Piraten meutern gegen Fracking-Geheimnisse
Strittige Öl- und Gasförderung: Das Land fühlt sich über 16 Anträge zum Schweigen verpflichtet
Kiel
Die Piraten wollen die Landesregierung zwingen, die Gebiete zu
nennen, in denen sich Unternehmen für das umstrittene Fracking
interessieren. Die Landtagsabgeordneten Angelika Beer und Patrick Breyer
haben dazu den Parlamentarischen Einigungsausschuss eingeschaltet. Dort
soll Umweltminister Robert Habeck (Grüne) Rede und Antwort stehen,
warum er die Orte derzeit nicht veröffentlicht. Gibt es bei der
Zusammenkunft keine Verständigung, steht Beer und Breyer der Weg vor das
Landesverfassungsgericht offen. Dass sie ihn bei einem weiteren
Schweigen auch gehen wollen – daran lassen sie keinen Zweifel.
Die Parlamentarier nennen es einen „Skandal, dass für Habeck der
Schutz der Industrie Vorrang vor der Information der Öffentlichkeit
hat“. Jeder Schleswig-Holsteiner habe das Recht zu erfahren, ob an seinem Wohnort Erdgas gefördert werden solle. In Nordrhein-Westfalen,
so Breyer, werde auf öffentlichen Veranstaltungen über
Aufsuchungsanträge informiert. Beim Fracking wird mit Chemikalien mit
hohem Druck Gestein aufgebrochen, um Gas oder Öl entweichen zu lassen.
Kritiker sehen dadurch unter anderem Gefahren für das Trinkwasser.
Auch Umweltverbände üben massive Kritik an der Geheimhaltung. „Ein Anachronismus“, findet Nabu-Geschäftsführer
Ingo Ludwichowski. „Gefühlt alle 14 Tage informiert Robert Habeck über
immer wieder neue Treffen mit Stellnetzfischern – und bei einem so
wichtigen Thema versteckt man sich“, ätzt Ludwichowski. „Das geht gar
nicht, das ist gegen den Strom der Zeit“, assistiert Ina Walenda,
Geschäftsführerin des BUND in Schleswig-Holstein.
Ebenso wie Ludwichowski ahnt sie „einen landesweiten Widerstand ähnlich
wie gegen die unterirdische Verpressung von Kohlendioxid“ voraus. „Umso
eher, je weniger Transparenz es gibt.“
Umweltministeriums-Sprecherin Nicola Kabel
erklärt: Bei den Anträgen der sechs Unternehmen Blue Mountain Energy
BME, Pacific Rodera Energy PRD, Exxon Mobil EMPG, Max Streicher GmbH,
Central Anglia und RWE Dea auf Bergbauberechtigungen in 16 Gebieten
handele es sich lediglich um eine Vorstufe. Sie seien einer Reservierung
vergleichbar, mit der die Firmen ihre Claims abstecken. Bei
konkurrierenden Anträgen bekomme laut Bergrecht jedoch nicht automatisch
der erste den Zuschlag. Sondern derjenige, der am effizientesten zum
Gewinnen von Rohstoffen in der Lage wäre. Das Ministerium sorgt sich: Um
in diesem Punkt möglichst gut abzuschneiden, könnten Interessenten ihre
Bewerbung nachjustieren, je mehr sie über die Pläne ihrer Konkurrenten
wüssten – deshalb derzeit die Geheimhaltung. Kabel: „Würden wir die
Gebiete jetzt veröffentlichen, bestünde die Gefahr, dass Mitbewerber
darauf aufmerksam gemacht würden und für diese Gebiete ebenfalls
Erlaubnisse beantragen.“
Allerdings: Sobald es eine Bewilligung gebe, bestehe keine Pflicht
zur Geheimhaltung mehr. Auch spätere Anträge auf Bohrungen könnten
veröffentlicht werden. Minister Habeck hofft allerdings auf „ein klares
gesetzliches Verbot dieser Risikotechnologie“ auf Bundesebene.
Wann der Einigungsausschuss zusammentritt, soll im Ältestenrat des
Landtags am 13. März entschieden werden. Das Gremium tagte zuletzt im
Januar 2010. Damals wollte der Linken
-Abgeordnete Heinz
-Werner
Jezewski die Namen der Teilnehmer eines Gesprächs in der Staatskanzlei
zu Bonusregeln für Manager der HSH Nordbank erfahren. Jezewski zog
seinen Antrag jedoch während der Sitzung zurück.
Frank Jung
Wo Gestein für Fracking geeignet sein könnte