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Erstellt: 11.03.08, 21:55 Betreff: Der KANUN
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Der Kanun Das albanische Gewohnheitsrecht nach dem sogenannten Kanun des Lekë Dukagjini kodifiziert von Shtjefën Gjeçovi, ins Deutsche übersetzt von Marie Amelie Freiin von Godin und mit einer Einführung von Michael Schmidt-Neke herausgegeben mit Vorwort und Bibliographie von Robert Elsie iii Vorwort Der Dukagjinit, stellt die bekannteste Zusammentragung des albanischen Gewohnheitsrechtes dar. Dieses ursprünglich ungeschriebene Rechtssystem bestimmte die wesentlichsten Aspekte des Sozialverhaltens in den abgelegenen und sonst gesetzlosen Gegenden Nordalbaniens. Es wird seit Jahrhunderten in vielen Landteilen des Nordens eingehalten, auch heute noch. Das Kernland des Kanun ist Dukagjin, d. h. das Hochland von Lezha, Mirdita, Shala, Shoshi und Nikaj-Merturi, sowie die Dukagjin-Ebene im heutigen westlichen Kosova. Lekë Dukagjini (1410-1481), nach dem der Kanun genannt wird, bleibt eine wenig bekannte, schleierhafte Person, die ein Fürst und Weggefährte des albanischen Nationalhelden Skanderbegs (1405- 1468) gewesen sein soll. Ob er den Kanun zusammenstellte oder ihm lediglich seinen Namen gab, ist nicht zu ermitteln. Der Kanun wurde von den Stämmen des Nordens streng beachtet und hatte Vorrang vor anderen Rechtssystemen, seien sie staatlicher oder kirchlicher Art, die man im Laufe der Zeit im Hochland zur Geltung zu bringen versuchte. Er stellte sowohl eine Ergänzung wie öfter auch ein Konkurrenzrecht zum staatlichen Rechtssystem dar. Mit Hilfe dieses alten Systems konnten die Gebirgsstämme auch während der fünf Jahrhunderte, als sie zumindest formell Teil des Osmanischen Reichs waren, ihre Identität, ihre Autonomie und ihre Lebensart bewahren. Der Kanun des Lekë Dukagjini wurde zuerst von dem in Janjeva, südlich von Prishtina in Kosova, geborenen Kanun des Lekë Dukagjini, alb. Kanuni i LekëVorwort iv Franziskanerpater Shtjefën Gjeçovi bzw. Gjeçov (1874-1929) systematisch erfaßt und veröffentlicht. Nach seinem Studium in Innsbruck und Holland verbrachte Gjeçovi die wissenschaftlich ergiebigsten Jahre seines Lebens in ländlichen Siedlungen Nordalbaniens, u. a. in Laç am Fuß des Kurbingebirges (um 1899-1905), in Gomsiqe östlich von Shkodra bzw. Skutari (1907- 1915), in Theth im hohen Norden (1916-1917) und in Rubik in Mirdita (um 1919-1921). Dort begann er mit Hilfe der Stammesältesten Material über Stammesgesetze, Archäologie und Folklore zu sammeln. Ein Teil des von ihm erfaßten Kanun wurde erstmalig in der von Faik Bey Konitza in Brüssel herausgegebenen Zeitschrift ‘Albania’ von Nikola Aschta schon 1897-1899 veröffentlicht und danach von 1913 bis 1924 in der skutarinischen Zeitschrift ‘Hylli i dritës’ (Der Morgenstern) herausgegeben. Die definitive Fassung des Kanun wurde in Shkodra 1933 posthum - vier Jahre nach der Ermordung Pater Gjeçovis durch serbische Freischärler - veröffentlicht. Dem deutschen Fachpublikum wurde der Kanun schon im Jahre 1901 durch drei Artikel in der ‘Zeitschrift für Ethnologie, Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte,’ bekannt: ‘Das Gewohnheitsrecht der Stämme Mi-Schkodrak (Oberscutariner Stämme) in den Gebirgen nördlich von Scutari’ von dem Albaner Nikola Aschta; ‘Das Gewohnheitsrecht der Hochländer in Albanien’ von dem österreichischen Diplomaten und Albanienforscher Theodor Anton Ippen (1861-1935); und ‘Das Recht der Stämme von Dukadschin,’ von Lazar Mjeda (1869-1935), Erzbischof von Prizren und Shkodra. 1916 erschien von dem ungarischen Albanienforscher Ludwig von Thallóczy (1854-1916) die Abhandlung ‘Kanuni i Lekës, ein Beitrag zum albanischen Gewohnheitsrecht,’ in dem von Thallóczy herausgegebenen Sammelband ‘Illyrisch-albanische Forschungen,’ und 1923 erschien von dem ebenfalls ungarischen Albanienforscher Franz Vorwort 1 meint, so stimmt die Datierung nicht, da dieser bei Zym in Kosova schon am 14. Oktober 1929 ermordet wurde. Godin 1953, S. 7. Wenn sie unter ‘Pater Stefan’ den Gjeçoviv Baron Nopcsa (1877-1933) der Artikel ‘Die Herkunft des nordalbanischen Gewohnheitsrechts, des Kanun Lek Dukadzinit,’ in der ‘Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft.’ Schließlich wurde der Kanun von der Münchner Publizistin und Albanienkennerin Marie Amelie Freiin von Godin (1882-1956) in Zusammenarbeit mit ihrem langjährigen Freund Ekrem Bey Vlora (1885-1964) ins Deutsche übertragen und in den Jahren 1953 bis 1956 auch in der ‘Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft’ veröffentlicht. Freiin von Godin, die sonst als Verfasserin eines großen ‘Wörterbuch der albanischen und deutschen Sprache’ (Leipzig 1930) und etlicher Abenteuerromane mit albanischer Thematik in Erinnerung geblieben ist, reiste im April 1930 nach Shkodra und besuchte dort einige Wochen lang den Franziskanerorden, dessen Provinzial sie 1928 in München empfangen und beherbergt hatte. Damals bemühten sich die Skutariner Franziskaner auf Grundlage der Arbeit und Aufzeichnungen des ermordeten Pater Gjeçovi um eine definitive albanischsprachige Ausgabe des Kanun. Hierzu schreibt Godin: "Die Patres schickten mir den Text mit der Anregung zu, ihn ins Deutsche zu übersetzen. Ich ging sogleich darauf ein und reiste für etliche Monate nach Shkodra, wo ich täglich mit den Patres arbeitete und auch Pater Stefan traf. Es lag mir viel daran, das Albanische der Veröffentlichung (Dialekt von Kossowo) unter Wahrung seiner urwüchsigen Ausdrucksweise genau und sinngemäß zu übersetzen, was nicht ganz leicht war." Fox, Übersetzer der englischsprachigen Ausgabe (New York 1989), stellt die ungeheuren Schwierigkeiten der Übertragung offener dar: "The language of the Kanun is notoriously difficult, 1 LeonardVorwort 2 Gjeçovi 1989, S. xx.vi not only in terms of its vocabulary and syntax, but because the same words are used with a sometimes staggering variety of meanings, as well as because of the extreme terseness of expression." Übersetzung des Kanun, allerdings auf der Grundlage einer früheren albanischen Fassung von Gjeçovi. Die deutsche Übertragung weicht daher sowohl in der Einteilung und wie auch im Inhalt von der späteren albanischen Ausgabe des Jahres 1933 leicht ab. Wegen des Zweiten Weltkrieges erschien sie erst in den fünfziger Jahren, kurz vor dem Tod der Verfasserin. Die vorliegende Übertragung der Freiin von Godin stellt auf jeden Fall eine bemerkenswerte Leistung dar, auch wenn sie wegen ihrer Urwüchsigkeit, ihrer Holprigkeit und ihres veralteten Charakters von dem heutigen Leser einiges an Mühe, Aufmerksamkeit und Mitdenken abverlangt. Die gedanklichen Zusammenhänge des Kanun sind für alle, die in der nordalbanischen Kultur nicht aufgewachsen sind, teilweise schwer nachvollziehbar, und die einzigen deutschen Bezeichnungen, die dem Ausgangstext einigermaßen entsprechen, können bisweilen irreführend sein. Die Mühe wird sich aber lohnen, denn der Kanun des Lekë Dukagjini ist ein faszinierendes Zeugnis einer einzigartigen Kultur. Einige Aspekte des Kanun mögen dem heutigen Beobachter streng, sogar barbarisch erscheinen. Als Hauptinstrument zur Durchführung und Erhaltung des Rechts und insbesondere der männlichen Ehre galt die Rache des Geschädigten. Dies führte im Laufe der Zeit zu endlosen Fehden und zur Blutrache, die am Anfang des 20. Jahrhunderts die Stämme des Nordens erheblich dezimierte. Die Blutrache (alb. ‘gjakmarrje’), führte in einigen Gebieten Nordalbaniens zu einem 2 Godin began 1938 mit der systematischenVorwort vii empfindlichen Männermangel, und stellt dort bis auf den heutigen Tag ein virulentes Problem im gesellschaftlichen Leben dar. Frauen genossen einen sehr minderwertigen Status. Der Kanun des Lekë Dukagjini bestimmte ausdrücklich: "die Frau ist ein Schlauch, in dem die Ware transportiert wird", (alb. "grueja âsht shakull për me bajtë"). Frauen wurden daher aller männlichen Rechte und Privilegien aber auch aller männlichen Verpflichtungen enthoben. Positiv zu würdigen hingegen sind aus heutiger Sicht noch der Begriff der ‘besa,’ des gegebenen Wortes bzw. Versprechens, und die ausgesprochen betonte Hochschätzung des Gastes bzw. Freundes, alb. ‘mik.’ Der Kanun des Lekë Dukagjini ist nicht die einzige Zusammenstellung des albanischen Gewohnheitsrechtes, aber er ist bei weitem die bekannteste. Unter den anderen in Albanien beachteten einheimischen Rechtssystemen sind: 1.) der ihm recht ähnliche Kanun des Hochlandes, alb. ‘Kanuni i Maleve’ oder ‘Kanuni i Malësisë së Madhe,’ der vor allem von den Stämmen der Kastrati, Hoti, Gruda, Kelmendi, Kuç, Krasniqi, Gashi und Bytyçi, also in dem Gebiet zwischen dem Shkodrasee im Westen und dem Hochland von Gjakova im Osten, nördlich des Geltungsgebiets des Kanun des Lekë Dukagjini, anerkannt und eingehalten wurde; 2.) der sogenannte Kanun des Skanderbeg, alb. ‘Kanuni i Skënderbeut,’ auch als Kanun der Arbëria, alb. ‘Kanuni i Arbërisë,’ bekannt, der in erster Linie in den Gebieten von Dibra, Kruja, Kurbin, Benda und Martanesh, also im ehemaligen Herrschaftgebiets der Familie Castriota, südlich des Geltungsgebiets des Kanun des Lekë Dukagjini, eingehalten wurde; und 3.) der südalbanische Kanun der Labëria, der in den Gebieten von Vlora, Kurvelesh, Himara und Tepelena, vor allem aber innerhalb der sogenannten Gegend der drei Brücken (Drashovica, Tepelena und Kalasa) eingehalten wurde. Dieses südalbanische Rechtsinstrument wird einer mündlichen Vorwort viii Überlieferung zufolge einem Priester namens Papa Zhuli, Gründer des in Kreis Gjirokastra befindlichen Dorfs Zhulat, zugeschrieben, daher auch die Bezeichnung Kanun des Papa Zhuli, alb. ‘Kanuni i Papazhulit.’ In ihren zahlreichen Fußnoten nimmt Freiin von Godin hierzu als Vergleich des öfteren Bezug. Die jetzige Ausgabe des Kanun weicht minimal von der 1953 bis 1956 erschienenen Ausgabe ab, und zwar in einigen wenigen Fällen, in denen die Verfasserin den Inhalt zweifellos fehlerhaft wiedergab. In anderen Fällen, wo die Übersetzung uns zweifelhaft erscheint aber wo der Text verschieden interpretiert werden kann, ist die deutsche Fassung so gelassen, wie sie in der ersten Ausgabe erschien. Der interessierte Leser möge als Vergleich die englischsprachige Fassung von Leonard Fox heranziehen. Die Fußnoten, die mit [Gj.] gekennzeichnet sind, sind vom Gjeçovi, sonst sind sie alle von Godin in Zusammenarbeit mit Ekrem Bey Vlora. Es bleibt nur zu hoffen, daß diese Neuauflage von dem Kanun des Lekë Dukagjini zu einem besseren Verständnis für die traditionelle Kultur Nordalbaniens und Kosovas beitragen wird. Robert Elsie Olzheim / Eifel März 2001 3 der Killer heißt Kanun, in: z. B. Krieg der Sippen, in: Der Spiegel 27.2.1995; Der KodeSüddeutsche Zeitung 16.3.1995.4 ix Albanische Hefte 3-4/1991, S. 7.
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Erstellt: 11.03.08, 21:56 Betreff: Re: Der KANUN
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Der Kanun der albanischen Berge: Hintergrund der nordalbanischen Lebensweise Mitte der 90er Jahre hatte die Presseberichterstattung über Albanien ein neues Modethema entdeckt: die Blutrache als Kernstück des Gewohnheitsrechts, des Kanun Jahren bestritten albanische Offizielle das Wiederaufleben der Blutrache in ihrem Land und meinten, dass hier offenbar ausländische Journalisten gewöhnliche Kriminalität mit Blutrache verwechselten. Das ist nicht ganz falsch; es hat einzelne Versuche gegeben, die Aktivitäten albanischer bzw. kosovarischer Bandenkrimineller mit gewohnheitsrechtlichen Traditionen zu erklären. Jedoch berichteten albanische Zeitungen schon 1991 über Fälle, in denen Männer auf offener Straße umgebracht worden seien, weil ihr Vater oder Großvater vor dem Krieg jemanden getötet hatte 3. Noch vor zwei4.Kanun Einführung 5 grecque Pierre Chantraine: Dictionnaire étymologique de la langue. Bd. 2: E-K. Paris 1970, S. 493.6 x Josef Matuz: Das Osmanische Reich. Darmstadt 1985, S.4, 39.Die Blutrache ist ein Aspekt eines umfassenden Rechtssystems, des Gewohnheitsrechts. Der albanische Ausdruck dafür ist Sumerischen ( Hebräische ( Griechische ( kanun. Dieses Wort ist möglicherweise aus demgi, Rohr) über das Akkadische (qanu, Rohr) insqane, Rohr) entlehnt worden und von da aus inskanna, Rohr) übernommen worden; dort wurde es zukanon Kirchensprache als "normiertes Verzeichnis" (von heiligen, Bibeltexten, Gesangsformen usw.) verwendet wird (so auch als Fremdwort im Deutschen). Vom Griechischen aus wurde es ins Türkische ( weiter gebildet5, wo es "Regel, Norm" bedeutet und in derkanun) übernommen. Dort bedeutet es "Gesetz",kanunname dem die osmanische Herrschaft ihren Höhepunkt erlebte, ist in der türkischen Geschichtsschreibung als bekannt, weil er das türkische Boden- und Verwaltungsrecht umfassend kodifizierte. Fast 200 Jahre zuvor hatte Murat I. (1360- 89) als erster osmanischer Herrscher systematisch begonnen, "Gesetzbuch". Sultan Süleyman I. (1520-1566), unterKanuni (der Gesetzgeber)kanun zu erlassen. Denn im osmanischen Rechtsverständnis warkanun Religionsgesetz ( basierte; Sunna ist die Gesamtheit der Äußerungen und Taten Mohammeds, die über den Koran hinaus überliefert sind. Neben diesem religiösen Recht gab es verschiedene gewohnheitsrechtliche Traditionen ( Die Albaner haben das Wort entlehnt; die primäre Bedeutung ist "Recht" bzw. "Rechtssystem". Für das einzelne Gesetz wurden als weltliches Recht nur Ergänzungsrecht zumÕeriat), das auf dem Koran und der Sunnaörf)6.kanun also von den Türkenligj (aus lat. lex) und nom (ausEinführung 7 1992, S.205. Gunnar Svane: Slavische Lehnwörter im Albanischen. Aarhus8 III. Tirana 1987, S.277-278 Eqrem Çabej: Studime etimologjike në fushë të shqipes. Bd..9 Pukës z. B. Xhemal Meçi: Kanun i Lekë Dukagjinit - Varianti i. Tirana 1997.10 Frano Ilia: xi Veröffentlicht von dem damaligen Erzbischof von ShkodraKanuni i Skanderbegut, Shkodra 1993.griech. gesetztes Recht und hergebrachte Gewohnheit waren, zeigt eine weitere Entlehnung: das slawische übernommen und hatte noch bei Buzuku (1555) und den gegischen Autoren des 17. Jahrhunderts diese Bedeutung, nahm aber zugleich im 17. Jahrhundert die Bedeutung "Gewohnheit, Sitte" an Gewohnheitsrecht ist nomos) gebildet. Wie ununterscheidbar ursprünglichzakon (Gesetz) wurde7. Ein weiterer, vielleicht der ältere Begriff für dasdoke8.Lek Dukagjini Das Wort Kanun wird meist im Zusammenhang mit Namen oder Gegenden gebraucht. Am bekanntesten ist der i Lekë Dukagjinit Dieser ist jedoch nur eine Regionalvariante neben anderen, die allerdings weit besser als alle anderen dokumentiert und systematisch erforscht ist. Auch der KLD existiert in Varianten Daneben gibt es den oder Kanun(Recht des Lek Dukagjini, abgekürzt KLD).9.Kanun i Skënderbeut (Recht Skanderbegs)10,Kanun i Arbërisë, den Kanun i Papazhulit (Recht desEinführung 11 E drejta zakonore shqiptare 1: Kanuni i Lekë Dukagjinit,mbledhur dhe kodifikuar nga Shtjefën K. Gjeçovi. Tirana 1989, S. 5-6. 12 S. 45. xii Walter Peinsipp: Das Volk der Shkypetaren, Wien 1985,Priesters Julius) oder Kanun i Labërisë (Recht der Laberia), denKanun i Malësisë së Madhe einige Lokalvarianten, die nicht als Kanun, sondern als Zakon bezeichnet werden. Vereinzelt werden statt dessen auch andere Turzismen ( Umschreibung Die Verknüpfung des Gewohnheitsrechts mit dem Namen eines bestimmten Gesetzgebers ist ein Widerspruch in sich und gehört in jedem Fall in den Bereich der Legende, auch wenn der vermeintliche Gesetzgeber eine historisch greifbare Persönlichkeit war. Diskutabel ist nur die Theorie, dass Lek Dukagjini das damals existierende Volksrecht sammelte, vereinheitlichte und reformierte Jahren fast völlig analphabetischen Gesellschaft hätte tun sollen, bedürfte dann der Erklärung, ebenso wie die Frage, warum der Kanun noch so viele vorchristliche Elemente enthält. Der Herrschaftsbereich der Familie Dukagjini im 15. Jahrhundert umfasste weite Teile des nordalbanischen Berglandes; genaue Abgrenzungen sind ebensowenig möglich wie bei anderen Adelsfamilien; auch genaue Lebensdaten sind nicht zu ermitteln. Leks Vater Pal und dessen Bruder Nikollë nahmen 1444 an der Fürstenliga von Lezha unter Skanderbegs Führung teil, überwarfen sich aber mit ihm wegen Gebietsstreitigkeiten und unterstützten sogar zeitweilig die Türken. Auch nachdem Lek 1455 die Führung der Familie übernommen hatte, wechselte er immer wieder die Fronten und (Recht des Hohen Berglandes) sowieusull, itifatk, adet, sharte) oder die albanischerruga oder udha ("Wege" verwendet11.12; wie er dies aber in einer damals wie vor fünfzigEinführung 13 Geschichte Südosteuropas in: Hasan Kaleshi: Dukagjini, in: Biographisches Lexikon zur. Bd. 1, S. 444-445; Aleks Buda: Dukagjinët,Fjalori Enciklopedik Shqiptar (FESH), Tirana 1985, S. 212.14 xiii Godin, 1956, S.190.war mal mit den Türken, mal mit Skanderbeg und mal mit den Venezianern verbündet als geographisch-ethnographischer Begriff für Teile Nordalbaniens zwischen der Malësia e Madhe und der Mirdita und dem westlichen Kosovo verwendet. Möglicherweise wurde die Bezeichnung "Recht des Dukagjin-Gebiets" irgendwann in der Volksüberlieferung auf den bekanntesten Vertreter der Familie Dukagjini zurück projiziert. Der KLD hatte den mit Abstand größten Geltungsbereich aller Gewohnheitsrechte und schloss die Mirdita mit ein. 13. Der Name Dukagjin wurde in der FolgeKoexistenz und Konfrontation Die Versuche, den KLD direkt aus dem byzantinischen Recht oder aus dem Gesetzbuch ( Stepan Dušan von 1349 herzuleiten, haben trotz einiger Übereinstimmungen nicht weitergeführt, weil beide Rechtssysteme für komplexe Staatsgebilde und feudale, hierarchisierte Gesellschaften konzipiert wurden. Auch Parallelen zu anderen Rechtssystemen, z. B. im Kaukasus, sind nicht durch direkte Beeinflussungen, sondern als Homologien aufgrund ähnlicher Lebensverhältnisse zu erklären Das Gewohnheitsrecht der Albaner war immer Ergänzungs- und zugleich Konkurrenzrecht zum staatlichen Recht, zu dem der Türken, dem des albanischen Staates nach Zakonik) des serbischen Zaren14.Einführung 15 orientalisch, europäisch. xiv Dardan Gashi, Ingrid Steiner: Albanien: Archaisch,Wien 1994, S. 70.1912, zum Recht der Besatzungsverwaltungen im I. und II. Weltkrieg und, was Kosovo angeht, zum Recht Jugoslawiens bzw. Serbiens. Diese Tradition der Doppelstaatlichkeit zeigte sich in Kosovo in den 90er Jahren in neuer Form, wo den Institutionen der serbischen Staatsmacht die Parallelinstitutionen der von der albanischen Bevölkerung legitimierten, aber sonst nicht anerkannten Republik Kosova gegenüber standen sich dieselbe Tradition jetzt auch gegen UNMIK und KFOR wenden. Mit großer Wahrscheinlichkeit reichen die Anfänge des albanischen Gewohnheitsrechts weit über die osmanische Herrschaft zurück; dann wären auch die Reichsbildungen der Byzantiner, Serben u. a. mit der Parallelität verschiedener Rechtsordnungen konfrontiert gewesen - eine Erscheinung, die alles andere als einzigartig ist. Solche Parallelitäten können weitgehend konfliktfrei koexistieren, wenn die Staatsmacht einige Rahmenbedingungen setzt wie Loyalität gegenüber dem Herrscher, Erfüllung von Steuer- und Abgabeverpflichtungen, Kriegsdienst u. a., im übrigen aber die Regelungen der rechtlichen Beziehungen zwischen den Bewohnern des betreffenden Gebietes untereinander diesen überlässt. Der Konflikt tritt dann in aller Schärfe auf, wenn die Zentralmacht ihren Ordnungsanspruch in allen Bereichen der Gesellschaft durchsetzen will. Im Falle Albaniens waren die Überlebenschancen des Gewohnheitsrechts abhängig von der Effizienz des osmanischen Verwaltungssystems. 15. Doch kannEinführung 16 Jahrhundert bei: Peter Bartl: Nationalen Unabhängigkeitsbewegung (1878-1912) S. 37-86. die detaillierte Verwaltungseinteilung im späten 19.Die albanischen Muslime zur Zeit der. Wiesbaden 1968,17 Bd. 1, S. 143-159. Johann Georg von Hahn: Albanesische Studien. Jena 1854,18 Valentina Kolçe: Xhibali, in: FESH, S. 1188; Koço Nova, in:E drejta zakonore xv , S. 39-40.Zwar war ganz Albanien in dieses Verwaltungssystem integriert doch die Durchsetzungsfähigkeit der osmanischen Verwaltung war abhängig von der Infrastruktur. Konkret: in den Städten war die osmanische Kontrolle umfassend, in den ländlichen Ebene konnten sich Restbestände des alten Rechts lange halten; dies dokumentierte 1854 der österreichisch-ungarische Konsul Johann Georg von Hahn für die Geschlechterverbände der Riça südöstlich von Tepelena nur nominell war. Erst in der Reformphase (Mitte des 19. Jahrhunderts) bemühten sich die Osmanen ohne große Erfolge um die Angleichung der Rechtsverhältnisse durch die Einführung des 16,17, während die Herrschaft der Türken im GebirgeXhibal Shkodra Vertreter der osmanischen Verwaltung und der Malësoren-Stämme zusammenarbeiteten (= Gebirgs)-Rechts, bei dem in einer Kommission in18.Schriftliche Form für mündliche Tradition: Gjeçov In der ethnographischen Literatur überAlbanien wurde bereits im 19. Jahrhundert viel über das Gewohnheitsrecht geschrieben. Die systematische Aufnahme der rein mündlichen Einführung 19 xvi Shtjefën Gjeçovi: Vepra. 4 Bde. Prishtina 1985.Rechtsüberlieferung konnte in einer fast völlig analphabetischen Gesellschaft nur von Leuten geleistet werden, die sich dauerhaft im Milieu aufhielten, mit der Mentalität der Menschen vertraut waren und die Sprache perfekt beherrschten. Gerade Rechtssatzungen werden nicht nur im Dialekt, sondern darüber hinaus in einer altertümlichen, verknappten und verklausulierten Sprache überliefert, die ohne Kommentierung oft nicht verständlich ist. Diese Aufgabe konnte im Gebiet der nordalbanischen Stämme daher nur von Priestern geleistet werden. Der am 12.7.1874 in Janjevo (Kosovo) geborene Shtjefën Konstantin Gjeçov war Franziskaner und arbeitete als Gemeindepriester in verschiedenen Gemeinden Nordalbaniens und in Kosovo. Er begann bereits 1913 mit der Veröffentlichung der von ihm gesammelten Rechtssatzungen in der Zeitschrift der albanischen Franziskaner seiner Ermordung durch serbische Nationalisten am 14.10.1929 gaben andere Franziskaner das von ihm hinterlassene Material systematisiert unter seinem Namen mit dem Titel "Kanuni i Lekë Dukagjinit" (KLD) 1933 in Shkodra heraus. Gjeçov hat das nordalbanische Gewohnheitsrecht in einer sehr späten Phase aufgezeichnet. An einigen Stellen (z. B. §§ 898- 900) verweist der Text selbst auf einen älteren Stand. Noch deutlicher wird die „Schichtung" der Rechtsentwicklung verschiedener Epochen durch die starken vorchristlichen Elemente, die mit christlichen kombiniert werden. Gjeçovs Werke wurden 1985 in Prishtina neu heraus gegeben New York ein Faksimile mit englischer Parallelübersetzung von Hylli i Dritës (Stern des Lichts). Nach19, der KLD als verkleinertes Faksimile. 1989 erschien inEinführung 20 Kanuni i Lekë Dukagjinit - The Code of Lekë Dukagjini.Hrsg. Shtjefën Gjecov; Übers. Leonard Fox. New York 1989. 21 consuetudinario delle montagne d‘Albania. Stefano Gjeçov: Codice de Lek Dukagjini, ossia direttoRom 1941.22 Gewohnheitsrecht, in: Marie Amelie Freiin von Godin: Das albanischeZeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft,56 (1953), S. 1-46; 57 (1954), S. 5-73; 58 (1956), S. 121-198. 23 E drejta zakonore shqiptare 1: Kanuni i Leke Dukagjinit,mbledhur dhe kodifikuar nga Shtjefën K. Gjeçovi. Tirana 1989. xvii Leonard Fox Akademie eine Übersetzung heraus Marie Amelie von Godin veröffentlichte die in diesem Buch neu herausgegebene deutsche Übersetzung als Aufsatzfolge, unter Mithilfe von Eqrem Bej Vlora ergänzt durch Kommentare und Vergleiche mit dem arrangierte Textversion auf der Basis von Gjeçovs Edition mit ergänzendem Material wurde von der Akademie der Wissenschaften Albaniens herausgegeben Die teils von Gjeçov, teils von seinen Erben geleistete Systematisierung teilt den KLD in 1263 Paragraphen ein. Unter den zwölf Büchern regelt Buch 1 die Stellung der Kirche in zivilund strafrechtlicher Beziehung; die Bücher 2-9 decken das Zivilrecht im weitesten Sinn incl. des Familienrechts ab, Buch 10 das Strafrecht, Buch 11 das Öffentliche Recht; Buch 12 legt rechtliche Privilegien und Diskriminierungen sowie die Bräuche bei Todesfällen fest. Doch wir werden sehen, dass im Kanun die Abgrenzung der drei traditionellen Rechtsgebiete häufig unmöglich ist. 20. Bereits 1941 gab die Königlich-Italienische21. Die deutsche AlbanologinKanun i Papazhulit22. Eine kritische, neu23.Einführung 24 fremden Einfluss, den Gjeçov nicht der Volkssprache entnommen hat; Koço Nova hält die Verwendung des Wortes familje für einenE drejta zakonore, S. 53.25 252/53, 258. xviii Karl Kaser: Hirten, Kämpfer, Stammeshelden, Wien 1992, S.
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Erstellt: 11.03.08, 21:57 Betreff: Re: Der KANUN - Die Hausgemeinschaft
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Die Hausgemeinschaft Die soziale Elementareinheit der nordalbanischen Gesellschaft ist die Familie ( Hausgemeinschaft ( dauerhaft unter einem Dach leben (§ 18); Vier-Generationen- Haushalte mit mehr als 50 Angehörigen waren nicht selten. Es gibt mehrere übergeordnete Kategorien: a) "der Stammbaum des Blutes" ( patrilineare Blutsverwandtschaft: Brüderschaft ( Stamm ( b) "der Stammbaum der Milch" ( matrilineare Verwandtschaft ( c) die territorialen Einheiten: Dorf ( familje) im Sinne dershpi)24; sie umfasst also alle Menschen, dielisi i gjakut), also dievllazni),fis);lisi i tamblit), also diegjini), und;katund), Banner (flamuroder Blutsverwandtschaft, d.h. die Annahme gemeinsamer Vorfahren, egal in welcher Generation, verbieten in der streng exogamen Gesellschaft Heiraten (§§ 695-697). Aus praktischen Gründen musste hier zwischen Theorie und Praxis eine Lücke klaffen; besonders die Nichtberücksichtigung der matrilinearen Verwandtschaft schuf hier Freiräume, die faktisch zur Stammesendogamie führten weiter kompliziert durch eine Reihe von Personenverhältnissen, die der Blutsverwandtschaft gleichgestellt sind: die bajrak) (§§ 19, 698-703).25. Das Exogamiegebot wird nochEinführung 26 Customs of the Balkans. xix Mary Edith Durham: Same Tribal Origins, Laws andLondon 1928, S. 304-305.Blutsbrüderschaft ( shëngjoni ( und die Patenschaft des ersten Haarschnitts ( Letzteres ist eine genau geregelte Zeremonie, die an ein- bis zweijährigen Kindern vorgenommen wird, im Notfall auch nach ihrem Tode (§§ 714-734). An diesem Punkt zeigt sich besonders deutlich, dass in den Kanun christliche wie vorchristliche Elemente eingeflossen sind; das Haupthaar als Sitz der Lebenskraft und der physischen Stärke (vgl. Samson-Mythos) ist ein eindeutig magisches, nicht christliches Element. Die Kirche musste sich mit diesem und anderen Bräuchen arrangieren. Die katholische Kirche brachte es immerhin um die Jahrhundertwende soweit, dass das Heiratsverbot keine Beachtung mehr fand. Noch 1908 beschäftigte ein Protest gegen eine Eheschließung unter "Verwandten aufgrund Haarschnittspatenschaft" mehrere zivile und kirchliche Stellen. Die orthodoxe Kirche integrierte hingegen derartige Bräuche, indem das Haare Schneiden durch den Paten Bestandteil der Taufzeremonie wurde An der Spitze des Haushaltes steht der Hausherr ( shpis doch sind die (männlichen) Haushaltsmitglieder berechtigt, einen Hausherrn zu wählen, wenn der Älteste ungeeignet, also aus Alters- oder Gesundheitsgründen nicht voll geschäftsfähig ist. Ihm obliegt die gesamte wirtschaftliche Verantwortung für den Haushalt, seine Vertretung nach außen und die Disziplinargewalt. wobei die Strafen von Entzug einer Mahlzeit bis zur Verstoßung aus dem Haushalt reichen (§§ 20-21). Jeder Vater, auch wenn er vllaznim) und die Patenschaft (kumbari;), von der es drei Formen gibt: die Taufpatenschaftkumbari e pagzimit), die Trauzeugenschaft (kumbari e kunores)kumbari e flokvet).26.i zot i), in der Regel der älteste Mann im Haus oder dessen Bruder;Einführung 27 1954, S. 27. xx Margaret Hasluck: The Unwritten Law in Albania, Cambridgenicht Hausherr ist, hat über seine Kinder unbeschränkte Verfügungsgewalt; er darf sie sogar töten, ohne Blutrache oder Strafe zu riskieren, weil die Vernichtung des eigenen Blutes dem Selbstmord gleichgestellt ist (§ 59). Die Hausfrau ( Sie muss nicht seine Ehefrau sein, im Gegenteil, im Regelfall hat die Mutter des Hausherrn diese Funktion inne, die in erster Linie die Verantwortung für die Nahrungsmittel und die Aufsicht über die im Haushalt lebenden Frauen beinhaltet; sie ist von harten körperlichen Arbeiten befreit, für die sie die anderen Frauen einteilt (§§ 22-23). Die übrigen Familienmitglieder haben das Verfügungsrecht über ihre eigenen Waffen und müssen vom Hausherrn in ihrem speziellen Arbeitsbereich konsultiert werden, sind aber im übrigen seinen Weisungen unterworfen; sie können den Hausherrn bei schwerer Misswirtschaft, die Hausfrau im Falle des (auch leichten) Diebstahls oder der Bevorzugung ihrer eigenen Kinder absetzen (§§ 24-25). Wenn ein verheiratetes Paar ein eigenes Schlafzimmer hat, darf es von keinem anderen ohne sein Einverständnis betreten werden e zojë e shpis) wird vom Hausherrn ernannt27.Verwaltungsrecht Der Haushalt hat das Recht und die Pflicht, an der Dorfversammlung ( Anwesenheitspflicht); er ist berechtigt, das Gemeindeland mit zu nutzen, an der Verteilung von Sach- und Geldstrafen ( beteiligt zu werden und den Schutz des Dorfes in Anspruch zu kuvend) teilzunehmen (der Hausherr hatgjobë)Einführung xxi nehmen; er muss sich an Arbeiten zugunsten dörflicher Einrichtungen beteiligen. Im Rahmen des Banners ( Haushalt die Pflicht, an dessen Versammlungen mit einem Vertreter (i.d.R. dem Hausherrn) und an dessen Kriegen teilzunehmen (§§ 26-27). An der Versammlung des Stammes ( Kirchplätzen abgehalten werden, können prinzipiell alle Männer bewaffnet, aber unter absoluter Friedenspflicht teilnehmen (§§ 1106-1125). Die "Gesetzgebung" und Rechtsprechung liegt bei den Ältesten ( ( gegen Urteile der Ältesten ist zulässig (§§ 1034-1043); das Volk kann in der Versammlung Urteile zur Neuentscheidung zurückweisen (§§ 1176-1178). Die Würde des Stammeshäuptlings ( politischen und Rechtsfragen gemeinsam mit den Ältesten und eventuell dem Volk (§§ 1146-1160). Im Rechtsverfahren gibt es eine Reihe von Funktionsträgern: den Eideshelfer ( 1044-1078), den geheimen Ankläger ( die Ermittler ( Geldstrafen ( Beweismittel ist der Reinigungseid des Beschuldigten unter Hinzuziehung der Eideshelfer, der sowohl seine Unschuld als auch seine Unkenntnis des wahren Täters beeiden muss; der Kläger schwört nicht (§§ 538-542). Es gibt verschiedene Formen des Eides, die alle mit religiösen Formeln (Anrufung Gottes als Bürgen für die Wahrheit) und der Beschwörung zeitlicher und ewiger Strafen im Falle des Meineides verbunden sind (§ 532); bei jedem Eid muss ein geheiligter Gegenstand berührt werden. Hier konkurrieren wieder christliche mit vorchristlichen Symbolen: Neben dem Eid auf das Kreuz oder das Evangelium stehen der Eid auf die Häupter der eigenen Söhne und der Eid beim Stein ( flamur) hat derfis), die aufpleq) der Banner und Dörfer und den "Überältesten"sterpleq) als Vertretern des Volkes (§§ 991-1043). Eine Berufungkre) ist erblich. Er ist an den Kanun gebunden und entscheidet inporotë) (§§kapucar) (§§ 1079-1093),pritetarë) (§§ 1094-1105), den Eintreiber der Sachundgjob(t)ar) ( §§ 1171-1175). Wichtigstesbe mbë gur). Darunter ist ein Stein mit drei LöchernEinführung 28 Hasluck, S. 181-82.29 Balkankunde. Peter Bartl: Die Mirditen. in: Münchner Zeitschrift für1 (1978), S. 27-69.30 xxii Nova, in: E drejta zakonore, S. 29.zu verstehen, der die Waage für das Kerzenwachs der Kirche trägt (§§ 533-537); mit Sicherheit ist dies die christianisierte, nur bei den Katholiken vorkommende chthonischer (= Erd-) Gottheiten. Die Eide werden auch zur Beteuerung einer Abmachung, eines Bündnisses usw. geleistet. Der Bote ( Dörfern oder Bannern hin- und her trägt, genießt Immunität bezüglich der Botschaften und umfassenden Schutz (§§ 1200- 1212), ebenso der Herold des Stammes ( Häuptlings überbringt und zu Versammlungen und Kriegszügen aufruft (§§ 1213-1220). Anders als die Montenegriner, deren Gesellschaftssystem ähnlich wie das der Nordalbaner strukturiert war, gelangten die Malësoren nie zur Bildung einer Zentralgewalt. Das Oberhaupt der Gjonmarkaj war seit dem 18. Jahrhundert erblicher Hauptmann (kapedan) der katholischen Mirdita, die noch im 17. Jahrhundert als Teil des Dukagjin gegolten hatte. Ihre Stellung war auch von der Hohen Pforte anerkannt, die mehreren Kapedanen den Pasha-Titel verlieh Die Stellung der Gjonmarkaj ist in einem eigenen Kapitel des 11. Buches (§§ 1126-1145) sowie an zahlreichen anderen Stellen geregelt. Wenn auch die politische Führungsrolle der Familie nicht über die Mirdita hinaus reichte, war ihre Stellung als höchste Autorität in Fragen des Kanun auch in weiten Teilen der Malësia anerkannt 28 Variante einer Beschwörunglajmtar), der Botschaften zwischen Haushalten,kasnec), der Aufträge des29.30.Einführung 31 Godin 1956, S. 155.32 xxiii Bartl, Muslime, S. 46-47.Das Haus Gjonmarkaj wird als "Grundstein des Kanun" bezeichnet (§ 1126). Seine Vertreter nehmen in Krieg und Frieden den Vorsitz und die Führung ein. Einzelne Mitglieder der Familie können zwar bestraft werden. Doch die Familie als ganze darf als einzige nicht kollektiv durch Bann oder Vertreibung bestraft werden; sie hat aber das Recht, Verurteilungen zu schwersten Strafen zu verhängen und Stammesführer abzusetzen und durch andere Mitglieder desselben Stammes zu ersetzen. Sie ist die letzte Instanz in allen Streitfragen. Ihr stehen Anteile an jeder Sach- und Geldstrafe zu. In der Mirdita hat die Familie des Täters jede Tötung bei den Gjonmarkaj zu melden und 500 Grosh zu zahlen; das entspricht einem Baugrundstück, 140 kg Honig, Wachs, Käse oder Wolle, 10 Schafen oder Ziegen oder einem Gewehr (Richtpreise nach § 484). Als Eideshelfer gilt der Eid eines Gjonmarkaj zwölffach. Diese Privilegien sind wegen des relativ späten Aufstiegs der Familie eines der jüngsten Elemente im KLD. Die Anerkennung der Gjonmarkaj als erbliche Kapedane durch die Osmanen macht sie zu Stellvertretern des Sultans; als solche sind sie ebenso wie die Feudalhäuser des Südens rechtlich immun Eine ähnlich privilegierte Stelle nimmt der katholische Priester ein. Obwohl das engere Dukagjin-Gebiet (anders als die Mirdita) gemischt religiös war Islam und dessen Geistlichkeit. Offenbar hat Gjeçov hier einschlägige Bestimmungen weggelassen; überdies hat er sein Material hauptsächlich in weitgehend katholischen Gebieten gesammelt. In der Praxis ist die Position des Hoxhas ähnlich wie die des Priesters, doch genießt 31.32, ist an keiner Stelle die Rede vomEinführung 33 Kosovë. xxiv Ragip Halili: Sanksionet penale sipas të drejtës zakonore nëPrishtina 1985, S. 78-85.der Priester eine Sonderstellung, weil er niemals Söhne und meist auch keine Familie hat. Die Kirche besitzt Eigentumsrechte, ist von Steuern ausgenommen, darf aber selbst den Zehnten erheben sowie Diener und Arbeiter beschäftigen. Sie unterliegt nur der Jurisdiktion des Bischofs, nicht dem Kanun. Sie hat auch selbst keine Strafgewalt; ihr angetanes Unrecht wird von der Gemeinde bestraft. Wird der Priester getötet, so übernimmt nicht nur seine Familie (sofern er überhaupt eine hat), sondern die Gemeinde und das Banner die Rache. Falls er selbst jemanden tötet, darf sich die Rache nicht gegen ihn, wohl aber seine Familie richten. Er wird üblicherweise nicht vereidigt; falls doch, zählt sein Eid 24fach. Nur in extremen Fällen kann der Priester nach dem Kanun bestraft werden (§§ 1-12).
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Erstellt: 11.03.08, 21:57 Betreff: Re: Der KANUN - Öffentliches Strafrecht
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Öffentliches Strafrecht Die Strafjustiz des Kanun ist eine Mischung aus öffentlicher und Selbstjustiz. Der Katalog der öffentlichen Strafen beinhaltet verschiedene Stufen der Einschränkung der Lebensgrundlagen des Schuldigen und seiner Familie; er reichte von Geld- und Sachstrafen über die Verwüstung von Ackerland, das Niederbrennen des Wohnhauses und die Vertreibung der Familie aus dem Banner bis zur Todesstrafe (§ 16). Haft- und Körperstrafen kommen nicht vor, da sie mit der Ehre erwachsener Männer unvereinbar wären das Dorf bzw. das Banner, meist durch Erschießen, vollstreckt. In 33. Die Todesstrafe wird kollektiv durchEinführung xxv diesem Falle bleibt der Tod ungerächt; "das Blut geht verloren" ( Einzelnen und keine Familie zurück. Sie steht auf besonders schwere Delikte wie Tötung eines Priesters, des eigenen Vaters, eines Gastes, eines Feindes, der unter dem Schutz des Ehrenwortes steht, eines Verwandten aus Erbschaftsgründen, eines Boten aus dem eigenen Dorf oder infolge einer ungerechtfertigten Verschiebung von Grundstücksgrenzen, Schusswaffengebrauch in einer Versammlung (§§ 17, 62, 251, 1125, 1194). shkon gjakhupës). Die kollektive Tötung fällt auf keinen
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Erstellt: 11.03.08, 21:58 Betreff: Re: Der KANUN - Die Ehre
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Die Ehre Die Ahndung der Mehrzahl der Straftatbestände sind dem Geschädigten bzw. dessen Haushalt überlassen, doch auch sie unterliegen einer genauen Regelung. Dies betrifft vor allem die Komplexe Vermögensschäden, Ehrverletzungen und Verbrechen gegen Leib und Leben. Träger der Ehre ( Mann sein; die Ehre jedes Mannes ist grundsätzlich gleich, unabhängig von seiner sozialen Stellung: "Gott gab uns zwei Fingerbreit Ehre mitten auf die Stirn" ( ballit na i njiti Zoti i Madh können nicht durch Sachleistungen abgegolten werden, sondern nur durch Vermittlung vergeben oder mit Blut abgewaschen werden, denn ein entehrter Mann wird für tot gehalten (§§ 597- 599). Eine Entehrung ist es, jemanden öffentlich der Lüge zu zeihen, jemanden anzuspucken, zu bedrohen, zu stoßen oder zu schlagen, einem anderen das ihm gegebene Wort zu brechen, jemandes Frau Gewalt anzutun oder zu entführen, jemandem die Waffe wegzunehmen, jemandes Gast zu beleidigen, bei jemandem einzubrechen, Schulden oder Verpflichtungen nicht einzuhalten, bei jemand anderem den Deckel vom Topf auf dem Herd abzunehmen, die Vortrittsrechte des Gastes beim Eintunken des nderë) kann nur einDy gisht nderë në lule të) (§§ 593-596). EhrverletzungenEinführung xxvi ersten Bissens zu mißachten (§ 601). Die Ehre der Frau ist Bestandteil der Ehre des Mannes. Wird sie entehrt ( nicht erst durch eine vollzogene Vergewaltigung geschieht -, ist dies die denkbar schwerste Verletzung der Ehre des Mannes. In diesem Fall gilt nicht einmal pro forma das ohnehin durch die Anforderungen des Ehrbegriffs ausgehöhlte Prinzip: "Eine Schuld soll nicht mit Blut vergolten werden" ( Diese Wertigkeit ist in zwei Zusammenhängen von Bedeutung: Erstens erklärt sie, warum in Nordalbanien das Ansehen der deutschen Besatzungssoldaten wesentlich höher war als 2das der Italiener, weil nämlich Geiselerschießungen immerhin keine Ehrverletzung darstellten, im Unterschied zu den angeblich häufigen sexuellen Übergriffen italienischer Soldaten. Zweitens muss man wegen ähnlicher traditioneller Wertemuster hier auch eines der Motive für die Massenvergewaltigungen in den Kriegen im früheren Jugoslawien suchen. dhunue) - wasgjaku per faj s‘jet) (§ 921).
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Erstellt: 11.03.08, 21:59 Betreff: Re: Der KANUN - Der Gast
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Der Gast Die Ehre hängt in vielen Fällen mit einem anderen Kernstück des Kanun zusammen, dem Gast ( Albaners gehört Gott und dem Gast" ( Zotit e e mikut mit "Freund" übersetzt werden, weil seine Grundlage nicht eine dauerhafte Beziehung zwischen zwei Menschen ist. Das Verhältnis zwischen Hausherr und Gast ist ein zeitlich begrenztes, und es ist nicht das Verhältnis zwischen zwei Individuen, sondern zwischen allen Teilen der Gesellschaft, von dem auch Fremde profitieren können. Die Gastfreundschaft ist nicht Ergebnis einer besonders hoch entwickelten Ethik, sondern zunächst eine Überlebensnotwendigkeit für jeden, der in einem Gebiet reist, das kaum öffentliche Beherbergungsmöglichkeiten kennt. Dies wird mik) "Das Haus desShpija e shqyptarit asht e, § 602). mik (aus lat. amicus) kann im Kanun nichtEinführung 34 zerrissene April. Yamamoto: Analysis of the Ethics. xxvii Zum Konzept des göttlichen Gastes: Ismail Kadare: DerSalzburg, Wien 1989, bes. S. 74-75, 84; KazuhikoThe Tribal Customary Code in High Albania: A StructuralVortragsms. 1994.seit Jahrtausenden überhöht bis zu dem Punkt, im ankommenden Gast einen (potentiellen) Gott zu sehen, der Verstöße schrecklich bestrafen kann: Thor kehrt bei einem Bauern ein, schlachtet einen seiner Widder und verbietet, dessen Knochen zu spalten; der Sohn des Bauern tut es dennoch, was Thor bei der Wiederbelebung seines Tieres merkt und den Sohn als Diener mitnimmt. Tantalos setzt den Göttern seinen Sohn Pelops vor; sie merken den Frevel und stürzen Tantalos in die Unterwelt. Gott, Jesus oder St. Petrus wandern durch die Welt und werden in reichen Häusern abgewiesen, in armen aufgenommen; Strafe und Belohnung folgen auf dem Fuße Der Gast wird mit dem größtmöglichen Aufwand verpflegt, beherbergt, geehrt und geschützt; letzteres wird durch die Übergabe der Waffe an den Hausherrn symbolisiert (§§ 602-618). Der Schutz schließt die Verteidigung des Gastes gegen jeden Angriff und jede Ehrverletzung im Haus und auf der Weiterreise ein, bei der ein Haushaltsmitglied ihn begleiten muss; der Hausherr übernimmt zugleich die Verantwortung für Verfehlungen des Gastes. Die Gastfreundschaft muss auch einem Feind gewährt werden. Sie endet in dem Moment, wo der Gast und sein Begleiter sich trennen; wenn der Begleiter sich abgewendet hat, braucht er nicht mehr für den bisherigen 34.mikeinzutreten oder seinen Tod zu rächen (§§ 620-639). Beim Essen sind genaue Reihenfolgen und Verhaltensweisen zu beachten ( §§ 653-666), auch durch den Gast, der den Teller nicht auskratzen oder mit Brot auswischen und auch den Herdstein nicht berühren Einführung 35 xxviii Kadare, S.84.darf Letzteres wird wohl als symbolisches Umstürzen des Hauses verstanden. Wer sich in der Kirche (außer wenn er ausdrücklich ans Kirchenasyl appelliert, § 4), der Schmiede, der Mühle oder der Herberge aufhält, gilt nicht als Gast; d.h. die Inhaber dieser gemeinnützigen Einrichtungen haften nicht für Schäden, die er erleidet oder anderen zufügt (§ 315). 35; eine solche Beleidigung würde das Gastrecht aufheben.
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Erstellt: 11.03.08, 22:00 Betreff: Re: Der KANUN - Ehe und Frauen
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Ehe und Frauen Außer der Ehe ist keine Form der Beziehung zwischen Mann und Frau zulässig (§ 29). Ein junger Mann darf sich nur dann mit seiner künftigen Ehe befassen, wenn sein Vater tot ist, eine junge Frau niemals (§§ 30-31). Eine Frau erbt nicht und besitzt nichts (§ 44). Während der junge Mann eine Verlobung aufkündigen kann, können die Eltern ihre Tochter zur Heirat zwingen und den Mann durch die mitgegebene Patrone ermächtigen, sie straffrei zu töten, falls sie fliehen sollte; wenn die Eltern die ablehnende Haltung der Tochter billigen, darf sie ohne Erlaubnis ihres bisherigen Verlobten keinen anderen heiraten, solange dieser lebt, auch wenn er selbst heiratet (§§ 42-43). Unter Hinzuziehung von 12 Eideshelfern kann ein Mädchen ewige Jungfräulichkeit schwören und dann Nonne oder Dienerin eines Priesters werden, oder es kann sich als Mann kleiden und wie ein Mann leben, allerdings ohne Stimmrecht in der Versammlung (§ 1228). Diese Sonderrolle der verbreitet und in jedem Fall selten. Offenbar war diese Rolle nicht so sehr als letzter Ausweg vor einer ungewollten Ehe gedacht, sondern als Rettungsanker für eine Familie ohne Söhne; so konnte virgjën ist offenbar nur regionalEinführung 36 Durham, S. 194, 211; Kaser, S. 286-87; Antonia Young:Women who become men. Albanian Sworn Virgins. 2000. Oxford, New York37 xxix Kaser, S. 287.die Vererbung des Besitzes innerhalb der Familie gesichert werden Die Frau bleibt entsprechend dem Prinzip der Blutsverwandtschaft Mitglied der elterlichen Familie, die die Blutrache auf sich nimmt, wenn die Frau jemanden tötet, und die zur Blutrache verpflichtet ist, wenn jemand, z. B. ihr Ehemann, die Frau tötet (§ 57). Der Ehemann darf sie beliebig arbeiten lassen, sie - in gewissen Grenzen - schlagen und sie verlassen. Wenn sie Ehebruch begeht oder die Gastfreundschaft verletzt, darf er sie straflos töten; für diese Fälle legen die Eltern der Aussteuer die erwähnte Gewehrpatrone bei (§ 57). Uneheliche Kinder waren nicht nur vom Erbrecht und von der Teilnahme an der Gemeinschaft ausgeschlossen; ihre Geburt wurde durch die Hinrichtung der Eltern bzw. die Tötung des Mädchens durch die eigene Familie meist verhindert; gelang dem Mädchen die Flucht, waren sie und ihr Kind für immer verbannt (§ 929-931) 36.37.
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Erstellt: 11.03.08, 22:01 Betreff: Re: Der KANUN - Die Rache
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Die Rache Die Blutrache ( Todesstrafe, die von der Gemeinschaft wegen Delikten, die die Gemeinschaft als solche bedrohen, von der Familie (der patrilinearen Verwandtschaft) des Geschädigten innerhalb der Regeln des Kanun vollstreckt. Sie betrifft nur Männer; auf Frauen und Kinder darf ebensowenig wie auf Vieh und Häuser gjak, gjakmarrje) wird, anders als dieEinführung 38 xxx Hasluck, S. 229.geschossen werden (§§ 835-836). Der Ausführende eines Anschlags, ebenso der Anstifter, meist auch die Mittäter fallen unter die Blutrache (§§ 822-842). Bei Tötungen wird zwischen Mord und unbeabsichtigter (fahrlässiger) Tötung unterschieden; letztere ist straflos (§§ 932-938). Der Mörder ( informieren, damit kein falscher Verdacht aufkommt, und für den Transport des Toten zu dessen Familie sorgen. Auf keinen Fall darf er dessen Waffe stehlen; wenn er sie zum Beweis seiner Tat mitnimmt, muss er sie der Familie des Opfers schicken durch Vermittler zunächst einen 24stündigen Waffenstillstand ( die Familie kann noch einen weiteren 30tägigen Waffenstillstand gewähren, muss es aber nicht. Gelingt es der Familie des Opfers, den Mörder, ohne dass eine Stunden zu töten, gilt dies als vollzogene Blutrache, danach eröffnet die Tötung des Mörders eine neue Blutrache (§§ 843- 873). Außerdem muss an das Banner eine hohe Geldstrafe von 3000 Grosh, 100 Schafen und einem halben oder ganzen Ochsen gezahlt werden, für Verwundungen die Hälfte (§§ 892-895), in der Mirdita zusätzlich noch 500 Grosh an die Gjonmarkaj. In der ursprünglichen Form des Kanun richtete sich die Rache nur gegen den tatsächlichen Mörder, später gegen jeden männlichen Verwandten (§§ 898-900). Auch die Tötung in Selbstverteidigung, zur Abwehr eines Raubes, einer Brandstiftung oder wegen einer Beleidigung zieht Blutrache nach sich, obwohl die Ehre es häufig verlangt, zur Waffe zu greifen (§§ 909-915). Die eigene Frau und ihren Liebhaber darf man nur in flagranti mit einem einzigen Schuss töten, ohne Blutrache auf sich zu ziehen; sonst ist der dorëras) muss die Familie des Opfers38. Er mussbesë) erwirken und an der Beerdigung seines Opfers teilnehmen;besë gewährt wurde, binnen 24Einführung xxxi Stamm, das Dorf oder das Banner verpflichtet, die Ehebrecher hinzurichten (§§ 920-931). Selbst Tötungen innerhalb der Familie sind genau geregelt: Selbstmord und Tötung des Sohnes durch den Vater sind straffrei, für Brudermord ist nur die Geldstrafe zu zahlen, weil keine andere Familie da ist, bei der man das Blut nehmen könnte; auf Vatermord steht die Todesstrafe, weil er die maximale Verletzung des patriarchalen Systems darstellt; Tötung des Ehepartners oder der Mutter löst Blutrache mit der Familie der Ermordeten aus (§§ 958-964). Versöhnungen können durch Vermittler ( Bürgen ( meist im Kriegsfall) zustandekommen (§§ 965-990). Die langwierigen Vermittlungsverfahren, die durch die Familie des zuletzt Ermordeten beliebig abgebrochen werden können, enden im Erfolgsfall mit einer Blutsbrüderschaft, die auch Heiraten im Wege stehen (§§ 988-990). Es gibt Spezialisten für das Gewohnheitsrecht in Kosovo und in Nordalbanien, die sich seit Jahrzehnten hauptsächlich mit der Aussöhnung verfeindeter Familien befassen. Es bleibt die Frage, warum es die Blutrache nicht beim Talionsprinzip belässt und die ursprüngliche Tötung nicht mit einer weiteren Tötung tilgt und so die Affäre beendet, sondern zu einem "Pingpongspiel" ausartet, das sich über viele Generationen hinzieht. Der ungarische Geograph und Ethnograph Baron Nopcsa untersuchte Gemeindestatistiken der Jahrhundertwende und führte 23-42% aller Todesfälle bei Männern auf Mord zurück. Der Grund dürfte darin liegen, dass die Blutrache mehr ist als bloße Rechtspflege - denn wenn die Gesellschaft der nordalbanischen Berge sich für eine Reihe von Verstößen Institutionen, Verfahrensweisen und Sanktionen geschaffen hat, hätte sie dies im Prinzip auch für alle Tötungsdelikte tun können. Karl Kaser ordnet sicher zu Recht die Blutrache in den Ahnenkult ein: Die shkues) unddorzân) oder im Rahmen einer Generalamnestie (diesEinführung 39 xxxii Kaser, S. 275-279.Seele des Ermordeten kann erst dann Ruhe finden, wenn sein Tod gerächt wurde 39.
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Erstellt: 11.03.08, 22:02 Betreff: Re: Der KANUN - Staatliches Recht
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Staatliches Recht Alle albanischen Regimes, besonders die etwas langlebigeren unter Ahmet Zogu und unter der Partei der Arbeit Albaniens (PPSH), haben versucht, in ganz Albanien modernes staatliches Recht durchzusetzen. Zogus Möglichkeiten waren aus strukturellen Gründen gering; außerdem hatten etliche Stammesführer, zu denen er selbst auch gehörte, bei seiner Machtübernahme 1924 eine entscheidende Rolle gespielt; auch die Besatzungsregimes haben sich maßgeblich auf die Stammesführer gestützt. Damit standen die meisten von ihnen in scharfer Gegnerschaft zu den Kommunisten, deren Machtübernahme viele von ihnen das Leben kostete. Das kommunistische System hat für sich in Anspruch genommen, in ganz Albanien einheitliche Rechtsverhältnisse geschaffen zu haben. Dies sei durch eine Reihe objektiver und subjektiver Veränderungen erreicht worden: 990. demographischer Wandel (Generationswechsel, starke Bevölkerungszunahme), 991. sozioökonomischer Wandel (soziale Revolution, veränderte Klassenstruktur, beginnende Urbanisierung), 992. politische Führungsrolle der PPSH im ideologischen Kampfe gegen die Normen des Kanun, 993. Einsatz der Strafjustiz gegen Gesetzesverstöße aufgrund der Normen des Kanun, 994. Kulturrevolution ab 1967 mit Stoßrichtung gegen die rückständigen Sitten des Nordens, Einführung 40 për zhdukjen e mbeturinave të saj në Shqipëri. Ismet Elezi: E drejta zakonore penale e shqiptarëve dhe luftaTirana 1983, S. 267-284.41 xxxiii Populli Po. 31.7.1994.995. Kampf gegen die Religionen, 996. Mobilisierung der öffentlichen Meinung gegen die Überreste des Gewohnheitsrechts Der fast übergangslose Zusammenbruch der realsozialistischen Ordnung und der mit ihr verbundenen Grundwerte hat ein Vakuum hinterlassen, das die schwachen Institutionen des bürgerlichen Rechtsstaats nicht ausfüllen konnten. Die totale Abwertung der vergangenen 50 Jahre bedeutete gleichzeitig eine Aufwertung früherer Verhältnisse und Werte, gegen die die Kommunisten angetreten waren. Ordnungselemente des Kanun hätten z. B. bei der Landverteilung eine stabilisierende Rolle spielen können, doch ist das Gewohnheitsrecht ein so weitgehend geschlossenes System, dass auch die destruktiven, mit dem Rechtsstaat unvereinbaren Elemente des Kanun nach dem Wegfall der staatlichen Repression wiederbelebt wurden. Diese Unvereinbarkeit zeigte sich schon 1991 an der (bereits im Ansatz widersinnigen) Gründung einer Partei "Rache nach dem Kanun", die wegen Verfassungswidrigkeit nicht zugelassen wurde 40.41.
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Erstellt: 11.03.08, 22:03 Betreff: Re: Der KANUN - Alte Fälle und neue Motive
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Alte Fälle und neue Motive Bei den Blutfehden, die jetzt wieder aufleben oder erst neu entstehen, sind folgende Motive erkennbar: Einführung 42 Sokol Mici: Wiederaufleben der Blutrache in Albanien, in:Albanische Hefte, 21 (1992) 2, S. 20-21, Fall Kapllani.43 Mici, Fall Gjeka; Der Spiegel 27.2.1995, Fall Ropaj.44 Der Spiegel 27.2.1995.45 xxxiv Der Spiegel 27.2.1995.1. Eine jahrzehntealte Blutschuld ist noch offen und wird jetzt beglichen 2. Rache gegen Funktionäre des kommunistischen Systems (Polizisten, Sigurimi-Mitarbeiter) wegen deren Übergriffen; 3. Eskalation eines Streits (häufig aus politischen Gründen) zur Ehrverletzung 4. Übergriffe gegen Frauen, vor allem Nötigung zur Prostitution 5. objektiv fahrlässige Tötungen, die dennoch als Mord gewertet werden 6. Streit um Grundstücksgrenzen, Bewässerungskanäle u.a.; hier hat die Kollektivierung den Grundsatz der prinzipiellen Unveränderbarkeit von Grundstücksgrenzen und der Pflicht zur genauen Demarkation (§ 242) aufgehoben. Nach dem Kanun ist der Grenzstein den Gebeinen der Toten gleichgestellt (§ 243). Daraus folgt, dass, wenn keine gütliche Einigung mit Hilfe der Ältesten möglich ist, die Auseinandersetzung mit der Waffe Ausschlag gebend ist: Grenzpunkt wird der Steinhaufen, der einen im Grundstücksstreit Getöteten bedeckt (§ 255); ein schwer Verletzter soll sich mit letzter Kraft vorwärts schleppen, um so die 42;43;44;45;Einführung 46 Der Spiegel 27.2.1995, Fall Dullaj.47 Rilindja Demokratike 5.1.1995.48 xxxv so Der Spiegel 27.2.1995.Grenzen seines Hauses, Dorfes, Stammes usw. vorzuschieben (§ 259) Die Angaben über die Zahl der Blutrachetoten seit der politischen Wende schwankt. Für 1994 gab der damalige Innenminister Agron Musaraj 265 Fälle vorsätzlicher Tötung an, von denen 228 aufgeklärt seien; er schlüsselte die Motive nicht auf. In den Bezirken des nördlichen Berglandes sei die Zahl der Blutrachetoten stark gestiegen behaupten Menschen würden ihre Häuser nicht mehr verlassen. Das Bild wird verfälscht, weil in vielen Fällen die Täter oder die Beobachter Elemente des Kanun in "normale" Gewaltkriminalität hinein interpretieren. 46.47. Bürgerrechtler in Tirana48, es habe seit 1991 bereits 5.000 Tote gegeben; 60.000
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