Anspruch auf Aufklärung
Rätselhafte Häufung von Krebsfällen in Wewelsfleth
Volker Mehmel
Für die Menschen in Wewelsfleth ist es eine schreckliche Last. Seit
mehr als zehn Jahren wissen sie, dass in den Grenzen ihrer
Heimatgemeinde deutlich mehr Menschen an Krebs erkranken als irgendwo
sonst im Norden. Die Statistik lügt nicht. Bleibt die Frage nach der
Ursache. Der erste Blick fällt natürlich auf das in Sichtweite gelegene
Kernkraftwerk an der Unterelbe. Alle Messungen aber scheinen zu belegen,
dass Brokdorf als Verursacher der auffällig vielen Tumorerkrankungen
ausscheidet. Seit der Inbetriebnahme würden kontinuierlich alle
möglichen Daten erhoben. Ergebnis: Der radioaktive Ausstoß liege weit
unterhalb jeder natürlichen Belastung. Das jedenfalls versichern
Betreiber und Behörden.
Ungeachtet dessen schreiben sich Atomkraftgegner die Wewelsflether
Krebsrate immer wieder auf ihre Protestfahnen. Das mag Energieversorger
und Ministerien ärgern, hat aber auch sein Gutes. Nur dieser
Beharrlichkeit ist es letztlich zu verdanken, dass alle nur denkbaren
Anstrengungen zur Ursachenforschung unternommen werden. Auch der
Umstand, dass der örtliche Bürgermeister und seine Mitstreiter im
Gemeinderat nicht locker lassen, kann nur im Sinne der Bevölkerung sein.
Wenig hilfreich sind hingegen Feststellungen, die Krebserkrankungen
könnten auch auf Rauchen, Trinken oder eine allgemein ungesunde
Lebensweise zurückzuführen sein. Sicher wäre dies möglich. Dies aber zur
Begründung für statistische Ausschläge heranzuziehen, muss in den Ohren
der Wewelsflether fast schon zynisch klingen. Bemerkenswert ist
allerdings auch, dass ausgerechnet diese Gemeinde so hart getroffen ist,
während sich die Nachbarorte im statistischen Durchschnitt bewegen.
Aber auch die Mutmaßung, dass alles nur reiner Zufall sein könnte, ist
nicht gerade beruhigend. Die Menschen in Wewelsfleth und überall haben
einen Anspruch darauf, dass alles nur technisch und finanziell Mögliche
zur Aufklärung getan wird.