Revision – logistische Meisterleistung
Zurzeit arbeiten 1768 Menschen auf dem Gelände des Kernkraftwerks Brokdorf
Brokdorf
„Alles läuft, wir sind im Plan und gehen davon aus, dass die Anlage
pünktlich wieder ans Netz geht“, sagt Werkleiter Uwe Jorden im Gespräch
mit unserer Zeitung. Zurzeit befindet sich das Kernkraftwerk Brokdorf in
der Revision – allerdings erst seit 21. Juni. Ursprünglich geplant war
der Revisionsbeginn eine Woche früher. „Die Verschiebung bedeutete auch
für uns ein Novum“, so Jorden. Ursächlich dafür: Die Revisionsarbeiten
im Kernkraftwerk Grohnde dauerten deutlich länger als geplant. „Eine
Überlappung mit uns war nicht unwahrscheinlich.“ Stromnetzbetreiber
Tennet gab daraufhin nach Absprache mit E.ON-Kernkraft
in Brokdorf die Anweisung, die Anlage erst eine Woche später für die
dortige Revision abzuschalten, um so die verlässliche Stromversorgung zu
gewährleisten.
Für Uwe Jorden auch ein Zeichen dafür, wie es um die Energiewende
bestellt ist. Rechnerisch könne zwar die gesamte Bundesrepublik durch
regenerative Energiegewinnung mit Strom versorgt werden – aber nicht
8760 Stunden im Jahr durchgängig und verlässlich. „Eine Problematik, die
offensichtlich auch Tennet gesehen hat.“ Auffällig sei bei der
Stromversorgung und damit bei den Qualitätsmerkmalen im Netz ohnehin,
dass die „Spannung von draußen nicht mehr so stabil“ sei. Es gebe
„deutlich mehr Schwankungen“ als früher. Was der Verbraucher nicht
merkt: Das Kraftwerk als Lastenverteiler muss inzwischen mehrere hundert
Eingriffe am Tag vornehmen, um Stromschwankungen auszugleichen. Auch
darum konnte die Brokdorfer Anlage nicht parallel zu Grohnde vom Netz
gehen.
Eine Revision ist ohnehin mit sehr viel Aufwand verbunden – in
Spitzenzeiten arbeiten dann inklusive des Stammpersonals 1768 Menschen
im Kernkraftwerk Brokdorf. Die Verschiebung bedeutete eine zusätzliche
Herausforderung für den Einkauf ebenso wie für die beauftragten
Fremdfirmen. Jorden: „Bei den Firmen hängt damit auch die
Anschlussplanung in der Luft, es hat einige Zeit gedauert bis alles
erledigt war und wir starten konnten.“ Im Ergebnis sei nicht das gesamte
Personal verfügbar wie geplant, zum Teil müssen Inspektionsarbeiten
verschoben werden. Natürlich nicht jene, die mit der Sicherheit der
Anlage zu tun haben. Diese Arbeiten sind ein Muss, erfolgen mit TÜV-Beteiligung.
Für jede Apparatur gibt es einen Inspektionszyklus, abgestimmt mit der
Atomaufsichtsbehörde. Schwerpunkt der Revision ist der
Brennelementewechsel und der Austausch von Eigenbedarfs-Transformatoren.
Aufgrund der Probleme in Grohnde müsse zusätzlich eine Inspektion der
Drosselkörper vorgenommen werden. Insgesamt werde die Revision bis zum
26. Juli dauern. Im vergangenen Jahr wurden Ängste vor radioaktiver
Belastung während der Revision in der Bevölkerung laut. „Pro
Revisionstag haben wir weniger als ein Prozent des erlaubten
Tagesgrenzwertes – so gut wie nichts.“ Zum Vergleich: Bei einem Flug
nach New York würde die gleiche Dosis auf den Menschen einwirken wie die
auf dem Kraftwerksgelände bei zusammen 4571 Revisionen.
Übrigens: Während der Revision ist E.ON-Kernkraft
in Brokdorf der größte Arbeitgeber im Kreis Steinburg und an der
Westküste. Und auch während des restlichen Jahres ist das Kraftwerk mit
500 Arbeitnehmern außerhalb Itzehoes einer der größten Arbeitgeber im
Kreisgebiet. Jede Revision ist auch eine logistische Herausforderung:
zehn Tonnen Lebensmittel werden pro Woche verbraucht, 750 Mittagessen
täglich verkauft – insgesamt 8000. Eindrucksvoll auch die Zahl der
verkauften Brötchen: zirka 1300 täglich, insgesamt 11000. Das
Küchenpersonal wurde von sonst neun in einer Schicht auf 17 Leute
erhöht, und auch die Zahl der Reinigungskräfte wurde aufgestockt. Für
zusätzliche Büro- und Sanitärkapazitäten wurden eigens Container
aufgestellt. Die Gesamtinvestition belaufe sich auf 29 Millionen Euro,
davon 7,5 Millionen für Instandhaltungsprojekte, 1,8 Millionen für
Infrastruktur wie Bewachung, Reinigung und Küche sowie 1,5 Millionen
Euro für den TÜV.
Ilke Rosenburg