Verlässliche Aussagen gewünscht
Industrie vermisst ein klares Programm der Landespolitik zur wirtschaftlichen Entwicklung in Brunsbüttel
Brunsbüttel
Sogar den Bürgermeister hatte man im Unklaren gelassen: Stefan
Mohrdieck kündigte nach seinem Grußwort beim Brunsbütteler
Industriegespräch den Referenten Prof. Dr. Siegbert Holte-Möller
an, der vor mehr als 100 Gästen aus Wirtschaft und Politik über das
„Zukunftsprogramm Industrie – Herausforderung an die Politik“ sprechen
sollte. Der Redner, der ans Pult der „Nordstern“ trat, stellte sich als
kurzfristig eingesprungenen Vertreter des Referenten vor – und lieferte
einen Beitrag ab, der zunächst manchen im Publikum mächtig irritiert
haben dürfte. Am Ende wurde eine gewisse Nähe zu Loriot deutlich und
Prof. Dr. Hans Lichtenberg outete sich als Kunstfigur, brilliant
dargestellt von Schauspieler Deen Kerr. Dessen Kernaussage, Brunsbüttel
müsse sich im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit unter den Standorten als
Marke verkaufen, enthielt durchaus ernsthafte Anregungen.
Ernste Worte fand vor allem Morten Holpert. Der Holcim-Chef
ist Sprecher der Werkleiterrunde des ChemCoastParks. Holpert monierte,
dass es zwar eine grundsätzliche Unterstützung durch das Land für
Anliegen der Brunsbütteler Industrie gäbe. Er wünschte sich aber ein
aussagekräftiges Programm, wie man in Kiel mit dem größten
Industriegebiet Schleswig-Holsteins umgehen
wolle. Ein solches Programm sei nötig, „damit Unternehmen nicht
Produktionsaufgaben an andere Standorte verlegen“.
Der ChemCoastPark brauche nicht nur Energieerzeugung vor Ort und eine
zeitgemäße Verkehrsinfrastruktur, sondern auch Akzeptanz durch die
Politik. Rund 16 Prozent Wachstum – das sei eine Zahl, die in anderen
Bundesländern mit mehr Förderung getoppt werde. Dabei seien es nicht nur
die großen Konzerne, die in Brunsbüttel verdienen. Gerade der
Mittelstand als Dienstleister für die Unternehmen sei am Erfolg
beteiligt: Aufträge für rund 60 Millionen Euro gingen im Jahr an diese
Betriebe, die dadurch in der Lage seien, eine Vielzahl Arbeitsplätze
vorzuhalten. Den Beschäftigten im Industriegebiet stünden besonders
attraktive Stellen zur Verfügung, die ein hohes Maß an Qualifikation mit
sich brächten.
„Wir stellen uns eine Industriepolitik vor, die Verständnis für
industrielle Prozesse aufbringt“, spielte Holpert den Ball Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Jost de Jager zu.
Die Politik habe die Schleusenstadt sehr wohl auf dem Zettel,
reagierte der Minister auf diese Steilvorlage. „Brunsbüttel ist ein
stärkerer Industriestandort als das Image des Landes es hergibt“, sagte
de Jager.
Energiepolitisch gehe es um Ausbau des Elbehafens zum Produktionshafen für den Offshore
-Markt.
Dafür seien 25 Millionen Euro reserviert. „Das ist ein starkes
Bekenntnis zum Standort Brunsbüttel“, befand de Jager. Das von der
Südweststrom geplante Steinkohlekraftwerk gehöre zu diesem
Energiestandort ebenso wie zukunftsfähige Speicherlösungen für Energie.
Zur zeitgemäßen Verkehrsinfrastruktur für die Stadt zähle der Ausbau der
B5 ebenso wie die A20 samt Elbquerung westlich von Hamburg. Nicht zu
vergessen der Nord
-Ostsee
-Kanal: „Wir wissen wie wichtig der für Schleswig
-Holstein
ist.“ De Jager wiederholte, was er bereits zuvor nach einer
Besichtigung der maroden Schleusenanlage gesagt hatte: Es sei Bewegung
in das Thema gekommen. Zusätzliche Mittel wären erforderlich, aber: „Die
Decke für die Finanzierung von Verkehrsprojekten ist insgesamt zu
kurz.“ Dennoch betonte der Minister: „Wir tun alles, diesen Standort
stark zu machen. Sie wissen uns an Ihrer Seite.“
Ralf Pöschus