28.11.2008
Teilerfolg für »Dreckschleuder«
Kohlekraftwerksprojekt in Brokdorf nimmt Hürde
Von Dieter Hanisch, Brunsbüttel
Die Ratsversammlung von Brunsbüttel hat dem Bebauungsplan für ein Kohlekraftwerksprojekt zugestimmt.
Der belgische Energiekonzern Electrabel hat einen Bauantrag für ein 800-Megawatt-Kohlekraftwerk ohne Kraft-Wärme-Kopplung in Brokdorf (Schleswig-Holstein) gestellt. Im neunköpfigen Bauausschuss fiel das Projekt vor wenigen Wochen noch durch. Doch im Stadtparlament stimmten jetzt 15 Ratsvertreter von SPD, CDU und FDP dafür. Eine SPD-Ratsfrau enthielt sich, drei von acht Unions-Ratsherren lehnten den Bebauungsplan ebenso ab wie die komplette Fraktion der Wählerinitiative für reelle Politik (WIR).
Electrabel hat der Gemeinde die Schaffung von 300 Arbeitsplätzen versprochen. SPD-Ratsherr Wilhelm Malerius, abweichend von der Bundesparteimeinung schon als Kernenergiebefürworter bekannt, erklärte, man dürfe den Status des Industriestandortes Brunsbüttel für Investoren nicht aufs Spiel setzen. Außerdem vertraue er der – freilich noch nicht funktionierenden – CO2-Abscheidetechnologie und der ins Auge gefassten unterirdischen Speicherung des Treibhausgases in Schleswig-Holstein. WIR-Fraktionschef Kai Schwonberg hielt dagegen, dass niemand etwas gegen Industriebetriebe habe, wenn diese umweltverträglich seien. Die Wählerinitiative warnte vor den Folgen, solch eine »Dreckschleuder« am nördlichen Elbehafen anzusiedeln, zumal sich eine Wohnsiedlung in nur 400 Meter Entfernung befindet.
Im Vorwege hatten Toxikologen und Ärzte auf Veranstaltungen immer wieder auf den Sündenfall hingewiesen, den Brunsbüttel mit einem Ja zu Kohlekraftwerken begehen würden. Diese Mahnungen erreichten zwar das Fachgremium, prallten aber an der Ratsmehrheit ab, die sich über die Empfehlung des Bauausschusses hinwegsetzte.
Die Universität Flensburg hat vorgerechnet, dass nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz die insgesamt vier für Brunsbüttel vorgesehenen Kohlekraftwerksblöcke – je einer von Electrabel und Getec aus Hannover, zwei von Südweststrom – bei der künftig vorrangigen Windenergieeinspeisung mit keiner rentablen Volllastnutzung kalkulieren können.
Schützenhilfe für die Kraftwerksgegner kommt indes aus der Schweiz. Dort hatten Umweltschützer herausgefunden, dass sich eidgenössische Energieerzeuger an der Finanzierung des Doppelblocks beteiligen wollen, nachdem der spanische Hauptinvestor Iberdrola abgesprungen ist. Kritik gab es von Grünen und Sozialdemokraten in der Schweiz. Mittlerweile hat das Unternehmen Gruyere Energie von seinen Brunsbüttel-Plänen Abstand genommen.
Indes will die Bürgerinitiative Gesundheit und Klimaschutz Unterelbe angesichts des Stadtratsbeschlusses ihre Anstrengungen gegen die Kohlekraftwerkspläne noch intensivieren. So ruft man für den Samstag zu einer Demonstration auf dem Marktplatz auf.
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