Beiträge - UruguayUndQuerbeet

Tränenreiche Hymne
Sind Ihnen schon einmal die Tränen in die Augen gestiegen, wenn die deutsche Nationalhymne gespielt wurde? Mir auch nicht. Ja, man meint, dies sei eher ein Überbleibsel aus nationalistischen Zeiten. Heute, so meint man, könnte man leicht auch ohne das Abspielen der Nationalhymne vor Fussball-Spielen oder anderen internationalen Sportereignissen auskommen.

Ich weiss nicht, ob am deutschen Fernsehen Bilder von Spielen der brasilianischen Mannschaft bei der WM gezeigt werden und ob dazu dann auch die von vor dem Spiel gezeigt werden, wenn die Nationalhymnen an der Reihe sind.

Da kann man Überraschendes sehen: Tausende Zuschauer schmettern die Hymne laut hinaus, viele mit Tränen in den Augen. Die brasilianischen Spieler schreien den Text der Hymne mehr hinaus als sie zu singen und man kann sehen, wie sie einige Tränen verdrücken – und das trifft auch auf den brasilianischen Coach Scolari zu.

Und wer genau aufpasst, bemerkt auch noch etwas anderes: Riesige Menschenmassen singen auch noch die zweite Strophe der Nationalhynmne, wenn die Musik längst zu spielen aufgehört hat, das nennt man a capella.

Was ist da los? Ist in Brasilien plötzlich eine nationalistisches Hype ausgebrochen? Weit gefehlt!

Es ist ein trotziger Protest. Kaum verklingt die Musik, stimmen Zehntausende die zweite Strophe an und wer die Bilder gesehen hat, ist erschüttert: Gestandene Familienväter werden zu Heulsusen, Jugendliche haben den Text extra zu diesem Zweck gelernt.

Es ist ein nicht erklärter Aufstand gegen die “etablierten Mächte” in Brasilien. Der Brasilianer weiss nicht mehr, wie er seinen Protest gegen ein Füllhorn unnötiger Stadien und Umbauten ausdrücken soll, wenn ansonsten (Erziehung, Gesundheitswesen, bezahlbarer Wohnraum und öffentlicher Transport) das Geld vorne und hinten fehlt.

Man traut sich nicht, auf den Strassen Unmut zu zeigen, denn die kasernierte Polizei Brasiliens ist schnell mit Knüppeln, Tränengas, Festnahmenund Gummigeschossen bei der Hand, da sieht man keine andere Möglichkeit als gemeinsam die zweite Strophe zu singen, um seine Empörung zum Ausdruck zu bringen. Das hat in Brasilien sogar schon Tradition seit dem letztjährigen Confed-Cup in Brasilien.

Die brasilianischen “Offiziellen” auf der Extra-Tribüne, die auf Anweisung der FIFA eingebaut wurde, tun so, als ob sie nichts bemerken. Proteste? Nein, hier nicht!

Selbst die kleine Genugtuung, den arroganten Herrn von der FIFA und die Präsidentin auspfeifen zu können, wurde dem Brasilianer genommen, denn beide verzichten auf ihre Grussworte.

Da bleibt nur die zweite Strophe. Aber wer den Trotz und die Tränen gesehen hat, der weiss: Hier ist nichts in Ordnung – und das Volk weiss das und zeigt das.

Quelle (gibt leider keinen Direktlink)
http://www.karl-weiss-journalismus.de/

Impressum · Datenschutz · AGB · Infos · Presse

Ein modernes Forum: teamturn.com