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Ole

Beiträge: 97

New PostErstellt: 04.02.11, 12:34     Betreff: Leukämie in der Elbmarsch

Im Interview mit der Lüneburger Rundschau sieht der scheidende
BI-Vorsitzende die Ursache für die Leukämie in der Elbmarsch geklärt.

Elbmarsch.
Die unheimliche Serie von Leukämieerkrankungen bei Kindern in der Elbmarsch
begann 1986. Bis heute sind 19 Kinder und Jugendliche an Blutkrebs erkrankt.
Uwe Harden (58) ist einer der Gründungsväter der Bürgerinitiative (BI) gegen
Leukämie in der Elbmarsch, die 1991 ins Leben gerufen wurde. Nach 20 Jahren
an der BI-Spitze gibt er den Vorsitz ab. Im Rundschau-Interview sieht er die
Ursache für die Erkrankungen geklärt: Radioaktive Strahlung von den
Geesthachter Atomanlagen, dem Kernkraftwerk Krümmel und dem einstigen
GKSS-Forschungsreaktor.



Lüneburger Rundschau: Herr Harden, Sie geben den BI-Vorsitz ab. Ist
das eine Kapitulation, weil Sie keine Chance mehr sehen, dass die Gründe für
die Leukämiefälle jemals aufgedeckt werden?



Uwe Harden:Keine Kapitulation. Als BI-Sprecher braucht man Empörung und Zorn
als Antrieb - das ist bei mir kein 20 Jahre währender Dauerzustand. Deswegen
braucht man den Wechsel an der Spitze. BI-Vereinsvorsitzende waren vor mir
übrigens schon Hans-Heinrich Twesten und Reinhard Hoppe.



Was hat die BI erreicht?



Unendlich viel. Wir haben die abnorme Häufung von Kinderleukämie erst
bewiesen, Untersuchungen erzwungen, Strahlung als Ursachen erwiesen und am
Beispiel Krümmel die Atomkraftwerksgefahren bewusst gemacht. Gorleben und
Krümmel sind die Reizwörter für die Anti-Atomkraft-Bewegung, die
mittlerweile eine stabile Mehrheit in der deutschen Öffentlichkeit hat. Das
zu erreichen war zwar nicht das Ziel der BI gegen Leukämie in der Elbmarsch,
sondern die Ursachenforschung, aber es ist zweifellos ein Ergebnis.



Was habe Sie mit Ihrem persönlichen Einsatz erreicht - als
Kommunalpolitiker und als Abgeordneter des niedersächsischen Landtages?



Anfangs war die Skepsis gegenüber der BI in der Kommunalpolitik groß, das hat
sich völlig verändert. Im Landtag war besonders Ministerpräsident Gerhard
Schröder aufgeschlossen für die Elbmarsch-Problematik. Er hat die
Finanzierung der Norddeutschen Lymphom-Studie aufgrund einer Landtagsdebatte
spontan zugesagt und das Krebsregister eingeführt. Die Anhörung des
Landtagssozialausschusses im April 2007 halte ich für eine Sternstunde des
Parlaments, denn hier wurde die "Kügelchen-Theorie" offiziell
diskutiert und dokumentiert. Wer wissen will, was die Elbmarsch-Leukämien
verursacht hat, der findet es in den Protokollen bei den Aussagen von Prof.
Mironow. Nach meinem Ausscheiden aus dem Landtag sollte noch ein
Fachgespräch unter Federführung des Bundesamtes für Strahlenschutz
stattfinden. Diese Absicht wird leider nicht mehr verfolgt. Meiner "Karriere"
hat die Ursachenforschung eher geschadet. Für viele war ich nur der
Abgeordnete mit der seltsamen "Kügelchentheorie" - und war
damit abgestempelt.



Welche Hürden hatten Sie zu nehmen, welche Widerstände gab es?



Bis heute hält die etablierte Wissenschaft das Dogma aufrecht, dass
Atomkraftwerke in Deutschland keine gefährliche Strahlung aussenden. Dass
diese Wissenschaft in Gesetze und Verordnungen gegossen, international über
Euratom (Anmerkung der Redaktion: Die Europäische Atomgemeinschaft ist der
EU angegliedert) vereinbart und in der Strahlenschutzkommission dogmatisch
verankert ist, ist das Haupthindernis für jede Aufklärung. Dieses Dogma
haben die meisten Ministerialbeamten verinnerlicht. Kein deutscher Politiker
bekam bis zur Aufdeckung der Asse-Probleme eine atomkritische Vorlage aus
seinem Beamtenapparat. Im Prinzip ist das der gesetzlich und personell
verankerte Lobbyismus.



Was glauben Sie nach Ihren jahrzehntelangen Erfahrungen und Ihren
Erkenntnissen, könnten die Ursachen für die Leukämie in der Elbmarsch sein?



Ich sehe zwei Ursachen: Zum einen ein missglücktes Forschungsexperiment in
Geesthacht am 12. September 1986 mit einer enormen Freisetzung von
Radioaktivität. Reste von Kernbrennstoff - die berühmten Kügelchen - im Sand
von Geesthacht-Tesperhude beweisen, dass hier Thorium bestrahlt wurde.
Vermutlich wurde nach einem alternativen Kernbrennstoff für
Forschungsreaktoren gesucht. Hierbei wurden viele Menschen belastet, so dass
einige Jahre später fast schlagartig eine Leukämie-Epidemie bei Kindern
auftrat. Und zum zweiten gibt es eine Erhöhung der Krankheitszahlen durch
den normalen Betrieb des Atomkraftwerkes Krümmel, wie sie die KIKK-Studie
(Anmerkung der Redaktion: Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von
Kernkraftwerken) festgestellt hat. Auch diese Ergebnisse werden offiziell
weggelogen.



Wird etwas vertuscht?



Das liegt auf der Hand. Die Spuren der Radioaktivitätsfreisetzung 1986 sind da
und immer wieder nachzuvollziehen. Man kann sie leider aber auch gezielt
umgehen, etwa indem man Bodenproben aus nicht kontaminiertem Boden zieht.
Von der 1986er-Verstrahlung müssen Beamte im Kieler Ministerialapparat
gewusst haben. Dass Mitwisser dieser Verstrahlung an der
Leukämie-Ursachenforschung maßgeblich beteiligt waren, halte ich für
evident. Die unsinnige Erklärung der Verstrahlung des AKW Krümmel im Jahre
1986 mit Radon ist der schlagende Beweis dafür. Die Politiker wurden mehr
oder weniger an der Nase herumgeführt, wie überhaupt ärgerlich ist, dass die
meisten Minister, einmal im Amt, ihre vorherige kritische Einstellung völlig
vergessen.



Wie müsste es Ihrer Meinung nach weitergehen, um tatsächlich Licht ins
Dunkel zu bringen?



Man kann noch einmal Bodenproben unter Mithilfe der BI nehmen, die strahlenden
Teile noch einmal unter öffentlicher Kontrolle untersuchen. Oder ganz
einfach: Es muss im Archiv des ehemaligen Bundesministeriums für Forschung
und Technologie Unterlagen geben, die den Strahlenunfall erklären. Diese
vermutlich höchst geheimen Unterlagen müssen aufgedeckt werden. Schade, dass
es WikiLeaks erst so kurze Zeit gibt.



Werden die Ursachen jemals aufgeklärt?



Aufgeklärt sind sie nach unserer Ansicht. Sie sind nur nicht zugegeben und die
Umstände und Verantwortlichen nicht offengelegt. Da bleibt nur die Hoffnung,
dass irgend jemand ein Gewissen hat, das ihn eines Tages zu sehr plagt.


http://www.abendblatt.de/region/lueneburg/article1777437/Uwe-Harden-Es-wird-etwas-vertuscht.html





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