waren dies in den Städten 1500 Kalorien, im KZ 1200 Kalorien), so ist alleine der Ansatz schon entwürdigend (irgendeiner hat da wohl verbotene Bücher oder Studien gelesen). Noch extremer wird es, wenn man weiß, dass jede Kuh die irgendwo in der EU steht mit circa zwei Euro täglich subventioniert wird, einem Hartz IV Kind aber nur 2,17 € täglich als Essensration zugestanden
wird.

Seit dem 1.1.2009 ist die neue ‚Schwacke Liste’ zum Unterhalt für Kinder gültig. Danach beträgt der Mindestunterhalt in Bayern für die Altersstufe
bis fünf Jahre 281 €,
bis 11 Jahre 322 €, und
bis 18 Jahre 377 € monatlich.
Was einem Erwachsenen Hartz IV Empfänger und dessen Kindern gewährt wird, brauche ich hier nicht extra aufzufüllen.

Alleine die Tatsache, dass eine Kommission einem 12 jährigen Kind mehr an Existenzminimum zugesteht, als eine andere Kommission einem Erwachsenen Hartz IV Empfänger, ist mehr als befremdlich. Ob Ingenieur oder Facharbeiter, wenn er weiß, dass er mit uns nicht ins Bodenlose fällt, sondern mit einigen Abschlägen einen gewissen Lebensstandard und Würde halten kann, werden wir für ihn wählbar. Es genügt nicht, sich draußen an die Stände zu stellen und den mittleren Einkommen zu erzählen hier sind die Besseren weil sie sozial gerecht sind. Man muss den Leuten auch ein griffiges Konzept anbieten können. Ein bewährtes Konzept kann niemand negieren, wenn dies bis 2005 funktionierte.

Gerade der mittlere Verdienstsektor hat Sicherheit, dass sein Einkommen nicht unter 60 % fallen kann. Niemand hat das Gefühl entmündigt zu werden indem er vorgerechnet bekommt wie viel qm oder Kalorien etc. ihm zustehen. Was die Finanzierung angeht, ist es egal ob wir 5 % Arbeitslosenversicherung und 18 % Rentenversicherung haben, oder 6 % Arbeitslosenversicherung und 17 % Rentenversicherungsbeitrag.

Zusätzlich sollte endlich die Subventionierung von Auslandsbesitzungen der Wirtschaft gestrichen werden. Man kann es nur immer und immer wieder wiederholen, die deutsche Industrie investiert jährlich 90 Milliarden im Ausland. Das wird von der Allgemeinheit mit fast 50 % bezuschusst. Es ist ein Unding wenn VW für 61.000 Mitarbeiter in Deutschland Kurzarbeit angemeldet, aber sein soeben fertiggestelltes Werk bei Moskau genau so von der Steuer absetzen kann wie das geplante neue Werk in den USA. Zwar sagt das deutsche Steuerrecht aus, dass steuerliche Vergünstigungen nur gewährt werden, wenn es im Interesse des deutschen Staates ist. Gleichzeitig werden aber Investitionen rund um den Globus genauso behandelt wie Investitionen in Deutschland.

Prinzipiell ist Abschreibung auch kein Naturgesetz, wie die Pendlerpauschale beweist. Man könnte prinzipiell, zumindest bei langlebigen Investitionsgütern, die Abschreibung auf 70 oder 80 % begrenzen. Das würde zwangsläufig auch die Investitionen im Ausland einbeziehen. Mit der Option an die Wirtschaft, diese wieder auf 90 oder 100 % zu erhöhen, wenn sie die Arbeitslosigkeit unter 4 % bringt. Fördern und fordern einmal ein bisschen anders!

Seit Jahren versucht die Merkel Regierung mit immer kürzeren Abschreibungsintervallen die Konjunktur anzukurbeln. Wie man sieht bringt das gar nichts. Eine Firma ist kein Manta Fahrer, der sich immer den neuesten Chrom-Auspuff holt, sobald er auf dem Markt ist.

Es stellt sich auch bei meiner Beratertätigkeit fast nie die Frage ob sich eine Neuanschaffung für 2 Millionen lohnt, oder eine Generalüberholung für 200.000 günstiger wäre. Abschreibung hin oder her. Es wird nur etwas investiert wenn ein Gewinn gegengerechnet werden kann. So wird die Autoindustrie so oder so ihre millionenschweren Standswerkzeuge herstellen lassen, wenn eine Modelländerung ansteht.

Zurückkommend auf die steuerliche Abschreibung von Auslandsinvestitionen, sollte der Wähler auch wissen woher die Idee stammt. Ursprünglich im rechtradikalen Kaiserreich dazu gedacht, Polen ohne Kanonendonner in seine Gewalt zu bekommen, sprießten im Osten deutsche Schuhfabriken und Webereien steuersubventioniert aus dem Boden, währen in Deutschland die Arbeitslosenfamilien hungerten und dahin sichten. Die Adenauer Regierung griff diese Idee wieder auf, damit die Nazifirmen ihre Besitztümer im Ausland, welche von den Alliierten enteignet wurden, möglichst schnell auf Kosten der Allgemeinheit wieder zurückbekommen konnten. In der Hochkonjunktur merkte man davon aber nichts.

Praktisch keine zivilisierte Industrienationen der Welt hat dies in ihrem Steuerrecht. Nicht einmal die Amerikaner (die holen sich was sie wollen, lieber auf die alte Art). Wohlgemerkt, ich spreche nicht von der Unterstützung strukturschwacher Regionen durch Deutschland oder EU.

Letztlich sei noch eine Skurrilität erwähnt, die den grenzübergreifenden Warenhandel erst so richtig lukrativ macht. Das Konzept der Veredelung! Konkretes Beispiel: Mir wurde gleich nach der Wende in CZ ein 40 Mann Betrieb angeboten, mit festen Aufträgen von Puma und Adidas. Die Firmen schickten die Gummibündchen für die Arme rüber, da wurde dann ein Jogging- Anzug incl. Reisverschluss etc. drum rum genäht und mit Material frei Haus für 12,50 DM zollfrei (weil Veredelung) in den Westen gebracht. Dort war er dann für 240,00 DM in den Geschäften zu haben. So schickt man eine Imbusschraube nach China, lässt einen Motorblock darum bauen und spart sich so u.a. 27% Zoll auf den ganzen Motorblock.

Möglicherweise verstoßen einige genannten Dinge gegen EU Gesetze, ob dies nun die Menschenrechte oder die Zollhoheit berühren. Es sollte unsere Aufgabe sein dies auch im Europäischen Parlament anzuprangern, denn nichts war unserer crème de la crème in der Vergangenheit peinlicher, als im Ausland schlecht dazustehen. So wurde erst durch die Amerikaner erreicht, dass Bestechung auch in Deutschland unter Strafe steht. Allerdings konnte man eine Bestechung bis vor kurzem noch ganz offiziell von der Steuer absetzen. Als dies publik wurde, hat man auch diesen Paragraphen abgeschafft.

Ich hoffe, es wurde jetzt nicht doch etwas lange, und vor Allem hoffe ich, dass du dich nicht in irgendeiner Weise negativ angesprochen fühlst. Letztendlich haben wir es dir zu verdanken, dass sich in Deutschland etwas rührt.

Viele Grüße aus Schweinfurt
gez. Unterschrift





Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
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