„Alternative Energien zu bremsen, wäre Unsinn“
Umweltminister Robert Habeck fordert mehr Energie-Einsparungen
Gefährden die stark steigenden Strompreise die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung?
Das Gefährliche ist, die Debatte um steigende Strompreise zu
Wahlkampfzwecken aufzubauschen und so Stimmung gegen die Energiewende zu
machen. Nichts anderes aber tut die FDP mit ihrem Wirtschaftsminister
Rösler! Wir brauchen stattdessen eine sachliche, ehrliche Diskussion.
Ja, die Energiewende kostet, und ein gewisser Anstieg der Strom- und
Energiepreise ist unumgänglich. Doch die wahren Preistreiber sind die
fossilen Energieträger, und in der Abhängigkeit von ihnen liegt die
Gefahr. Die Kosten für die Wärmeversorgung mit Heizöl sind in den
letzten Jahren fünf Mal so stark gestiegen wie die Stromkosten, wie ein
Strompreisbericht der Landesregierung zeigt. Die Energiewende ist
parteiübergreifend beschlossen worden. Eine Abkehr davon würde bedeuten:
zurück zur Hochrisikotechnologie Atom oder klimaschädliche fossile
Kraftwerke und CCS-Verpressung. Das kann keiner
wollen, denn ein Festhalten am Status Quo würde mittel- bis langfristig
um ein Vielfaches teurer als eine konsequente Energiewende.
Sind die Lasten derzeit gerecht verteilt oder hat zum Beispiel die Industrie unnötige Privilegien?
Nein. Wir müssen die Ausnahmen für Unternehmen reduzieren, damit nicht
vor allem mittelständische Betriebe und Verbraucher die Last tragen. Nur
die Firmen, die wirklich viel Energie verbrauchen und im
internationalen Wettbewerb stehen, sollten entlastet werden.
Welche Regelungen benötigen wir, um soziale
Härten für Haushalte und für kleine Betriebe zum Beispiel im
Bäckerhandwerk aufzufangen?
Wir müssen mehr für Energieeffizienz und Energieeinsparung tun. Ein
Strompreisanstieg um 20 bis 25 Prozent könnte dadurch in vielen
Haushalten aufgefangen werden. Und durch Energieeffizienz und
Gebäudesanierung lassen sich Heizkosten sparen. Das ist vor allem für
Geringverdiener wichtig, weil bei ihnen die steigenden Preise voll
reinhauen. Der Bund muss deshalb einen Energieeffizienzfonds auflegen,
damit vor allem einkommensschwache Haushalte stromintensive Geräte
austauschen können. Verbraucher selbst können durch Vertrags- oder
Lieferantenwechsel außerdem oft viel Geld sparen.
Wie kann das Land hier aktiv werden?
Die Landesregierung will unter anderem Programme für die Energieberatung von Haushalten unterstützen und in der kommenden EU-Förderperiode
(ab 2014) verstärkt Mittel für die Flankierung der Energiewende
einsetzen. Sie unterstützt außerdem höhere Standards bei der
energetischen Sanierung von Gebäuden. Beratungsangebote an Kommunen
sollen ebenfalls helfen, die Abhängigkeit von den fossilen Heizträgern
systematisch zu reduzieren.
Gibt es für Sie eine Schmerzgrenze beim Preis einer Kilowattstunde?
Nicht der Preis für die Kilowattstunde ist entscheidend, sondern
letztlich das, was die Leute für Wärme, Licht, Musik etc. zahlen. Eben
deshalb müssen wir über Energieeffizienz zur Kostenentlastung beitragen.
Muss das Tempo beim Ausbau alternativer Energien gedrosselt werden?
Nein. Aber natürlich müssen wir die Integration der erneuerbaren
Energien in das Stromsystem politisch gestalten, zum Beispiel, indem wir
die Regelmärkte für die Erneuerbaren zugänglich machen, Windspitzen für
Wärmegewinnung nutzen und den Netzausbau machen und nicht nur darüber
reden. Macht ihnen die Forderung nach einer Deckelung des Ausbaus Sorgen? Oder kann Schleswig-Holstein seine Ausbaupläne durchsetzen?
Eine Deckelung des Ausbaus ist Quatsch. Gerade der an den küstennahen Standorten in Schleswig-Holstein
erzeugte Strom ist effizient und kostengünstig. Ihn zu bremsen, wäre
Unsinn und würde die Energiewende teuer machen! Wie gut die
Rahmenbedingungen hier sind, hat offenbar auch Bundeskanzlerin Angela
Merkel erkannt – wird sie doch in der Frankfurter Allgemeinen zitiert
mit: „Wenn der Wind im Norden besser weht, dann müssen wir doch in der
Lage sein, die Windenergie dort auszubauen, wo die besseren
Rahmenbedingungen sind.“ Ich finde: Darauf sollte Altmaier hören!
Interview: Helge Matthiesen