17.Oktober 2008 - achter Tourstopp in Brunsbüttel Schwere Wolken am Horizont, ein deftiger Sketch auf dem Marktplatz gegeben von der örtlichen BI, und dazu ein rauchendes Kohlekraftwerk en Miniature: Detlef Buder würde es schwer haben an diesem Tag. Mal vom Wetter abgesehen: Das hier wird kein Heimspiel! Detlef Buder ist SPD-Mitglied und Landtagsabgeordneter in Schleswig-Holstein. Beides keine leichte Sache in der heutigen Zeit. Detlef Buder ist zudem noch Umweltpolitiker, was die Sache deutlich verkompliziert. Vielleicht ist sein Gesicht deshalb so zerfaltet. Vielleicht liegt das aber auch nur daran, dass der 62jährige eine schwere Amtszeit durchlebt. Jetzt steht Detlef Buder in Brunsbüttel auf dem Marktplatz, um den Menschen zu erklären, dass die SPD voll und ganz hinter dem Kompromiss steht. "Wer sein Wort gegeben hat, der muss das halten", sagt Buder. Vielleicht 100 Menschen sind zum Kohlosaurus gekommen ins Brunsbüttler Herz, mindestens 100 Menschen jedenfalls buhen Buder aus. "Wer will, dass Schleswig-Holstein auch weiterhin eine starke wirtschaftliche Basis besitzt, der muss eben an der einen oder anderen Stelle Einschnitte in Kauf nehmen", kämpft Buder tapfer gegen den Protest an. Zum Atomausstieg stehe die SPD genauso wie zum Bekenntnis, Brunsbüttel als Energiestandort zu erhalten – wenn das AKW erst einmal abgeschalten ist. Und schließlich schaffen die drei neuen Kohlekraftwerke, die Brünsbüttel bald geschenkt bekommt, "viele neuen Arbeitsplätze". Drei neue Kohlekraftwerke. Ja genau: Drei neue Kohlekraftwerke sollen ein altes Atomkraftwerk in Brunsbüttel ersetzen. Ja sind die denn verrückt in Schleswig Holstein? Man kann gegen die Atomkraft ja sagen was man will. Klimaschädlich ist sie allenfalls marginal. Herr Buder, die SPD will den Atomausstieg - nur um dadurch die Klimakatastrophe zu produzieren? "Die Welt ist verrückt", sagt Pastor Thomas Schaack, Umweltbeauftragter der Nordelbischen Landeskirche. "Wir wissen im Kopf, dass wir eine Energiewende brauchen, handeln aber mit der Unterschriftenhand ganz anders". Diesmal klatschen 200 Hände, mindestens. "Neue Kohlekraftwerke vernichten Arbeitsplätze", sagt Arne Firjahn, Kopf der Bürgerinitiative für Gesundheitsschutz und Klimaschutz Unterelbe. Das hänge mit den Schadstoffemissionen zusammen: Werden die Kohlekraftwerke gebaut, emittieren die so viel, dass andere Industriebetriebe ihre Leistung – also ihren Schadstoffeintrag – mindern müssten. Oh ja, Detlef Buder, ein mit Falten gezeichneter hat es schwer an diesem Nachmittag. "Ich weiß ja, dass sie mich hier nicht mögen werden, aber in der realen Politik stellt sich eben manches anders dar, als in den Wünschen des realen Lebens". Grummeln im Publikum, Murren gar, einer schreit: "Sozialfaschist!". Das ist wie Adrenalin für Detlef Buder: "Mit ihnen nehm ichs gern auf", ruft der 62-Jährige ins Publikum und wirkt plötzlich elektriziert. Aber da geht’s ja auch nicht um Kohlekraftwerke. Da geht es um ursozialdemokratische Reflexe. Dann erteilt Moderator Christoph Bautz dem Publikum das Wort. Buder wird von einer Hasswelle überspült. "Ihr Heuchler" "Ihr Lügner" und eben: "Sozialfaschist" - nein, Detlef Buder hat keinen leichten Nachmittag an diesem Nachmittag. "Uns Sozialdemokraten braucht in Schleswig Holstein doch niemand etwas von der Energiewende zu erzählen", wehrt sich Buder. 40 Prozent Windstrom im Netz - "welches Bundesland kann das schon vorweisen?" Eben, Detlef Buder: Die SPD ist Spitze! Erstens wegen dem Atomausstieg! Zweitens wegen ihrer Energiepolitik in Schleswig-Holstein! Warum dann aber jetzt eine Rolle rückwärts? Drei neue Kohlekraftwerke in Brunsbüttel - und schon wär die schöne 40 Prozent-Marke nur noch 33 Punkte wert. Das kann Brandenburg inzwischen auch. Immerhin: Detlef Buder war der einzige Befürworter der Kohlekraftwerke, der sich in Brunsbüttel mit dem Kohlesaurus auf ein Kräftemessen einließ. Der Mann von der CDU hatte am Tag zuvor abgesagt. |