Altmaier wirft sich in den Kampf
Der Umweltminister will den Ausbau der Windkraft deckeln – das stößt im Norden bei Freund und Feind auf deutliche Kritik
Berlin/Kiel
Peter Altmaier ist im Politikgeschäft ein alter Hase – doch gestern
ist dem Umweltminister etwas mulmig zu Mute, gesteht er: „Das ist einer
der Momente, vor dem ich Respekt habe.“ Altmaier präsentiert seine
Vorschläge für eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes – und weiß, dass nun ein Monate oder sogar Jahre dauernder Kampf mit allen Ökostrom-Lobbyisten losbrechen wird.
Dabei betont Altmaier zunächst, dass es ihm mit dem Umstieg von
Kernkraft und Kohle auf erneuerbare Stromquellen ernst ist: „Wer die
Energiewende schlechtreden will, der bekommt es mit diesem
Energieminister zu tun!“ Dann spricht er allerdings bald die Punkte an,
die manch Verbandsvertreter oder Ministerpräsident als Liste der
Grausamkeiten empfinden wird: Für Windkraft und Biomasse will der
Minister eine Deckelung einführen, die Förderung soll sinken, der Ausbau
„geographisch und regional gesteuert“ werden.
Natürlich macht Altmaier das alles nicht ohne Grund: Der Strompreis
droht immer weiter zu steigen; allein dieses Jahr erhöht sich die vom
Verbraucher zu zahlende Umlage für den Ökostrom um die Hälfte. Daher
will der Minister mit einem stärker kontrollierten Ausbau der
Erneuerbaren mehr Berechenbarkeit schaffen und vor allem die Erzeugung
von Strom vermeiden, der mangels Netzen gar nicht eingespeist, aber
dennoch bezahlt werden muss. Allein in Schleswig-Holstein wurden dafür zuletzt fast 20 Millionen Euro fällig.
Die Landesregierung im Norden hat allerdings wenig Verständnis für
Altmaiers Pläne. Energieminister Robert Habeck ist im Urlaub, daher
tritt seine Staatssekretärin Ingrid Nestle vor die Mikrofone. Zwar lobt
die Grünen-Politikerin zunächst Altmaiers Bekenntnis zu den Erneuerbaren. Doch dass Schleswig-Holstein
sein ehrgeiziges Ausbauziel aufgeben soll, dreimal so viel Ökostrom zu
erzeugen, wie es verbraucht, sieht sie nicht ein. „Feste Länderquoten
werden wir nicht akzeptieren.“
Schützenhilfe bekommt Nestle von der Opposition. „Sollte der Ausbau
der Windenergie bei uns gedeckelt werden und woanders stattfinden, wäre
das volkswirtschaftlicher Unsinn“, kritisiert CDU-Landeschef und Ex-Wirtschaftsminister
Jost de Jager seinen Parteifreund Altmaier: „Erneuerbarer Strom sollte
vor allem dort produziert werden, wo die Voraussetzungen günstig sind.“
Auch der Landes- und Bundesvorsitzende des Windenergieverbands, Hermann
Albers, lehnt die geplante Drosselung des Ausbaus ab: „Es ist falsch,
das Ausbautempo der Erneuerbaren nach dem Ausbautempo bei den Netzen zu
richten. Andersherum wäre es richtig.“
Altmaier weiß natürlich um den Widerstand. Er strebt daher einen Konsens
an und will dazu eine Beratergruppe mit 20 Persönlichkeiten aus
Ländern, Wirtschaft und Gesellschaft bilden. Ob die Reform noch in
dieser Wahlperiode bis 2013 in Kraft tritt? Altmaier antwortet etwas
umständlich: „Das ist nicht hundertprozentig wahrscheinlich.“
Henning Baethge