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Interview mit Rätia-Energie-Verwaltungsratspräsident, Südostschweiz - 14.02.2009

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Arne

Beiträge: 539

BI Teilnehmernummer: 98

New PostErstellt: 19.02.09, 14:06  Betreff: Interview mit Rätia-Energie-Verwaltungsratspräsident, Südostschweiz - 14.02.2009  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

Die Suedostschweiz

14.02.2009

Interview mit Rätia-Energie-Verwaltungsratspräsident Luzi Bärtsch

«Wir tun etwas Positives fuers Klima»

Die Beteiligung am geplanten Kohlekraftwerk in Brunsbuettel in Norddeutschland haette positiven Einfluss auf die Arbeitsplaetze der Raetia Energie in Graubuenden. Das macht Verwaltungsratspraesident Luzi Baertsch deutlich.

Herr Baertsch , das von der Raetia Energie geplante Engagement an einem Kohlekraftwerk in Brunsbuettel hat heftige Kritik provoziert. Wie stehen Sie ganz persoenlich zur Stromgewinnung aus Kohle?

Luzi Baertsch : Ich halte nichts davon, die verschiedenen Energietraeger gegeneinander auszuspielen. Jedes Land muss den Energiemix auf die eigenen Bedingungen und Gegebenheiten abstimmen. In der Schweiz spielt die Wasserkraft eine tragende Rolle, und wir haben das Glueck, dass die Initiativen zum Ausstieg aus der Atomkraft abgelehnt wurden. In dieser Position koennen wir locker den Mahnfinger erheben. Deutschland hat andere Voraussetzungen und daher eine andere Strategie. Der Atomausstieg ist beschlossene Sache, deshalb sind Kohlekraftwerke, die 50 Prozent der Energie liefern, noch Jahrzehnte unersetzbar.

Braucht die Raetia Energie zur Versorgung der Abnehmer in der Schweiz Strom aus Kohlekraftwerken?

Nein, aber die Raetia Energie ist seit ueber 100 Jahren international im Energiegeschaeft taetig und generiert fast 90 Prozent des Umsatzes im Ausland - lediglich zwoelf Prozent in der Schweiz. Dennoch haben 75 Prozent der Mitarbeitenden ihren Arbeitsplatz in Graubuenden. Die eigentliche Wertschoepfung fuer den Kanton bringt die internationale Taetigkeit, nicht die zwoelf Prozent, die wir in Graubuenden taetigen. Wir beschaeftigen in Graubuenden 450 Mitarbeitende und 60 Lehrlinge, und wir leisten Abgaben und Steuern an Kanton und Gemeinden in Hoehe von jaehrlich gegen 50 Millionen Franken.

Und wir generieren Eigenmittel, die es uns erlauben, im Kanton zu investieren. In den letzten Jahren waren das etwa 200 Millionen Franken.

«Wir haetten weniger Arbeitsplaetze»

Wozu denn das Engagement an einem Kohlekraftwerk?

Diese Wertschoepfung ist nur moeglich mit einer erfolgreichen Taetigkeit in den Schluesselmaerkten Italien und Deutschland. Grundvoraussetzung dafuer sind eigene Produktionsanlagen, daher investieren wir in Wind- und Kohlekraftwerke. Wenn wir die Produktionsbeteiligung nicht realisieren koennen, hat das Auswirkungen auf die Wertschoepfung in Graubuenden. Wir werden weniger Arbeitsplaetze haben, so einfach ist das.

Die Strategie der Raetia Energie fuer Brunsbuettel ist geleitet von rein wirtschaftlichen Interessen.

Mit der Beteiligung an Brunsbuettel will die Raetia Energie das Geschaeft in Deutschland absichern. Damit werden auch soziale Interessen beruecksichtigt. In einem Umfeld, in dem die Kurzarbeit steigt und sich der Abbau von Arbeitsplaetzen beschleunigt, ist das zentral.

Wie gross ist die geplante Beteiligung am Kohlekraftwerk in Brunsbuettel? Geruechten zufolge ist die Raetia auch bereit fuer eine Mehrheitsbeteiligung.

Zur Diskussion steht der Bau von zwei Kraftwerkbloecken mit einer Leistung von je 900 Megawatt. Die Raetia Energie strebt eine Minderheitsbeteiligung an in der Groessenordnung von 200 bis 300 Megawatt. Es kann sein, dass wir fuer eine befristete Zeit eine hoehere Beteiligung halten werden.

Was heisst befristet?

Projektinhaberin in Brunsbuettel ist die Suedweststrom AG, ein Zusammenschluss von 48 Stadtwerken. Es wird demnaechst ein Konsortium mit weiteren interessierten Investoren gebildet. Fuer uns ist es wichtig, Einfluss nehmen zu koennen auf die Wahl der Partner und vor allem auch auf die Ausgestaltung der Mitbestimmungsrechte der Minderheitsaktionaere. Mit einer zeitlich befristeten hoeheren Beteiligung stuenden wir da in einer staerkeren Position.

Wie hoch ist das geplante finanzielle Engagement? Man spricht von mehreren hundert Millionen Franken.

Dies ist noch nicht festgelegt. Das haengt ab vom Umfang der Beteiligung und davon, ob einer oder zwei Bloecke realisiert werden.

Weshalb ist eine Produktionsbeteiligung von so grosser Bedeutung? Die Raetia Energie koennte in Deutschland auch nur als Haendlerin taetig sein.

Ohne Produktion im Land sind die Risiken zu gross.

Zur Versorgung der Buendner Kundschaft braucht es aber keine Kohle.

Mengenmaessig wird der Strombedarf in unserem Versorgungsgebiet locker durch die Produktion in der Schweiz abgedeckt.

Zur Optimierung der Produktion ist aber ein grenzueberschreitender Austausch notwendig.

Die Stromerzeugung mit Kohle gilt als die «schmutzigste» Art der Stromerzeugung. Zudem haben Kohlekraftwerke einen schlechten Wirkungsgrad: ein krasser Widerspruch zu den oekologischen Grundsaetzen der Raetia Energie.

Wir haben uns stark in der Wasserkraft engagiert und werden das auch in Zukunft machen. Wir haben in Graubuenden mehrere grosse Projekte, zum Beispiel im Praettigau oder im oberen Puschlav. Wir verfolgen Windkraftprojekte in Deutschland und Italien, bieten Oekostromprodukte an, und wir foerdern in intensivem Umfang die Energie-Effizienz.

... und Sie investieren in schmutzige Kohle.

In Deutschland werden 200 Kohlekraftwerke betrieben, darunter viele alte, die als «Dreckschleudern» gelten. Der Wirkungsgrad neuer Kohlekraftwerke ist wesentlich hoeher, sie sind hoch effizient. Wenn ein altes Kohlekraftwerk durch ein neues ersetzt wird, koennen gegen 30 Prozent CO2 eingespart werden. Und bei den Emissionen werden die Grenzwerte deutlich unterschritten. Wir machen etwas Positives fuer das Klima, wenn wir in ein neues Kohlekraftwerk investieren, daher sehe ich keinen Widerspruch.

Das toent doch sehr schoenfaerberisch.

Die alten Kraftwerke haben einen Wirkungsgrad von 30 bis 35 Prozent, bei den neuen liegt er nahe bei 50 Prozent. Das ist eine ganz wesentliche Verbesserung. Wer das beanstandet, muss Alternativen bieten.

«Diese Frage ist unrealistisch, fast schon naiv»

Gaskraftwerke gelten gegenueber Kohlekraftwerken als oekologisch besser.

Wir betreiben in Italien ein Gas-Kombikraftwerk. In Deutschland ist Gas nicht moeglich aus zwei Gruenden. Man bekommt keine Liefervertraege, und wenn man sie bekommt, sind sie mit einem Lieferrisiko behaftet. Deshalb ist Gas zurzeit keine Alternative.

Im geplanten Kohlekraftwerk Brunsbuettel soll Kohle aus Suedamerika verbrannt werden.

Kohle kommt weltweit vor und weist die mit Abstand groessten Reserven unter den fossilen Energietraegern aus. Bei der Kohle muessen wir auf Ressourcen zurueckgreifen, die sich weltweit anbieten, das ist beim Gas nicht anders. Fuer ein Kohlekraftwerk ist ein Standort am Meer guenstig, denn der Transport mit Schiffen ist vergleichsweise kostenguenstig und umweltfreundlich.

Bei einem Wirkungsgrad von unter 50 Prozent verpufft jede zweite Schiffsladung Kohle ungenutzt, die Umwelt wird trotzdem mit CO2 belastet.

Bei jeder Verbrennung fossiler Energietraeger entstehen Verluste. In einem modernen Kohlekraftwerk wird Strom mit gutem Wirkungsgrad gewonnen. Bei Einsatz des Stroms bei Waermepumpen kann ein Mehrfaches an Waerme gewonnen werden.

Koennte die Raetia Energie das CO2, das mit ihrem Anteil am Kohlekraftwerk freigesetzt wird, in Graubuenden kompensieren?

Diese Frage ist unrealistisch, fast schon naiv. Brunsbuettel koennte vier Staedte in der Groesse von Zuerich versorgen.

Man muss der CO2-Belastung den Gegenwert der Produktion gegenueberstellen. Und mit einem neuen Kohlekraftwerk werden immerhin 30 Prozent CO2 eingespart, damit wird die CO2-Belastung gesenkt.

Die Raetia Energie rechtfertigt das geplante Engagement unter anderem damit, dass man sich an die deutsche Gesetzgebung halte. Gibt es aus unternehmerischer Sicht Toleranzgrenzen, die auch dann nicht ueberschritten werden sollten, wenn auslaendisches Recht dies zulaesst?

Diese Frage zielt darauf ab, dass man auf Kohlekraftwerke verzichten sollte. Das ist in Deutschland aus den genannten Gruenden schlicht nicht moeglich. Wie wollen Sie die Stromversorgung in Deutschland ohne Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke sicherstellen?

Gibt es fuer die Raetia Energie eine Toleranzgrenze?

Deutschland ist in Bezug auf die Umweltstandards vergleichbar mit der Schweiz. Es gibt Laender, in denen diese Standards tiefer sind, dort waere diese Frage berechtigt - aber nicht in Deutschland. Das Kohlekraftwerk erfuellt die gesetzlichen Vorgaben und Emissionsvorschriften bei weitem, spart CO2 und leistet einen Beitrag an die Versorgung in Deutschland. Ich kann nicht erkennen, was daran moralisch falsch sein sollte.

Deutsche Kritiker zitieren Studien, die besagen, dass Deutschland in 20 Jahren ohne Atom- und Kohlestrom auskommen koennte, wenn die fuer neue Kohlekraftwerke vorgesehenen Milliardenbetraege in erneuerbare Energien investiert wuerden.

Die deutsche Bundesregierung sieht das offensichtlich nicht so und foerdert neue Kohlekraftwerke. Wir investieren in Deutschland auch in Windenergie, damit liegt die Raetia Energie auf der energie- und klimapolitischen Linie der deutschen Bundesregierung. 50 Prozent des Strombedarfs bis in 20 Jahren zu ersetzen, ist unrealistisch. In ferner Zukunft mag das moeglich sein. Fuer einige Jahrzehnte wird aber Kohle bei Stromproduktion unverzichtbar bleiben.

«Wir stuetzen uns auf eigene Erhebungen»

Eine an der Universitaet Flensburg gemachte Untersuchung stellt die Wirtschaftlichkeit neuer Kohlekraftwerke in Frage.

Dies weil bei der Stromuebertragung Strom aus Windenergie Vorrang hat, und am Meer sind grosse Investitionen in Windkraftwerke geplant.

Wir kennen die vielzitierte Diplomarbeit eines Studenten, sie basiert nach unserer Beurteilung auf unrealistischen Annahmen. Wir stuetzen uns auf eigene Erhebungen, die selbst bei konservativen Annahmen davon ausgehen, dass das Projekt wirtschaftlich ist. Die Annahmen sind: Verlaengerung der Betriebsdauer fuer AKWs, ein rasanter Ausbau der Off-shore- Windkraftwerke, eine sehr hohe CO2-Abgabe und ein hoher Kohlepreis. Auch unabhaengige Experten bezeichnen das Projekt unter diesen Bedingungen als wirtschaftlich.

Wenn das Projekt so viel versprechend ist, weshalb muss denn die Suedweststrom im Ausland nach Investoren suchen?

Die Suedweststrom will eine breite Traegerschaft des Projektes. Das macht es moeglich, dass auch Schweizer Unternehmen sich beteiligen koennen. Das Interesse, in Brunsbuettel zu investieren, ist gross.

Die Wirtschaftlichkeit neuer Anlagen ist doch nur gegeben, wenn alte abgeschaltet werden. Freiwillig wird sicher keines der alten Kraftwerke abgestellt, koennen die doch viel guenstiger produzieren als neue.

Das Projekt Brunsbuettel hat einen sehr kostenguenstigen Standort. Alte Kohlekraftwerke haben einen schlechten Wirkungsgrad, hohe Brennstoffkosten und eine wirtschaftlich begrenzte Lebensdauer. Wir gehen davon aus, dass die alten Anlagen sukzessive durch neue ersetzt werden.

Keine Angst also, Millionen in den Sand zu setzen?

Die Raetia Energie wird im weiteren Projektverlauf die Wirtschaftlichkeit der Investition immer wieder pruefen, und vor einem Bauentscheid werden wir das Ganze nochmals sehr genau ansehen. Sollten wir zum Schluss kommen, dass die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben ist, werden wir uns am Bau nicht beteiligen.

Luzi Baertsch ...

... ist seit 2000 Praesident des Verwaltungsrates der Raetia Energie AG mit Sitz in Brusio. Die Raetia Energie entstand im Jahr 2000 durch den Zusammenschluss der Kraftwerke Brusio AG, der AG Buendner Kraftwerke, Klosters, und der Rhaetischen Werke fuer Elektrizitaet, Thusis.

Baertsch war von 1971 bis 1986 bei der Ems-Chemie AG taetig, davon mehrere Jahre als Mitglied der Geschaeftsleitung. Von

1987 bis 1998 war er Buendner Regierungsrat. In dieser Zeit war er als Vertreter der Regierung auch Verwaltungsratspraesident der AG Buendner Kraftwerke. Der 69-jaehrige Baertsch , dipl. Ing ETH, ist verheiratet und wohnt in Trin.




[editiert: 19.02.09, 14:22 von Arne]
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Arne

Beiträge: 539

BI Teilnehmernummer: 98

New PostErstellt: 08.05.09, 13:38  Betreff: Re: Interview mit Rätia-Energie-Verwaltungsratspräsident, Südostschweiz - 14.02.2009  drucken  weiterempfehlen

Hier noch ein Leserbrief in der Südostschweiz vom 21.02.2009 zu obigen Artikel:

Wie man seine Intelligenz versteckt …

Zum Interview «Wir tun etwas Positives fürs Klima» mit Rätia-Energie-Verwaltungsratspräsident Luzi Bärtsch in der Ausgabe vom 14. Februar.

Wie versteckt man seine Intelligenz? Man nimmt seine Fantasie an die kurze Leine. Dann kramt man die Energie-Ideologie der Fünfzigerjahre aus der untersten Schublade. Dann weist man seine Parlamentarier in Bern an, für kostendeckende Einspeisevergütung von erneuerbarer Energie nur 16 von 320 Millionen Franken zu sprechen. Dann reisst man im norddeutschen Brunsbüttel eine bestehende Windkraftanlage ab. Dann stellt man genau dort ein Kohlekraftwerk hin. Dann hängt man diesem ein grünes Mäntelchen um mit dem billigen Trost, nur jede zweite Schiffsladung Kohle aus Südamerika ginge ungenutzt in die Luft. Dann pflegt man ein grünes Image mit dem Logo «Pure» (rein, sauber). Dann hofft man, das Publikum sei blöd und merke nichts. Dann steckt man den Kopf in den Sand, damit einen die immer heftigeren und häufigeren Sturmwinde nicht allzu sehr zerzausen.

Felix Jäger, Felsberg

Quelle: http://www.ethik-initiative.ch/files/Leserbriefe/07%20SO_21.02.09%20Glaubwuerdige%20Wertevermittlerin%20(Fabian%20Ryf).pdf





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