Schluss mit dem Stigma „Todesdorf“
Dr. Birger Heinzow und Matthias Gieske erläuterten den Wewelsflethern die Ergebnisse von Krebsregister und Bodenuntersuchungen
Wewelsfleth
„Ich würde jeden Tag mit meiner Familie nach Wewelsfleth ziehen und
hier auch wohnen. Es ist ein schöner Ort, hier lebt es sich gut. Sie
haben allen Grund hier zu bleiben!“ – Mit diesen Worten untermauerte
Umweltmediziner Dr. Birger Heinzow vom Landesamt für soziale Dienste
während der Einwohnerversammlung am Donnerstag Abend die aktuellen
Ergebnisse sowohl des Krebsregisters als auch der Bodenuntersuchungen in
Wewelsfleth, die zuvor Matthias Gieske vom Landesamt für
Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) vorgestellt hatte.
Sehr zur Beruhigung von Bürgermeister Delf Bolten, der ein wenig
enttäuscht war von der eher mäßigen Resonanz auf die Einladung zur
Einwohnerversammlung in der Gaststätte der Mehrzweckhalle. Hatte das
Thema doch in der Vergangenheit hohe Wellen geschlagen. Weltweit hatten
Medien Wewelsfleth als „Todesdorf“ oder „Krebsdorf“ in die Schlagzeilen
gebracht. Mit diesem Stigma räumten die Referenten des Abends gründlich
auf.
Die Bodenuntersuchungen ergaben keinerlei Besorgnis erregende
Befunde, Grenzwerte wurden weit unterschritten. Und das Krebsregister,
das insbesondere im Jahr 2007 mit 22 Fällen einen überdurchschnittlichen
Wert der Krebs-Neuerkrankungen in Wewelsfleth
aufwies, habe sich bis 2012 an den Landesdurchschnitt angeglichen, lag
sogar darunter. Wewelsfleth, so Dr. Heinzow, könne jetzt beruhigt wieder
zur Tagesordnung übergehen. Besonders hob er hervor, dass es keinerlei
Zusammenhänge der Krebserkrankungen mit dem Kernkraftwerk Brokdorf gebe.
„Es gab nie eine Auffälligkeit bei Leukämien und Lymphdrüsenkrebs“, so
Dr. Heinzow. Beides wären Indikatoren für radioaktive Belastung gewesen.
Auch Belastung durch Industrieabgase aus Brunsbüttel, wie in der
folgenden Diskussion nachgefragt, schließt der Experte aus. Denn in
anderen Gemeinden der Umgebung habe es keine solchen Auffälligkeiten im
Krebsregister gegeben.
Vielmehr traten im besagten Jahr 2007 in Wewelsfleth vermehrt
Prostatakrebs, Darmkrebs bei Frauen sowie Harnblasen- und Lungenkrebs
auf. Was dafür ursächlich war, lässt sich auch aufgrund des
Datenschutzes nicht mehr nachvollziehen. Dr. Heinzow geht von einer
zufälligen Häufung aus, die sehr wahrscheinlich im persönlichen
Lebensstil ihre Ursache gehabt habe. Vielleicht wurde aber auch mehr für
Vorsorgeuntersuchungen geworben und diese auch verstärkt genutzt. „Die
unterschiedlichen Risikofaktoren der einzelnen Krebsarten legen keine
einzelne Umweltursache nahe“, so Dr. Heinzow.
Dass die ausgeschlossen werden kann, zeigten auch die
Bodenuntersuchungen, die auf Wunsch der Gemeinde Wewelsfleth vorgenommen
wurden. Im Mai 2013 nahm ein Team des LLUR um Matthias Gieske an neun
Stellen im Ort und am Dorfrand j zwölf Bodenproben. Die Orte waren zuvor
in enger Abstimmung mit Gemeindevertretern – an deren Spitze der
ehemalige Bürgermeister Ingo Karstens – ausgewählt worden. Gieske
erläuterte die statistische Auswertung der ermittelten
Schwermetallgehalte und organischen Schadstoffe in der obersten
Bodenschicht. Das Resultat: Für die untersuchten Standorte bestehe aus
bodenschutzfachlicher und -rechtlicher Sicht kein Handlungsbedarf. Zur
bestmöglichen Transparenz wird der zusammenfassende Bericht dazu
öffentlich gemacht – auf der Internetseite des Amtes Wilstermarsch
ebenso wie auf der des Landesamtes.
Abschließend betonte Dr. Birger Heinzow noch einmal, dass die
Wewelsflether sich keine Sorgen zu machen bräuchten. Wewelsfleth bleibe
weiter unter Beobachtung des Krebsregisters, gerne könnten
beispielsweise alle fünf Jahre die Zahlen erläutert werden.
Ehrenbürgermeister Ingo Karstens regte einen zeitlichen Abstand von zwei
Jahren an. Auch das sei möglich, so Heinzow, „wenn es der Beruhigung
dient“.
Ilke Rosenburg