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Bullet in his pocket - Kapitel Zwei

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ratze
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Beiträge: 15
Ort: Mannheim



New PostErstellt: 04.06.08, 18:46  Betreff: Bullet in his pocket - Kapitel Zwei  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

Endlich!

Eins

Wie ein angefahrenes Wildschwein, das beim Überqueren der Landstraße den Zwölftonner übersehen hat, kauere ich an der Wand meiner Wohnung. Die Vorhänge zugezogen. Das Telefon ausgestöpselt.
Seit Tagen habe ich die Wohnung nicht mehr verlassen. Mein ausgezehrter Körper schreit nach Schlaf. Doch diesen Gefallen tue ich ihm nicht. Warum weiß ich auch nicht so recht. Vielleicht als Strafe für das Versagen. Das Versagen, das mich meinen Job gekostet hat.
Der Inhalt der großen Kiste liegt ausgebreitet vor meinen Füßen. In meinen Händen halte ich meine Abfindung. Ich überlege ob ich den Scheck zerreißen soll.
Es klingelt schrill. Schwerfällig stehe ich auf, und begebe mich zur Tür. Mit letzter Kraft drehe ich den Schlüssel um. Die sperrige Holztür öffnet sich mit einem lauten Knarren.
»Ja?« Ich öffne die Tür einen Spalt.
»Hi. Ich bin Susie.« Sie versucht durch den Spalt zu lugen.
»Ich wollte nur vorbeikommen, um hallo zu sagen. Ich bin gestern in meine neue Wohnung eingezogen.« Sie deutet mit dem Daumen auf die Eingangstür gegenüber.
»Heute Abend feiere ich mit ein paar Freunden meinen Einzug. Hast du vielleicht Lust vorbei zu schauen? Es ist für alles gesorgt, du müsstest also nichts mitbringen.« Sie schaut mich erwartungsvoll an.
»Ähm. Ich denke nicht das...«
»Ok, gut. Wir sehen uns dann um halb neun.«
Sie dreht sich um, und verschwindet kurze Zeit später hinter einer weißen Holztür.
Ich lasse die Tür ins Schloss fallen, und gehe ins Badezimmer. Vorbei an all den Zeitungen, Flaschen, und Fertiggerichten, die auf dem Boden liegen. Ich lehne mich über die Toilette, und blicke in die Tiefen meine Ichs. Igitt.


Zwei

Ich liege auf meinem Bett. Das Zimmer ist dunkel. Nur ein greller Lichtstrahl kämpft sich durch die Dunkelheit. Ab und An erstrahlt ein Scheinwerferpaar der vorbeifahrenden Autos den Raum.
Ich starre die Decke an.
»Müsste mal wieder gestrichen werden«, sage ich halblaut. Ich schaue auf die Anzeige meines Weckers.
19:34.
Sie geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Ihre schulterlangen, dunkelroten Haare. Haselnussbraune Augen. Rote, volle Lippen - ich versuche sie zu verdrängen, kneife meine Augen zusammen, um mich zu konzentrieren.

Das penetrante Klingeln des Telefons, wie das markerschütternde Geschrei eines Kleinkindes in der Süßwarenabteilung, reißt mich aus meinem Versuch das Mädchen zu vergessen.
»Hallo?!«, frage ich schläfrig.
»Sohnemann,...«, sagt eine bekannte Stimme. »...wieso meldest du dich nicht bei mir?« Mutter. »Das hat mir jetzt noch gefehlt«, sage ich unbewusst. Ich stütze mich auf meine Ellbogen.
»Wie bitte?«
»Du hast mir gefehlt«, lüge ich. Ich schaue wieder auf den Wecker.
20:03.
»Ach...« Ein leiser Seufzer. »...du kommst uns doch morgen besuchen, nicht wahr?«
»Mal sehen, ich werde wohl Überstunden machen müssen. Wir haben eine Menge...«
»Ich werde morgen früh einen Kuchen backen, dann können wir Kaffee trinken. Dein Bruder kommt auch, er freut sich schon, dich mal wieder zu sehen...«, unterbricht sie mich. »...Tante Erna hat schon nach dir gefragt...« Ich lege den Hörer vorsichtig auf den Nachttisch. Wieso hört mir eigentlich niemand richtig zu? Mit den Armen hinter den Kopf verschränkt, schlafe ich ein.


Drei

Ich öffne meine Augen. Das Drahtkorsett eines metallernen Stuhls presst sich an meinen Rücken. Die Arme an die Lehne gefesselt. Das Metall schneidet meine Haut. Ich blicke nach vorne. Dunkelheit. Grelles Licht blendet mich. Rauschen...
Der Stuhl ist verschwunden. Keine Fesseln mehr. Ich falle. Umgeben von einem unendlich weitem, blauen Band. Ich falle schneller. Ich kann die Erde sehen. Immer näher. Ich ziehe an der Reißleine. Halte sie in meiner Hand. Der Fallschirm öffnet sich nicht. Gleich schlage ich auf. Ich halte meine Hände schützend vor mein Gesicht. Ruhe...
Bum-Bum-Bum. Rhythmisches Schlagen. Bum-Bum. Schweißgebadet lasse ich meine Hände sinken. Ein rosafarbener Duracellhase starrt mich an. Seine Augen glänzen bedrohlich. Unbeeindruckt schlägt er auf sein kleines Schlagzeug ein, seinen Blick fokussiert. Bum-Bum-Bum.


Schlagartig wache ich auf. Ich sitze auf meinem Bett. Der Schweiß fließt an meinem Gesicht herunter. Ich drehe mich um. Das Telefon liegt immer noch piepend auf dem Nachttisch. 21:27, zeigt der Wecker. Ich wische mir den Schweiß von der Stirn.
Bässe dröhnen durch die Schlafzimmertür. Ich richte mich auf, öffne die Tür, und gehe in die Küche. Die Bässe vermischen sich mit verzerrten Melodien. Ich laufe zur Tür und schaue durch den Türspion. Niemand ist zu sehen, als gebe es keine Party, keine 300db Musikanlage. Ich setze mich auf meine Couch und schalte den Fernseher an.
... schon wieder verwahrloste Kinder...
...Ölpreise steigen...
...wenn auch du einen Schwangerschaftstest benötigst, dann ruf an...

Der Fernseher verstummt. Ich laufe zur Flurgarderobe. Packe meinen Schlüsselbund ein und verlasse die Wohnung.

Ich stehe vor Susies Wohnungstür. Verzweifelt versuche ich meine Haare zu richten. Die Tür öffnet sich. Susie.
»Da bist du ja endlich. Komm rein.« Sie zieht mich an meinem Kragen hinein.

Der Flur ist geebnet mit leeren Flaschen. Bierflaschen. Weinflaschen. Wodkaflaschen. Bierflaschen. Ich glaube langsam ein Muster erkennen zu können.
Sie zerrt mich ins Wohnzimmer - vermutlich. Das Zimmer ist geräumig, dunkel, und voller tanzender und trinkender Menschen. Sie lässt mich mitten im Raum stehen. Allein. Ich schaue mich um, niemand beachtet mich.
Susie kommt wenige Augenblicke später mit zwei Bierflaschen zurück, ist wohl ein Gemeinschaftsprojekt.
»Hier.« Sie bietet mir eine Flasche an. »Ich dachte schon du kommst nicht mehr.« Susie lächelt mich an, und setzt sich auf die Couch. Ich setze mich zu ihr, nehme einen Schluck, und mustere sie.
Sie trägt ein dunkelgrünes Tank-Top, darüber eine braune Jacke. Außerdem trägt sie eine eng anliegende blaue Jeanshose, und graue Converse-Schuhe.
»Bist du bald damit fertig?« Sie schaut mich fragend an.
»Womit?«, frage ich sie, und nehme einen weiteren Schluck Bier.
»Ich finde das ja echt schmeichelhaft, aber wenn du mich das nächste Mal anstarrst, dann mach es weniger auffällig, okay?«
»Tu-tut mir Leid.« Ich drehe mich weg, und nippe schuldbewusst an meinem Bier. Toller Einstand, damit gewinnst du bestimmt das Herz jeder Frau – Idiot.
»Jenny, komm her!«, ruft Susie durch den Raum und winkt eine junge Frau zu sich. »Ich möchte dir jemanden vorstellen.« Sie dreht sich aufgeregt zu mir. »Sie ist wirklich toll.«
»Das ist meine beste Freundin Jenny.«
Eine junge, hübsche Frau setzt sich auf die Lehne. Sie hat kurze, pechschwarze Haare, große, glasige Augen und im Gesicht ein dezentes Make-Up verschmiert. Gesichtsmörtel hatte mein Opa dazu immer gesagt, bei ihr trifft das auf jedenfall zu, macht sie aber nicht minder attraktiv.
Die nächsten Minuten oder Stunden, keine Ahnung wie spät es ist, hier scheinen die Uhren sowieso still zu stehen, reden wir angeheitert über alles Mögliche. Musik. Filme. Alkohol. Frauen. Lästern über Filmstars. Noch nie zuvor war ich so gelöst. So frei. Ich könnte Mammutbäume ausreißen. Ich bin mir nicht sicher, ob der Alkohol schuld ist oder die beschissenen Endorphine, die mich so steigen lassen, ich könnte vor Glück kotzen.
»Wisst ihr, was jetzt total lustig wäre?«, frage ich die Beiden lachend.
»Lass es raus Tiger.«, sagt Susie.
Jenny lacht die ganze Nacht nur, sagt ihren Text ab und zu und lacht weiter – was die wohl alles intus hat?
»Briefkästen zerschlagen.«
»Super Idee.«, versichert sie mir. »Hättest du uns bloß vor zehn Jahren gefragt, als das noch In war. Ich hab da ne viel bessere Idee.« Susie steht leicht schwankend auf und zieht Jenny von der Couch. »Los komm, jetzt zeige ich dir Meine Welt.«



Und der Herr sprach: Wer den Verstand einer Billiardkugel hat, der soll auch so aussehen, und schuf den Skinhead.


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B-I-NGO... B-I-NGO... und BINGO war sein Name!


[editiert: 27.06.08, 22:30 von ratze]
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Coco
Administrator

Beiträge: 384
Ort: Freiburg

Ich schreibe seit...: acht Jahren.
Hobbys: Lesen, Schreiben, Zeichnen, Bier trinken...und ganz viele andere Dinge...^^


New PostErstellt: 27.06.08, 17:24  Betreff: Re: Bullet in his pocket - Kapitel Zwei  drucken  weiterempfehlen

Hey! Sorry, dass es so lange gedauert hatte, aber ich musste - wie üblich - lernen. Wie auch immer, schreiten wir zur Tat.^^
Mir gefällt der Teil echt gut. Er ist nicht mit ganz so viel Selbstironie gespickt, finde ich, aber das macht ihn nicht weniger gut. Ein paar Sätze haben es mir richtig angetan:

    Zitat: ratze
    Ich lehne mich über die Toilette, und blicke in die Tiefen meine Ichs. Igitt.
    Zitat: ratze
    Ich in mir nicht sicher, ob der Alkohol schuld ist oder die beschissenen Endorphine, die mich so steigen lassen, ich könnte vor Glück kotzen.
Also, die find ich echt gut. Und natürlich zeichnen sich beide wieder durch diesen bitterbösen Zynismus aus - das mag ich.^^
Tjoa, ansonsten habe ich eigentlich nicht viel zu sagen. Mir ist, ehrlich gesagt, nichts aufgefallen, was ich irgendwie anders machen würde, und dass ich es gut finde, habe ichauch schon erwähnt. Vllt noch so viel: Ich bin ja mal seeeehr auf Susies Welt gespannt...^^
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ratze
Mitglied

Beiträge: 15
Ort: Mannheim



New PostErstellt: 27.06.08, 22:39  Betreff: Re: Bullet in his pocket - Kapitel Zwei  drucken  weiterempfehlen

Schön das sie dir gefällt, trotz des Mangels an Selbstironie.
    Zitat: Coco
    Vllt noch so viel: Ich bin ja mal seeeehr auf Susies Welt gespannt...^^
Ohh ... ohh... Erwartungen.... dieser Druck... AAHH!
Bald gehts dann wieder weiter... Tschüss mit ö.



Und der Herr sprach: Wer den Verstand einer Billiardkugel hat, der soll auch so aussehen, und schuf den Neo-Nazi.


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