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Typisch Bisky - typisch ausgelassene Chancen für die PDS

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 01.02.04, 15:42  Betreff:  Typisch Bisky - typisch ausgelassene Chancen für die PDS  drucken  weiterempfehlen

werden im nachfolgenden Interview gnadenlos deutlich!

Wer wundert sich da noch, daß die PDS selbst im Ostteil des "Roten Berlin"

von 40% auf 10% in den Umfragen abgesackt ist?!


Gnadenlos haben auch die beiden ausgezeichneten ND-Redakteure Wolfgang Hübner und Jürgen Reents den PDS-Parteivorsitzenden in die Zange genommen und kaum eine unbequeme Frage ausgelassen!

kopiert aus: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=48170&IDC=2

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»Europa kommt aus dem Wasserhahn«

PDS-Chef Lothar Bisky über die EU-Wahl, den Verfassungsentwurf und Rot-Rot im Osten


Freitagmorgen, gegen vier Uhr: An der Autobahn A9 nahe Wittenberg fordern Lothar Bisky und andere PDS-Politiker mit einem riesigen Plakat eine Umkehr im Umgang mit Armut und Reichtum. Die PDS, die an diesem Wochenende ihren Europaparteitag veranstaltet, will sich wieder stärker einmischen in die Bundespolitik. Fernziel ist der Einzug als Fraktion in den Bundestag 2006. Eine Station auf dem Weg dahin ist die Europawahl in diesem Jahr. Ein Gradmesser für die Partei und für ihren Vorsitzenden. Mit Lothar Bisky sprachen Wolfgang Hübner und Jürgen Reents.

ND: An diesem Wochenende wird die PDS-Kandidatenliste für die Europawahl bestimmt. Warum legt der Parteivorstand dem Parteitag einen kompletten Listenvorschlag vor?

Bisky: Es gibt viele PDS-Mitglieder, die das wollen. Und es gibt nicht wenige, die das für überflüssig halten. Wir haben einen sachlichen Grund: Am Ende soll eine Abgeordnetengruppe stehen, die nach Kompetenz und Alter unser Wahlprogramm möglichst gut personifiziert. Da wären acht Friedensaktivisten genauso problematisch wie acht Ökonomen.


ND: Bestätigt der Parteitag die Liste, macht er sich zum Abnickorgan. Verändert er sie, muss der Vorstand sich zumindest fragen, ob er das richtige Gespür hatte. So oder so tut er sich keinen Gefallen.

Bisky: Ach, das würde ich nicht überzeichnen. Die Folge solchen Denkens wäre doch: Ein Parteivorsitzender macht einen Vorschlag, dem wird nicht entsprochen und schon muss der Vorsitzende weg. Für mich wäre es kein Problem, den Stuhl zu räumen. Aber diese Logik ist idiotisch und nicht demokratisch. Parteivorstände müssen damit rechnen, dass ihre Vorschläge auch mal abgelehnt werden. Was jedenfalls nicht geht: Aus Angst vor einer Niederlage gar nicht erst zu handeln.


ND: Warum stehen keine prominenten Parteilosen auf der Liste?

Bisky: Es gab eine Reihe von Absagen. Die Gründe reichen von sehr persönlichen Fragen bis zum Abwarten, was aus der PDS wird. Das macht deutlich, dass wir zuerst mehr Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft entwickeln müssen, dann werden wir auch wieder attraktiv.


ND: An der Glaubwürdigkeit der PDS zweifelt z.B. die globalisierungskritische Bewegung und wirft der Partei vor, in Berlin den neoliberalen Sparkurs mitzutragen, den sie bei der Bundesregierung als falsch bezeichnet.

Bisky: Dieses Argument ist mir begegnet, allerdings selten. Die meisten Leute gucken schon genau hin und differenzieren. Ich höre durchaus Anerkennung für PDS-Senatoren und -Minister. Natürlich gibt es Kritik und darüber muss die PDS offen sprechen. Aber gleichzeitig bin ich für eine kritische Solidarität mit denen, die mit PDS-Mandat regieren. Für die PDS ist beides wichtig – regieren und opponieren. In Brandenburg sind wir seit 1990 immer Opposition. Das war gut für die PDS, aber es ist schlimm für das Land.


ND: Wenn die PDS schon Probleme bei der Kandidatensuche hat – wie will sie dann die Wähler überzeugen?

Bisky: Wir haben gute Leute und ein gutes Wahlprogramm. Darin geht es vor allem um vier Dinge. Erstens treten wir für ein soziales Europa ein. Die soziale Frage wird im Mittelpunkt unseres Wahlkampfes stehen. Wenn Europa Sozialabbau betreibt, dann kann die Bundesrepublik es noch ungenierter als bisher tun, und alle Parteien im Bundestag außer der PDS werden dem folgen. Zweitens sind wir dagegen, immer öfter und immer mehr Soldaten ins Ausland zu schicken. Drittens fordern wir eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung. Und viertens haben wir mehr Ostkompetenz als jede andere Partei. Wir haben Kontakte nach Osteuropa, in die EU-Beitrittsstaaten, wir haben Leute, die diese Sprachen sprechen. Diese vier Gründe sprechen deutlich dafür, dass die PDS wieder ins Europaparlament gehört.
Und dann müssen wir noch eins schaffen: die Europaträgheit in der Mitgliedschaft überwinden. Europa ist keineswegs weit weg, in Brüssel. Europa kommt aus dem Wasserhahn, das merkt man auf der Rechnung. Europa kommt aus der Steckdose, hat mit dem Auto zu tun, mit etlichen Gebühren. Alle Dinge des täglichen Lebens haben bald mit Europa zu tun. Wenn wir das verständlich machen können, haben wir eine Chance.


ND: Wenn das alles so klar ist – warum, hat es dann so lange gedauert, bis der Vorstand erkannt hat, dass man den Entwurf der EU-Verfassung wegen seiner militaristischen und neoliberalen Grundzüge nicht akzeptieren kann?

Bisky: Wir sind eine demokratische Organisation. Es ist debattiert worden, aber es gab keine platte Ja-Sagerei, wie es manchmal unterstellt wird. Sylvia-Yvonne Kaufmann und andere haben darauf hingewiesen, dass sie in der Verfassungsdebatte gekämpft und einige gute Dinge durchgebracht haben, die wir unterstützen sollten. Aber zum Verfassungsentwurf insgesamt hat der Parteivorstand nach intensiver Diskussion Nein gesagt. Das gilt.


ND: Dennoch: Die entscheidenden Argumente der PDS gegen den Verfassungsentwurf sind die Zwangsmilitarisierung und die Vernachlässigung der sozialen Frage. Das ist so gravierend, dass man sich schon fragt, warum die Ablehnung überhaupt umstritten war.

Bisky: Das ist etwas verkürzt. Bei der Debatte um die EU-Verfassung muss auch eine linke Partei die Fortschritte sehen. Beispielsweise die Grundrechte-Charta. Deshalb haben wir die Entscheidung offen gehalten, so lange noch Bewegung im Verfassungsprozess möglich schien. Im Ergebnis lehnen wir den Entwurf aber ab.


ND: Kann so ein »Nein, aber …« im Wahlkampf erklärt werden?

Bisky: Es gibt kein aber. Im Wahlprogramm steht: Nein. Das lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.


ND: Sie haben die PDS kürzlich als proeuropäische Partei bezeichnet. Wie wollen Sie einen positiven Bezug zu Europa erzeugen, wenn Sie den Verfassungsentwurf ablehnen?

Bisky: Da brauche ich nur auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Anerkennung des Modrow-Gesetzes über die Bodenreform zu verweisen. Das kann in der PDS etwas mehr Verständnis und Zuspruch für europäische Integration schaffen. Da wurde eine Position bekräftigt, die die PDS jahrelang ziemlich einsam vertreten hat. Das zeigt, dass es sich lohnt zu kämpfen – damit meine ich gar nicht so sehr uns, sondern vor allem die Betroffenen, die Kläger.
Im übrigen glaube ich, dass die PDS wirklich eine proeuropäische Partei ist. Ich habe in der Mitgliedschaft keine Klage über den Wegfall der Grenzen gehört. Natürlich ist die anstehende EU-Osterweiterung für die PDS eine Gelegenheit, ihre eigenen Erfahrungen mit der gesellschaftlichen Transformation einzubringen. Denn es besteht die Gefahr, dass nun ganz Osteuropa – wie 1990 Ostdeutschland – das westliche Modell übergestülpt wird. Davor müssen wir warnen.


ND: Was helfen solche Warnungen, wenn der Neoliberalismus praktisch Verfassungsgrundsatz in der EU werden soll?

Bisky: Zunächst werden wir gegen diesen Verfassungsentwurf kämpfen. Sollte er dennoch durchgehen, wäre erst recht eine starke linke Kraft wichtig für Europa, die die Auseinandersetzung weiter führen kann. Ich finde die kräftigen Bewegungen gegen den Neoliberalismus ermutigend. Und ich hoffe, dass noch mehr Menschen aufwachen und Signale setzen.


ND: Sehen Sie, dass sich die Auffassungen in der SPD dazu ändern?

Bisky: Nein. Ich bin erschrocken, wie eine Partei mit dieser sozialdemokratischen Tradition eine solche Politik gegen die kleinen Leute betreiben kann. Ich gehöre wahrlich nicht zu denen, die jegliche Zusammenarbeit mit der SPD ablehnen. Aber meine Haltung zur SPD kann ich im Moment nur mit den Worten Entsetzen und Erschrecken beschreiben.


ND: Wo sind die Menschen, die in ähnlicher Weise erschrocken sind?

Bisky: Viele haben resigniert, viele sind wütend, viele sind auch auf der Suche. Um diese Leute müssen wir uns bemühen. Wir brauchen wieder deutlicheres Profil, mehr Kenntlichkeit, und zwar über einen längeren Zeitraum hinweg, nicht nur einen Tag. Dann können wir enttäuschte Menschen für eine andere Politik gewinnen. Das braucht Ausdauer, denn es ist etwas Folgenschweres passiert: Der Neoliberalismus ist als Ideologie gewissermaßen zur materiellen Gewalt geworden. Mich freuen die Proteste, aber mich erschreckt, wie viele Menschen den Neoliberalismus als unausweichlich hinnehmen. Diese Art von Resignation ist ein Nährboden für Rechtsextremisten. Viele Leute sind so wütend, dass sie auf die Demokratie pfeifen. Und dann kommen Leute wie Schill mit einer demokratieverachtenden Artikulation. Da gibt es eine schleichende Gewöhnung an Dinge, die einmal tabu waren.


ND: Trägt zum Frust nicht auch die PDS bei? Die hat in Berlin eine große Menge Wähler verärgert und so Politikverdrossenheit von links produziert.

Bisky: In der Tat wurden Menschen enttäuscht, die nach der Wahl von Rot-Rot Anderes erwartet hatten. Es gibt da eine sehr vordergründige, schlecht informierte Argumentation gegen die PDS, aber es gibt auch Menschen, die ehrlich enttäuscht sind. Trotzdem sage ich, dass wir in Berlin die Chance haben, eigene Akzente für soziale Gerechtigkeit zu setzen, auch mit wenig Geld. Mit den Problemen müssen wir ehrlich umgehen.


ND: Ihr Wunsch, die PDS möge mehr Profil erlangen, steht nicht im Gegensatz zu dem Ziel, demnächst in weiteren Bundesländern mitzuregieren?

Bisky: Bei diesen Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg wird man erkennen, dass die PDS in ihren Wahlkämpfen etwas bodenständiger, realistischer geworden ist. Sie steht ja vor der Gefahr, es möglicherweise verwirklichen zu müssen. Wenn die PDS nur ankündigt, was sie auch halten kann, gibt sie damit keine Vision auf und verabschiedet sich nicht vom sozialen Aspekt. Ich hoffe, dass wir bei diesen Landtagswahlen mit realistischen Politikangeboten stärker werden, so dass wir wieder etwas mehr Einfluss bekommen.


ND: Verkauft sich die PDS in Regierungsbündnissen zu billig? Fehlt ein Beispiel, dass die PDS sich einem verlockenden Angebot verweigert, um Profil zu zeigen?

Bisky: Ja. Ja, aber. Ich bin befreundet mit Fausto Bertinotti. Der ist in Italien mit seiner Partei aus dem Regierungsbündnis ausgestiegen und alle haben gesagt, jetzt ist er am Ende. Der Ausstieg war ein Risiko, aber er war richtig. Sie haben gezeigt, dass sie nicht beliebig sind. Ich hoffe, dass die PDS diesen Mut auch hat, wenn es nötig ist. Und zwar nicht, weil sonst die Partei Schaden nehmen könnte, sondern aus Verantwortung gegenüber den Menschen.


ND: Angesichts der PDS-Regierungserfahrungen in Schwerin und Berlin – was würden Sie in Brandenburg anders machen?

Bisky: Im Moment ist mein Brandenburger Denken allein auf eine Frage konzentriert: Ich möchte, dass die große Koalition abgewählt wird. Und zwar möglichst nicht so, dass dann Schönbohm allein regiert. Darauf ist unser Wahlkampf gerichtet.


ND: Die Leute wollen doch wissen, was danach kommen soll.

Bisky: Wir machen zunächst unseren Wahlkampf, und da spielt Soziales eine große Rolle. Dafür kann man dann in der Opposition und in der Regierung weiterkämpfen. Die Koalitionsfrage stünde ohnehin zuerst vor der Sozialdemokratie. Die muss sich entscheiden. In Brandenburg setzt Rot-Rot eines voraus: eine SPD, die wirklich Rot will und die Tradition von Regine Hildebrandt nicht begraben hat.


ND: Momentan türmt sich ein großer Scherbenhaufen auf der Bundesagentur für Arbeit. Wo ist die PDS-Kampagne zur Offenlegung aller Beraterverträge in Bund und Ländern?

Bisky: Die Bundesregierung hat gerade auf eine Anfrage von Gesine Lötzsch ihre Verträge mit sämtlichen Werbeagenturen offen legen müssen. Ich habe bei der Bundesagentur für Arbeit nie verstanden, warum so viel Geld für PR und Beratung ausgegeben wird, statt damit Arbeitsstellen zu schaffen.


ND: Was ist über den Wechsel an der Spitze der Bundesagentur hinaus nötig?

Bisky: Entscheidend ist, was für die Arbeitsvermittlung getan wird, und das ist zu wenig. Wir erleben eine Neoliberalisierung der Arbeitsvermittlung. Dagegen hilft nicht eine etwas andere Verwaltung der Arbeitslosigkeit, sondern nur eine grundsätzlich neue Förderung von Arbeit. Aber was will man erwarten von einer Bundesregierung, die sich voll von Wirtschaftsgutachten abhängig macht? Dann sollte die Regierung auch den Mut haben, als GmbH zu firmieren.


ND: Ist sie nicht schon eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung?

Bisky: Eher mit beschränkter Hoffnung.


ND: Wie steht es um die Vereinbarung mit Gregor Gysi für die Bundestagswahl 2006...?

Bisky: Danach können Sie doch auch den Dr. Gysi fragen. Ich habe mit Gregor Gysi vereinbart, dass wir uns 2005 darüber unterhalten. 2005. Nicht vorher.



(ND-Foto von Burkhard Lange) Das Foto sagt mehr aus, als es noch viele Worte könnten!


[editiert: 01.02.04, 16:45 von bjk]



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