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Wedel: "Überleben auf dem Energiemarkt", Barmstedter Zeitung - 10.11.2010

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Arne

Beiträge: 539

BI Teilnehmernummer: 98

New PostErstellt: 14.11.10, 14:17  Betreff: Wedel: "Überleben auf dem Energiemarkt", Barmstedter Zeitung - 10.11.2010  drucken  weiterempfehlen

Wedel: Überleben auf dem Energiemarkt

10. November 2010 | von Interview: Oliver Gabriel

Herr Kissig, haben Wedels Stadtwerke eine Zukunft als 100-prozentige Tochter der Stadt?
Die Stadtwerke sind ein erfolgreiches und gut geführtes Unternehmen mit motivierten Mitarbeitern, und sie bieten den Wedeler Bürgern eine sehr hohe Versorgungssicherheit. Etwa neun Minuten Stromausfall muss jeder Bürger pro Jahr verkraften. Das ist ein kaum zu unterbietender Wert - der Bundesdurchschnitt liegt bei 19 Minuten -, den wir hauptsächlich zwei Faktoren zu verdanken haben: der Leistung der Mitarbeiter und dem hohen Niveau der Netze aufgrund hoher Investitionen und guter Wartung. Würde man nun über die Veräußerung von Anteilen nachdenken, würde man hier die Entscheidungskompetenz vor Ort verlieren oder zumindest beschneiden. Des Weiteren würden die Gewinne der Stadtwerke auch nur noch anteilig an die Stadt fließen, während auf der Habenseite eine einmalige Einnahme aus dem Anteilsverkauf stünde. Die Stadt müsste finanziell schon am Abgrund stehen, um hieran einen ernsthaften Gedanken zu verschwenden.

Als Gas- und Stromanbieter waren die Stadtwerke in einschlägigen Internet-Vergleichsportalen lange in der Spitzengruppe der günstigsten Versorger. Mittlerweile sind sie allenfalls Mittelmaß. Was ist passiert?
Das Geschäftsmodell der Stadtwerke basiert auf Nachhaltigkeit, Servicequalität, Versorgungssicherheit und auskömmlichen Preisen. Damit konnten wir den großen Strom- und Gaskonzernen sehr gut Konkurrenz machen. Diese haben dann reagiert und eigene Billigtöchter gegründet, deren einziges Ziel die Kundenrückgewinnung ist - mit überwiegend nicht rentablen Kampfpreisen. In letzter Zeit gibt es aber auch noch Anbieter, deren Geschäftsmodell ausschließlich auf schnellem Kundenwachstum basiert und die dafür mit absoluten Dumpingpreisen an den Markt gehen. Da können und wollen die Stadtwerke nicht mithalten. Bei den Vergleichsportalen im Internet wird ausschließlich auf den Preis abgestellt. Billig ist vorne. Schaut man sich die Anbieter und ihre Geschäftsmodelle jedoch an, liegen immer diejenigen vorne, die Kautions- und / oder Vorauszahlungen von den Kunden einfordern. Das Risiko machen sich die meisten gar nicht bewusst: Geht das Unternehmen pleite, sind die Vorauszahlungen und die Kautionen verloren. Man muss dann bei einem anderen Unternehmen ein zweites Mal bezahlen, auch wenn man nur einmal Strom und Gas geliefert bekommt. Wer also Kunde bei den Stadtwerken ist, zahlt einen etwas höheren Preis, aber er kann sich sicher sein, dass die Stadtwerke ihn auch beliefern. Darüber hinaus findet ein persönlicher Kontakt und keine anonymen Gespräche mit Telefonautomaten statt. Clever zu sein ist also nicht unbedingt damit gleichzusetzen, immer den billigsten Preis erzielt zu haben.

Dennoch dürfte Sie das einiges an Kunden gekostet haben, die die Freiheit des Energiemarktes nutzen...
Wettbewerb findet auch in Wedel statt. Die Stadtwerke Wedel haben allerdings beim Strom und Gas noch immer Marktanteile von deutlich über 90 Prozent. Geiz mag geil sein, aber geil sein ist nicht alles.

Die kleinen Stadtwerke haben mit "wechselstrom" und "wechselgas" den Konzernen in der Vergangenheit tausende Kunden abgejagt. Sind die Ihnen noch treu oder ist dieser Markt für Sie abgegrast?
Die Stadtwerke haben mit ihren Partnern im Nordverbund zum richtigen Zeitpunkt das richtige getan und kräftig Kunden außerhalb Wedels hinzugewonnen, vor allem in Hamburg. Die damals vorhandene Wechselbereitschaft resultierte aus den dramatischen Preisanstiegen beim Öl, dem der massive Einbruch ab Mitte 2008 folgte. Der überwiegende Teil der gewonnenen Kunden ist uns bis heute treu. Weitere hinzuzugewinnen ist jedoch vergleichsweise schwieriger und auch viel teurer geworden, weil es aktuell keine große Wechselstimmung gibt. Sollten die Preise wieder deutlich anziehen, wird sich die Lage sicherlich wieder ändern und die Stadtwerke müssen und werden sich so im Wettbewerb positionieren, dass sie hiervon profitieren.

Wedel hat lange auf eine Beteiligung am Kohlekraftwerk der Südweststrom gesetzt. Andererseits gibt es von Ihnen im Versorgungsgebiet ausschließlich 100 Prozent CO2-freien Ökostrom. Ist da nicht irgendwas schräg?
Mit Inbetriebnahme des Kohlekraftwerks müssten die beteiligten Stadtwerke sicherlich zum Ausgleich Zertifikate erwerben, um weiterhin unter dem Label CO2-frei anbieten zu können.

Mittlerweile steht fest: In Brunsbüttel wird die Rolandstadt keine Rolle als Energieerzeuger spielen, die doch immer als so wichtig erachtet worden war. Ist hier zu lange eingleisig gefahren worden?
Als vergleichsweise kleines Energieunternehmen können die Stadtwerke kaum ein eigenes Großkraftwerk bauen. Andererseits werden es die Energieunternehmen, die nicht selbst Strom produzieren und auf die schmalen Margen beim Energiehandel angewiesen sind, immer schwerer haben, sich am Markt zu behaupten. Die Stadtwerke verfolgen daher das Ziel, eigene Produktionskapazitäten aufzubauen beziehungsweise sich an solchen zu beteiligen. Da diese überwiegend von den vier großen Energiekonzernen betrieben werden, gibt es für uns jedoch nur in überschaubarer Anzahl aussichtsreiche Projekte.

Das Kraftwerk in Brunsbüttel war eines davon, und wir hatten uns entschieden, hier einen Fuß in die Tür zu bekommen. Der Projektstand hinkt allerdings weit hinter den eigentlichen Planungen hinterher und bis heute haben wir nicht die für uns maßgebliche Wirtschaftslichkeitsbetrachtung auf dem Tisch. Darüber hinaus haben sich die Rahmenbedingungen massiv geändert, da die regenerativen Energien in einem viel stärkeren Maße ausgebaut wurden und werden, als noch vor einigen Jahren abzusehen war. Und die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke spielt natürlich auch eine Rolle, denn im Netz haben diese Energieformen Vorfahrt, während Kohlestrom am Ende der Einspeisungskette steht. Die Risiken sind also deutlich gestiegen, während die Chancen für Kohlekraftwerke sich weiter verringern. Die Stadtwerke prüfen allerdings auch andere Projekte, um zukünftig selbst Strom zu produzieren. Das Ziel, nicht völlig vom margenschwachen Stromhandel abhängig zu sein, bleibt richtig und wird mit entscheidend sein, ob wir die Stadtwerke als konzernunabhängiges regionales Versorgungsunternehmen für die Bürger erhalten können.

Wie stehen die Chancen, dass Wedel den sechsstelligen Betrag, den die Stadt das Kraftwerks-Projekt bisher gekostet hat, wiederbekommt?
Das Projekt ist seit unserer Beteiligung weiter vorangetrieben worden und das hat Kosten verursacht, die anteilig auch von unserer Einlage mitbezahlt werden. Wenn ein Stadtwerk aus dem Projekt aussteigt, wird es also nicht den vollen eingesetzten Betrag zurückerhalten.

Stichwort Kombibad: Wird sich Wedel weiter einen Defizit-Ausgleich von zwei Millionen Euro pro Jahr für ein Schwimmbad leisten können und wollen?
Solange die Ertragslage der Stadt und hierbei vor allem die Gewerbesteuereinnahmen auf dem seit Jahren hohen Niveau fließen, kann sich die Stadt den Zuschuss leisten. Das bedeutet allerdings nicht, dass nicht über Möglichkeiten nachgedacht wird, wie das Defizit gesenkt werden könnte.

Alternativen zum jetzigen Betriebsmodell wären lediglich, das Bad zu schließen oder zu verkaufen. Bei einer Schließung würden jedoch weiterhin die Finanzierungskosten zu bedienen sein und die Kosten für die Mitarbeiter würden ebenfalls nicht einfach auf Null sinken. Und eine andere Nutzung der Gebäude und Anlagen ist schwer vorstellbar, so dass hier ein teurer Rückbau nötig würde. Bei einem Verkauf würde der Erwerber ja Gewinne erzielen wollen. Es wären also massive Preisanhebungen zu erwarten und Schulen und Vereine hätten das Nachsehen - die Stadt könnte hier in Kompensation treten und wieder Zuschüsse gewähren. Was letztlich also keine Veränderung der Situation brächte, da der städtische Haushalt weiterhin beansprucht würde.

Quelle: http://www.barmstedter-zeitung.de/nachrichten/lokales/wedel/wedel/artikeldetails/article/214/ueberleben-auf-dem-energiemarkt.html




[editiert: 14.11.10, 14:17 von Arne]
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