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Mit Erdgas in die Energiefalle. WZ vom 19.06.2012

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Autor Beitrag
Claudia

Beiträge: 4532

BI Teilnehmernummer: 106

New PostErstellt: 19.06.12, 23:12  Betreff: Mit Erdgas in die Energiefalle. WZ vom 19.06.2012  drucken  weiterempfehlen

Mit Erdgas in die Energiefalle

Regierungen und Versorger setzen auf Gas als Brückentechnologie – mit gravierenden Folgen für Umwelt und Klima

Kiel/Washington

Vorgestern war es Atomkraft, gestern war es Kohle, heute ist es
Erdgas: Deutschland ist verzweifelt auf der Suche nach einer
Brückentechnologie, die einspringt, solange die erneuerbaren Energien
die Stromversorgung noch nicht alleine gewährleisten können. Nach dem
Schnell-Ausstieg aus der Atomkraft folgte die
Erkenntnis, dass Kohlekraftwerke schlecht für die Klimabilanz und
außerdem zu schwerfällig sind, um von einer Minute auf die andere
schwankende Wind- oder Sonnenstromzufuhr auszugleichen. Prompt haben
Regierungen und örtliche Energieversorger daher beschlossen, mit
Gaskraftwerken eine Brücke in die erneuerbare Zukunft zu bauen.


In den alten Kohlemeilern in Wedel und Kiel sollen voraussichtlich ab
2016 gasbetriebene Anlagen für Strom und Wärme sorgen. In Flensburg
wird in vier Jahren eine Gas- und Dampf-Anlage
zwei der kohlebetriebenen Kessel ersetzen. Um mit dem nötigen Erdgas für
ihre Anlagen versorgt zu sein, planen die Betreiber bereits ihre
Anbindungen an das Gas-Pipelinenetz. „Wir spüren
es ganz deutlich: Deutschland setzt auf Gas“, bestätigt Philipp von
Bergmann Korn, Sprecher der Firma Gasunie-Deutschland. Das Unternehmen betreibt das Fernleitungsnetz in Norddeutschland und will in seine Ausbau-Aktivitäten in Schleswig-Holstein
und Niedersachsen in den nächsten Jahren rund eine halbe Milliarde Euro
investieren. Bald sollen die Genehmigungsverfahren für neue Parallel-Pipelines zur „Deudan-Leitung“ zwischen Hamburg und Ellund beginnen.


Selten gab es in den vergangenen Jahren so viel Rückenwind für einen
fossilen Energieträger. Bundes- wie Landesregierungen setzen auf Erdgas.
Die Internationale Energieagentur verkündet das „Goldene Zeitalter des
Gases“. Der Öl- und Gas-Riese Exxon Mobil
erklärt der Bundesrepublik in einer eigens für sie angefertigten
Energieprognose, Erdgas spiele für die Erreichung der deutschen
Klimaschutzziele eine entscheidende Rolle. Und begeistert stimmen die
Umweltschützer von Greenpeace ein: „Erdgas ist die Brückentechnologie in
ein grünes Zeitalter.“ Denn Gaskraftwerke stoßen gegenüber
Kohlekraftwerken nur halb so viel klimaschädliches Kohlendioxid aus.


Bei so viel Einigkeit fällt es schwer zu glauben, dass an der Sache
trotz allem ein Haken sein könnte. Tatsache ist jedoch, dass die
gängigen Erdgasvorräte vor allem in Europa zur Neige gehen. In
Deutschland ist die Erdgasförderung seit dem Jahr 2000 um 30 Prozent
zurückgegangen, in Großbritannien ist sie um 70 Prozent gefallen und
auch in Norwegen und Dänemark ist das Fördermaximum erreicht. Dies ist
auch ein Grund für den Ausbau der Deudan-Leitung.
Anders als noch vor drei Jahren muss diese nun darauf eingestellt
werden, nicht dänisches Gas nach Deutschland, sondern aus Russland
kommendes Erdgas über Deutschland nach Dänemark zu transportieren.


Dennoch fängt der Erdgas-Hype weltweit erst
richtig an. In den USA hat sich Präsident Obama jüngst von seinen
Plänen, sein Land durch erneuerbare Energien unabhängig zu machen
verabschiedet und setzt nun fast ausschließlich auf hausgemachtes,
„unkonventionelles“ Erdgas. Dabei ist nicht das Gas unkonventionell,
sondern dessen Lagerort und die Fördermethode namens „Fracking“ (siehe
Info-Kasten). Die vielen möglichen
Umweltschäden, die bei der Erschließung von unkonventionellen Gasfeldern
in den USA bereits aufgetreten sind, lassen unabhängige Experten jedoch
am Kosten-Nutzen-Verhältnis des Verfahrens zweifeln. Der Physiker Dr. Werner Zittel vom Münchener Umwelt-Beratungs-Institut
LBST ist in mehreren Studien zu dem Ergebnis gekommen: „Statt den
Aufwand zu betreiben, um an das unkonventionelle Gas zu gelangen, sollte
lieber in die erneuerbaren Energien investiert werden.“


Und noch etwas lässt am „klimaschonenden“ Erdgas zweifeln. Denn auch
wenn es klimaschonender verbrennt als Kohle und Erdöl – zunichte gemacht
wird dieser Vorteil, wenn bei der Förderung unkonventionellen Erdgases
an den vielen Bohrlöchern, in den Gasreinigungsanlagen und beim
Transport immer wieder Methan austritt. Dieses Treibhausgas treibt die
globale Erwärmung stärker voran als Kohlendioxid. Wegen der
Methanemissionen kamen amerikanische Wissenschaftler nach der
Untersuchung dortiger Fördergebiete zu dem Ergebnis, dass in den USA
gewonnenes unkonventionelles Gas teilweise sogar eine noch schlechtere
Klimabilanz hat als Kohle oder Erdöl.


Trotzdem hegt auch Deutschland die Hoffnung, mit dem eigenen
unkonventionellen Gas für Jahrzehnte Selbstversorger zu werden. Vor
allem in Nordrhein-Westfalen werden große
unkonventionelle Gasressourcen vermutet. Sollen sie erschlossen werden,
müssten die Sicherheitsstandards der EU natürlich auf jeden Fall
eingehalten werden, sagt Professor Dietrich Borchardt vom Helmholtz
Zentrum für Umweltforschung in Magdeburg. Er leitet einen Expertenkreis,
der eine Risikostudie zum Thema Fracking verfasst hat und kommt zu dem
Schluss, dass es auch in Deutschland zumindest Probebohrungen nach
unkonventionellem Erdgas geben sollte. Schließlich, und das bestätigt
die Internationale Energieagentur wie auch die Bundesanstalt für
Geowissenschaften und Rohstoffe, wisse man überhaupt noch nicht, wie
viel Gas wirklich da unten ist und wie viel Prozent sich davon überhaupt
fördern lassen.


Trotz dieser Unsicherheiten, die nicht nur für Deutschland gelten,
geht die deutsche Rohstoffagentur davon aus, dass die weltweite
Erdgasversorgung „noch für Jahrzehnte gewährleistet“ ist. Dr. Werner
Zittel hingegen zeigen die Daten aus den Vereinigten Staaten, dass es
zumeist bei vagen Schätzungen über die Erdgasreserven bleibt. „In den
USA werden in den meisten Gebieten nur ein paar Prozent dessen, was als
Reserve angegeben wird, tatsächlich gefördert.“ Er befürchtet, dass sich
Deutschland durch die Festlegung auf Gaskraft in Zukunft von immer
knapper und immer teurer werdenden Erdgas-Importen abhängig macht.


Daran können eigentlich weder die Landes- und Bundesregierung noch
Greenpeace ein Interesse haben – wohl aber die großen Energiekonzerne,
die im „Goldenen Zeitalter des Gases“ gerne noch einmal einen großen
Batzen Geld verdienen möchten. Auch ein Grund, warum Werner Zittel das
Wort „Brückentechnologie“ inzwischen nicht mehr hören kann: „Eine Brücke
ist teuer, eine Brücke kann einstürzen und eine Brücke zieht den
Verkehr an. Und genau das wollen wir alles nicht.“
Kerstine Appunn






Was ist Fracking?
Beim
„Hydraulic Fracturing“ oder kurz „Fracking“ wird unter hohem Druck eine
Flüssigkeit aus Wasser, Sand und Chemikalien in tiefe geologische
Schichten gepresst, um dort Risse zu erzeugen. Dadurch wird Erdgas
freigesetzt, das zuvor in den Poren des Gesteins fest eingeschlossen
war. Bei konventionellem Erdgas strömt das Gas von selbst aus größeren
Hohlräumen heraus.
Die Fracking-Methode
erfordert eine Vielzahl dicht beieinander liegender Bohrplätze, die
allesamt mit Maschinen bestückt werden müssen. Zur Herstellung der
Fracking-Flüssigkeit werden pro Bohrung zwischen 11 und 18 Millionen Liter Wasser benötigt. Außerdem muss es gesicherte
Auffangbecken für die giftige Flüssigkeit geben, die nach ihrer
Verwendung in der Tiefe wieder nach oben gespült wird. Es besteht das
Risiko, dass die Flüssigkeit oder freigesetztes Erdgas das Grundwasser
verunreinigen.






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