Wenn es auf Strom Rabatte gibt
Die Umlage für erneuerbare Energien steigt – aber nicht alle Unternehmen in Schleswig-Holstein sind davon betroffen
Kiel/Lübeck
Energie in Deutschland wird immer teurer. Die Preise für Strom
steigen – auch getrieben durch Fördermechanismen der Energiewende. Heute
soll die Höhe der neuen EEG-Umlage bekannt
gegeben werden. Schätzungen und Spekulationen gingen zuletzt davon aus,
dass die Umlage auf 6,3 Cent steigen würde. Bisher sind 5,277 Cent
Ökostrom-Umlage über den Strompreis zu zahlen.
Dabei teilen Ausnahmeregelungen die Unternehmenslandschaft zunehmend in
Gewinner und Verlierer. Während stromintensive Großunternehmen oftmals
profitieren können, haben mittelständische Betriebe mehrheitlich das
Nachsehen und werden durch steigende Strompreise belastet.
„Wir haben ein Gesetz, das praktisch einen Erhöhungsautomatismus für
Verbraucher und unsere kleinen und mittleren Handwerksbetriebe
vorsieht“, kritisiert daher Andreas Katschke, Hauptgeschäftsführer der
Handwerkskammer Schleswig-Holstein, das Konzept
der Umlage. Das sei einfach nicht gerecht, so Katschke weiter, der dann
auch die Ausnahmeregelungen der Umlage kritisiert. „Warum werden immer
mehr Unternehmen von der Umlage befreit und andere, wie das Handwerk,
zahlen dafür die Zeche?“
In Zahlen lesen sich diese Ausnahmen laut Unterlagen des Bundesamts
für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle inzwischen wie folgt: Im Jahr 2013
waren in Schleswig-Holstein 47 Unternehmen beziehungsweise die sogenannten Abnahmestellen, also einzelne Firmenstandorte, von der EEG-Umlage
befreit – Papierfabriken, Stahlproduzenten, Schlachtbetriebe befanden
sich darunter. 2012 waren es gerade einmal 20 Betriebe dieser Art und
sogar nur 18 in 2011.
Die Befreiung von der EEG-Umlage sind jedoch nur ein Teil der Rechnung, die Verbraucher am Ende bezahlen müssen. „Neben der Erhöhung der EEG-Umlage
gehen wir auch von einer Steigerung der regional unterschiedlichen
Netznutzungsentgelte um durchschnittlich zehn Prozent im kommenden Jahr
aus“, sagt Jan Lengerke vom Vergleichsportal Verivox. Die
Netznutzungsentgelte machen gegenwärtig rund ein Viertel des
Strompreises aus. Genau wie die EEG-Umlage werden auch die Ausnahmen bei den Netzentgelten inzwischen von der Europäischen Union geprüft.
Angaben der Bundesnetzagentur zufolge hat beispielsweise die
Textilkette H & M für ihren Standort in Lübeck eine Teilbefreiung
vom Netznutzungsentgelt erhalten, ebenso die Hotelkette Accor in Lübeck.
Die Regenbogen AG mit Sitz in Kiel, Betreiber verschiedener
Campingplätze in Deutschland, profitiert den Unterlagen zufolge
ebenfalls von der Regelung. Hinzu kommen auf Grund ihrer Kühlhäuser und
dem damit einhergehenden Stromverbrauch zahlreiche Bäckereien und
Schlachtbetriebe im Land.
Nachfragen bei Stadtwerken im Land und der Schleswig-Holstein-Netz
AG zufolge, summierten sich die Ausnahmen in 2012 auf einen Betrag von
rund zwei bis drei Millionen Euro. Allein bei der Schleswig-Holstein AG, die bereits 80 Prozent des Stromnetzes in Schleswig-Holstein
verwaltet, beliefen sich die entgangenen Erlöse durch Ausnahmen auf
410 000 Euro. Bundesweit kosteten die Ausnahmen 805 Millionen Euro. Für
2013 sollen diese Kosten Prognosen zufolge auf mehr als eine Milliarde
steigen. Und auch in Schleswig-Holstein gehen
Branchenexperten davon aus, dass in Zukunft noch weitaus mehr
Unternehmen von den Stromrabatten profitieren dürften. Allein zum
gegenwärtigen Stand liegen laut einer Übersicht der Bundesnetzagentur
noch 48 offene Anfragen aus dem Norden für eine Befreiung vom
Netznutzungsentgelt für das Jahr 2013 vor – gestellt haben sie
Unternehmen wie beispielsweise die Kreissparkasse Herzogtum-Lauenburg, das Insel-Camp Fehmarn oder der Hansa-Park.
Wirtschafts- und Industrieverbände im Land tun sich schwer mit einer
Bewertung der gegenwärtigen Situation. Studien zufolge haben gerade
stromintensive Branchen in jüngerer Zeit verstärkt neue Arbeitsplätze
geschaffen. Über den Reformbedarf beim Thema herrscht dennoch Einigkeit.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Schleswig-Holstein
drängt seit Längerem zusammen mit anderen IHKs in Norddeutschland auf
Korrekturen bei der Energiegesetzgebung der Bundesregierung. „Wir
brauchen eine grundsätzliche Neuausrichtung des EEG, in der sich auch
Impulse für die energetische Gebäudesanierung wiederfinden“, fordert
auch Katschke von der Handwerkskammer.
Manche Unternehmer haben bereits Konsequenzen aus der Situation
gezogen. Günter Strätker aus Kaltenkirchen beispielsweise hat kürzlich
eine komplette Produktionslinie aus seinem Werk nach China verkauft.
Grund: Die Strompreise wurden ihm hierzulande zu hoch.
Till H. Lorenz