Konstanz - 27.11.2009

Kommunalpolitik Stadtwerke Energie

Kleine Unterschrift, große Wirkung

Es mag kein großer Schritt für die Menschheit wie bei der ersten Mondlandung gewesen sein. Doch was am Donnerstag im Stadtwerke-Gebäude geschehen ist, könnte für die Menschen in Konstanz und im Hegau auf lange Sicht bedeutend sein: Die Chefs der Stadtwerke und des Regionalversorgers Solarcomplex AG haben mit ihrer Unterschrift eine weitreichende Zusammenarbeit besiegelt. Damit dürfte die Energiewende in Konstanz endgültig eingeleitet sein. Die Stadtwerke beteiligen sich mit 50 000 Aktien, das entspricht einem Anteil von einem Prozent an Solarcomplex. Doch die Zusammenarbeit soll noch stärker fruchten.

Solarcomplex hat ein ehrgeiziges Ziel: Bis 2030 wollen Vorstand Bene Müller und seine Mitstreiter die Energieversorgung in der Region weitgehend mit heimischen erneuerbaren Energien schaffen. In dieser Hinsicht haben sich die Konstanzer Stadtwerke in den vergangenen Jahren nicht besonders hervorgetan. Lange Zeit war im Mix ein beträchtlicher Teil Atomstrom zu finden. Mittlerweile bekommen Privatkunden zwar 100 Prozent Ökostrom, doch vergangenes Jahr strebte die Geschäftsführung nicht gen Hegau, sondern nach Norden. Das Unternehmen wollte sich wie viele süddeutsche Stadtwerke an einem Kohlekraftwerk im fernen Brunsbüttel beteiligen. Der Gemeinderat sagte nach langem Ringen Nein und gab den Chefs einen klaren Auftrag: Sie sollen stärker auf erneuerbare Energien setzen. Nun ist ihr Bekenntnis klar: „Regionale Produkte sind uns am liebsten“, sagte Geschäftsführer Konrad Frommer.

Solarcomplex wurde bislang keineswegs als selbstverständlicher Partner betrachtet. Vor einigen Jahren beklagte sich Bene Müller gemeinsam mit Sunways-Chef Roland Burkhardt, die Stadt Konstanz engagiere sich viel zu wenig auf dem Solarmarkt und stelle keine Dachflächen zur Verfügung. Diese Zeiten seien vorbei, sagte Bene Müller nun bei der Unterzeichung des Vertrags. Die Stadt habe große Potenziale, er hoffe, sie nutze sie. Stadtwerke-Geschäftsführer Kuno Werner sieht sein Unternehmen dabei auf einem guten Weg: „Wir haben schon viel in alternative Energien investiert.“ Es nannte alleine 120 Solaranlagen oder etliche Blockheizkraftwerke.

Über den Einstieg der Stadtwerke freut sich Müller, schließlich gelten sie als wichtigstes kommunales Energie-Unternehmen in der Region. Die beiden neuen Partner wollen viel gemeinsam anpacken, wie sie im Pressegespräch andeuteten. Konkret wollte keiner der Geschäftsführer werden, doch es sind durchaus größere Pilotprojekte denkbar. Solarcomplex hofft auf neuen Schub. Denn von seinem Ziel ist das Unternehmen noch weit entfernt: Erst zehn Prozent des Strom- und Wärmebedarfs in der Region kommen nach Müllers Angaben aus erneuerbaren Energien. Das Potenzial sei bei weitem nicht ausgeschöpft, „aber das Tempo nimmt zu“, sagte er. Mit Investoren wie den Stadtwerken erst recht. „Wir haben schon interessante Ideen entwickelt“, berichtete Kuno Werner. Erstes gemeinsames Projekt ist eine Fotovoltaik-Anlage in Überlingen. Mit ihr können rund 60 Haushalte versorgt werden.

Wie sehr Anspruch und Wirklichkeit bei den erneuerbaren Energien auseinanderklaffen, zeigt der Anteil der Ökostrom-Marken Energreen und Etagreen, deren Aufpreis direkt alternativen Projekten zugute kommt: Etwa zwei Prozent der Stadtwerke-Kunden beziehen sie. Dies sei ein generelles Problem, sagte Bene Müller, eine Mehrheit der Bevölkerung wolle den Atom-Ausstieg, viele seien aber nicht bereit, die Konsequenzen zu ziehen.

Quelle: http://www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/konstanz/Kleine-Unterschrift-grosse-Wirkung;art372448,4054304