Stromnetz mit eingebauter Sicherung
Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil Grenzen der Rekommunalisierung aufgezeigt
Stephan Richter
Bei allem Respekt vor dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht: Auch der
Entscheidungsfreiheit von Gemeindevertretungen und Stadtparlamenten
sind Grenzen gesetzt. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur
Vergabe von Stromnetzkonzessionen schafft in diesem Punkt nicht nur
Klarheit, sondern dient den Bürgern. Denn alle Erfahrung lehrt, dass
Verbraucher überall dort am besten fahren, wo Markttransparenz herrscht
und Wettbewerbsregeln für alle gelten. So sehr auch nach der
Privatisierungswelle der 90er Jahre Ernüchterung eingekehrt ist, birgt
die Rolle rückwärts noch mehr Gefahren. Die Rekommunalisierung der
Stromnetze liefert dafür ein Beispiel.
Stromnetze machen vor Gemeindegrenzen nicht halt; sie müssen über
nationale Grenzen hinweg funktionieren. Dazu ist ein hoher
Investitionsbedarf notwendig, wie die Anschlusskosten bei
Windkraftanlagen zeigen. Und es ist in schwierigen Situationen, wie dies
beim Sturm „Christian“ zu erleben war, viel geschultes Personal und
eine flächendeckende Zusammenarbeit notwendig, um die Stromversorgung zu
sichern. Ein Netzbetrieb, der einem Flickenteppich gleicht, macht weder
ökonomisch noch technisch Sinn. Da war Schleswig-Holstein zu Zeiten der „Schleswag“ schon einmal weiter. Der Schleswig-Holstein Netz AG als übergreifendem Stromnetz-Betreiber, an der neben der Eon Hanse rund 200 schleswig-holsteinische
Kommunen beteiligt sind, steht heute eine wachsende Zahl von Städten
und Gemeinden gegenüber, die sich entschieden hat, die Leitungen in
ihrem kleinen Bereich selbst in die Hand zu nehmen. Das gehört zum
Wettbewerb, nur darf des Selbstverwaltungsrecht nicht dazu führen, dass
die Kommunen sich die Konzession in die eigenen Tasche stopfen und
Fragen der Verbraucherfreundlichkeit und der preisgünstigen und sicheren
Versorgung hintenangestellt werden. So schön ein Aufsichtsratsposten
bei den heimischen Stadtwerken auch ist, so verlockend Gewinne aus dem
Eigenbetrieb der Netze für den kommunalen Haushalt auch sein mögen.
Das Bundesgerichtshof hat wie zuvor das Landgericht in Kiel und das
Oberlandesgericht Schleswig das Gemeinwohl im Blick behalten und der
Stromnetz-Kleinstaaterei Grenzen gesetzt. Das
bedeutet nicht, dass Gemeinden das Stromnetz nicht einem eigenen Betrieb
übertragen können. Aber dies muss transparent erfolgen. Wettbewerb ja –
aber mit eingedrehter Sicherung.