Tauziehen um die Energiewende
Land will freie Hand bei der Strom-Produktion – Bund beansprucht Führungsrolle: Politisches Kräftemessen bei Eröffnung der Husumer Windmesse
Husum
Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) hat an Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) appelliert, Schleswig-Holstein
bei der Energiewende nicht auszubremsen. „Lassen Sie uns den Windstrom
mit Vorzug dort ernten, wo der Wind weht, und das ist im Norden“, sagte
Albig gestern zur Eröffnung der 13. Husumer Windmesse. Altmaier hingegen
sorgt sich weiter wegen der Überkapazitäten und beansprucht für den
Bund eine stärkere Führungsrolle. Diese wahrzunehmen, „ist in der
Vergangenheit möglicherweise versäumt worden“, monierte er.
Der Bundesumweltminister präzisierte, er habe nie gefordert, das
Wachstum der Windenergie speziell im Norden zu drosseln. Wohl aber habe
er darauf hingewiesen, dass die Pläne der Bundesländer nicht zueinander
passten: zehn einschließlich Schleswig-Holstein
hätten erklärt, Strom aus erneuerbaren Energien exportieren zu wollen –
doch 14 planten, sich selbst zu versorgen. Das, so Altmaier, liefe
unterm Strich darauf hinaus, dass die Ausbaupläne des Bundes um 60
Prozent überschritten würden. Seine Aufgabe sei es, „das Wachstum so zu
organisieren, dass die einzelnen Teile ineinander greifen“. Es gehe um
ein Gesamtkonzept darüber, wer in welchen zeitlichen Dimensionen
garantiere, welche Menge Strom abzunehmen.
Zur Aufforderung Albigs, ein höheres Tempo vorzulegen, verwies
Altmaier auf Abstimmungsbedarf mit 16 Amtskollegen auf Länder- und 27
auf EU-Ebene – und konnte sich einen Seitenhieb
auf den Streit zwischen Husum und Hamburg um die künftige Ausrichtung
der führenden Windmesse der Welt nicht verkneifen: Im Gegensatz zu
seinen vielen Verhandlungspartnern im In- und Ausland müsse sich Albig
„doch nur mit seinem Parteifreund Olaf Scholz an einen Tisch setzen und
ihn überzeugen, dass die Messe in Schleswig-Holstein bleibt“. Einmischen in den Standort-Streit wolle er sich nicht, bekundete aber: In zwei Jahren lasse er sich gern wieder als Umweltminister nach Husum einladen.
Zuvor hatte Albig Hamburg erneut zum Einlenken aufgerufen. „Das ist
doch verschenkte Energie“, sagte er über die Pläne aus der Hansestadt,
dort ab 2014 eine Konkurrenz-Schau zur „Husum
Wind“ aufzuziehen. Grundsätzlich signalisierte der Ministerpräsident
indes die Bereitschaft, den Fehdehandschuh aufzunehmen: „Dann wird
Husum, unterstützt durch die Landesregierung, Antworten am Markt geben.
Hier sehen Sie Hightech in echt und nicht nur im Video.“ Husum ist
derzeit mit 1116 Ausstellern Marktführer weltweit.
Eine Antwort fand die Landesregierung gestern auch auf Altmaiers Sorge, es könnte nicht genügend Abnehmer für Nord-Strom
geben. Energiewendeminister Robert Habeck veröffentlichte eine
gemeinsame Erklärung mit seinem Stuttgarter Amtskollegen Franz
Untersteller (beide Grüne): „Altmaier soll aufhören, Länder
gegeneinander auszuspielen, um von den eigenen Unzulänglichkeiten
abzulenken“, heißt es darin. „Baden-Württemberg will den Windstrom aus Schleswig-Holstein.“ Das Land im Südwesten werde seine Versorgungssicherheit mit modernen Gaskraftwerken lediglich flankieren.
Frank Jung