Auswandern

WhiteRaven · * * Beiträge: 12

Hm, es gibt schon viele Kleinigkeiten, die man hier gern hat und ungern hinter sich ließe, aber es kommt wohl auf die Abwägung zum inneren Gesamt-Wohlgefühl an, und das ist in D nicht so gegeben.

Ich mag die Ostsee und dort das Brandungsangeln. Ich mag auch die Leute um meine Surfschule rum, die häufigen Wind-Tage um 6 Beaufort, oder die gewaltigen Bäume in der Gegend, die Stürme, die Sonnenuntergänge, wenn der Himmel den Horizont mit Goldfeuer beweint, oder den Ruf des Brachvogels. Es gibt immer gewisse Eigenheiten, Besonderheiten, Kleinigkeiten, die einen mit einem Land verbinden, und in Canada wären es andere, die ich von dort vermisse.

Das alles aber ist nicht ausreichend, um ein inneres Wohlgefühl herzustellen, also man kann sich nicht dauerhaft dadurch aus einer eher missverhältnisreichen Wirklichkeit ziehen. Als Angehörigem einer bestimmten Minderheit wird mir eher eine Verschlechterung gegenüber solcher bewusst, obwohl in den Medien darüber immer positive Berichte erwähnt werden. Viele solche Dinge, die das unmittelbare Lebenspraktische angehen, verändern sich eher ins Nachteilige.
Deutschland lässt wenige Möglichkeiten offen, ein system-alternatives Leben zu führen. Ich kann nicht sagen, ob das heute in anderen Ländern nicht auch so wird. Die ganze Welt scheint auf Profitkapitalismus abonniert zu ticken. Zumindest war das in Nord-Canada vor 15 Jahren noch nicht so extrem. Man konnte sich auch andersartig selbst versorgen, wenn man die Wege dahin nicht scheute.
Ich weiß nicht, wie sich die soziale Erkaltung in anderen Ländern entwickelt, oder die Einstellung gegenüber Älteren, Jüngeren, verschiedenen sozialen Schichten. In Deutschland verändern sich vele Dinge allmählich. Früher konnten sich die Leute dafür, was sie verdienten, mehr leisten. Heute gehen die meisten Leute nicht mehr mit gefüllten Einkaufswagen aus dem Supermarkt. Viele mäkeln und jammern viel, selbst Solche, die Arbeit haben, haben am Monatsende nichts mehr über. Ich denke, dass solches die Leute auf Ideen zum Weggehen bringt, sie aber auch nicht wissen, wie das anderswo ist.

Wo anders kann man vielleicht nicht einfach mal zum Arzt gehen, wenn man Probleme hat. Hier geht das noch einigermaßen, obwohl ich auch denke, dass es sich ändern wird, und bald davon abhängen wird, ob man es sich leisten kann, krank zu werden. Vielleicht ist das anderswo schon so, oder war nie anders. Diese Dinge gefallen dann auch Vielen so, we sie sind. Vielleicht sind die Wahrnehmungsfelder und die Verhältnisse verschoben, und mir würde es anderswo als Minderheits-Angehörigem noch viel schlimmer gehen. Man überlegt sich schon, welche Ebene von "schlimm" die Bessere ist als anderswo.

So mag man viele Dinge lieber, als man davon hört, wie sie anderswo möglicherweise sein sollen. Aber innen drin würde man trotzdem lieber was anderes kennen lernen, in der Regel was Besseres. Es könnte ja auch besser sein, anderswo. Danach sehnt man sich wohl, oder hofft darauf. Vielleicht ist der Mensch so strukturiert, dass er mit dem, was er kennt, nie zufrieden sein kann. Vielleicht sind es auch nur nomadische Gene, oder die nimmersatte Neugierde auf neue Orte mit völlig unbekannter Fauna und Flora, mit anderen Menschen, anderer Kultur. Vielleicht rennt man einer Hoffnung nach, irgendwo man selbst sein zu dürfen, und als man selbst anerkannt zu werden, und weiß noch nicht, dass das überall nur denen erlaubt wird, die mit viel Geld antworten können.