Kieler Nachrichten - 06.06.2008
Electrabel muss das Tempo drosseln
Die Planungen des Electrabel-Kohlekraftwerks in Stade kommen nicht so schnell voran wie vom belgischen Energieversorgers geplant. Während des Anhörungsverfahrens in der vergangenen Woche wurden zahlreiche, bisher noch nicht geklärte Fragen aufgeworfen.
Von Thomas Pöhlsen
Haseldorf/Hetlingen/Haselau/ Neuendeich/Stade/Lüneburg. Vier Tage wurde intensiv über das geplante Electrabel-Kohlekraftwerk gestritten. „Der Gegenwind für das Projekt ist gewaltig“, bilanzierte der Haseldorfer Amtsausschuss-Vorsitzende Heinz Lüchau (CDU) das von der Genehmigungsbehörde, dem Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt (GAA) Lüneburg, organisierte Anhörungsverfahren. 1119 Einwendungen mussten verhandelt werden.
Gleich am Beginn des Erörterungstermin im Stadeum musste Electrabel einen Rückzieher machen. Von einem vorzeitigen Baubeginn nahm der Energieriese Abstand, weil das wasserrechtliche Genehmigungsverfahren noch läuft. Eigentlich wollte Electrabel gleich nach der Anhörung starten.
In einer Pressemitteilung listet Christina Freifrau von Mirbach von der GAA Fragen auf, die als Konsequenz des Verfahrens von Electrabel noch nicht ausreichend geklärt wurden. So muss ein toxikologisches Gutachten her, um noch einmal die Auswirkungen auf Menschen zu prüfen. Kritisch sieht die Planfeststellungsbehörde die Frage der Feinstaubbelastung der Anwohner durch die offene Kohlelagerung. Außerdem hat Electrabel in der bedeutsamen Frage der Kraft-Wärme-Kopplung nicht ausreichend dargelegt, wie weit wirklich versucht wurde, Abnehmer für die Wärme zu finden. Der Energieriese musste ferner zusagen, ein Bio-Monitoring durchzuführen, um mögliche Beeinträchtigungen für Obstbauern zu dokumentieren.
„Dass sich aus dem Erörterungstermin noch Fragestellungen ergeben, ist völlig normal“, ordnet Christina Freifrau von Mirbach die zahlreichen Probleme ein. „Da kommt einiges auf Electrabel zu“, urteilt dagegen Lüchau. Zum Knackpunkt des Verfahrens könnte sich aber der Lärm vom Kraftwerk entwickeln. Denn neben dem Gelände befindet sich ein Wohngebiet.
Das ist im Flächennutzungsplan als Mischgebiet ausgewiesen, in dem auch nicht störendes Gewerbe möglich ist. Tatsächlich, so argumentiert die BI, gibt es dort eine reine Wohnbebauung. Deswegen müssten dort niedrigere Lärmschutz-Grenzwerte als bei einem Mischgebiet eingehalten werden, doch die zu packen könnte der Electrabel schwer fallen.
Eine Klärung dieses Streits würde wohl erst ein Normenkontrollverfahren vor einem Verwaltungsgericht bringen. Sollte Electrabel die Genehmigung von der GAA bekommen, hat die Bürgerinitiative Bützfleth ohnehin bereits angekündigt, gegen das Projekt zu klagen.