Prokon – 8:0 für die Genossenschaft
Eindeutiges Votum bei der Gläubigerversammlung in Hamburg: Zukunft des insolventen Windkraftunternehmens ist geklärt
Itzehoe/Hamburg
400 Grillwürste. 30 Kisten Bier. Die Mitarbeiter der Prokon
Regenerative Energien GmbH aus Itzehoe (Kreis Steinburg) waren
optimistisch genug, eine Party vorzubereiten. Im Zweifel wäre es eben
eine Trauerveranstaltung geworden. Ist es aber an diesem Donnerstagabend
nicht: Sie feiern, denn der Wunsch der großen Mehrheit der knapp
300-köpfigen Belegschaft geht in Erfüllung: Prokon wird eine
Genossenschaft. Die Entscheidung der Gläubigerversammlung in Hamburg ist
so eindeutig, dass es sogar die Mitarbeiter überrascht.
Marc Kühlinger dreht die Würste auf dem Grill. „Auf glühenden Kohlen“
habe er den Tag über gesessen, sagt der 43-Jährige. Per Handy kamen die
Nachrichten aus der Verhandlung über die Insolvenzpläne, die eigentlich
nichtöffentlich war. Etwa drei Stunden zuvor ist in der Hamburger
Messehalle die Entscheidung gefallen: Acht Gläubigergruppen dürfen
abstimmen, alle acht sind, meist mit mehr als eindeutigen Ergebnissen,
für die Genossenschaft – sogar die Gruppe der Inhaber von Prokon-Genussrechten,
die diese nicht in Anteile an der Genossenschaft wandeln wollten. Nach
jedem einzelnen Ergebnis brandet Jubel auf, trotz mahnender Worte von
Insolvenzrichterin Sabine Wudtke.
Zu diesem Zeitpunkt ist die Versammlung schon mehr als fünf Stunden
alt. Nach einer Stunde gibt es bereits eine klare Tendenz: Mehr als
37 000 Inhaber von Prokon-Genussrechten wollen
diese in Anteile an der Genossenschaft umwandeln. Das entspricht einem
Kapital in Höhe von 866 Millionen Euro – 660 Millionen hatte der
Rheinisch-Westfälische Genossenschaftsverband für erforderlich gehalten. Daher wird zuerst über den Genossenschafts-Insolvenzplan
abgestimmt. 2144 Stimmberechtigte sind gekommen und vertreten 40 122
Gläubiger. Deren Zahl liegt insgesamt bei 100 000, drei Viertel davon
sind die Anleger, die Prokon über Genussrechte 1,44 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt haben.
Zu ihnen gehört Andreas Wulf, und der 56-Jährige aus Bargteheide
(Kreis Stormarn) ist ein Beispiel für den Zwiespalt der Anleger. Mit der
Genossenschaft behält er mehr von seinem Geld, laut Prognose 57,8
Prozent. Aber: In der Genossenschaft wird es durch einen Anteil und eine
Anleihe gebunden. Und er weiß, dass er das unternehmerische Risiko
mitträgt: „Dann kann es am Ende noch viel schlechter aussehen.“ Jeder
müsse sehen, was für ihn das Beste sei. Denn auf der anderen Seite steht
das Angebot der Energie Baden-Württemberg AG
(EnBW), Prokon für 550 Millionen Euro zu übernehmen. 52,2 Prozent des
angelegten Geldes blieben erhalten, rund ein Drittel würde schnell
zurückgezahlt. Lieber den Spatz in der Hand nehmen, riet im Vorfeld
mancher Anlegerschützer. Doch die Entscheidung fällt anders – und EnBW-Chef Frank Mastiaux äußert prompt seinen „großen Respekt für die Verbundenheit der Genussrechtsinhaber mit Prokon“.
Viele Prokon-Mitarbeiter erleben die
Entscheidung in der Halle mit. Als ihr Bus am Firmensitz ankommt, werden
sie gefeiert wie eine erfolgreiche Fußballmannschaft. „Wir sind alle
glücklich, dass es die Genossenschaft geworden ist“, sagt Stephanie
Block (25). Eine Menge Arbeit warte jetzt, aber „das ist genau das
Richtige für uns“, findet Majbrit Fromme (40). Eine Übernahme durch den
Konzern – das passte nicht zum Selbstbild der Mitarbeiter, mochte EnBW
noch so sehr beteuern, voll auf erneuerbare Energien zu setzen.
Ende Juli oder Ende August soll das Insolvenzverfahren aufgehoben
werden. Er sei zuversichtlich, dass dies „für die engagierte Belegschaft
von Prokon ein Startsignal sein wird, um unter neuen Vorzeichen und mit
einem klaren Unternehmensfokus künftig am Markt erfolgreich zu sein“,
sagt der zufriedene Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin. An Motivation
wird es jedenfalls nicht mangeln: „Hier ist ein Know
-how an Fachkräften und Kompetenz“, sagt Marc Kühlinger. Dann schaut er wieder nach dem Grill. Die Kollegen wollen feiern.
Lars Peter Ehrich