Empörung über Abwrackpläne der Atom-Industrie
Schleswig-Holsteins Umweltminister lehnt Pläne zur Gründung einer staatlichen „Bad Bank“ für alte Meiler ab
Brunsbüttel/Berlin /sh:z
Der Atomausstieg hat die Gewinne bei manchen Energiekonzernen
einbrechen lassen. Doch weil sich mit alten Atommeilern nun kein Geld
mehr verdienen lässt, wollen sich ihre Betreiber künftig auch vom Risiko
und den Kosten befreien. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins
„Spiegel“ wollen Eon, RWE und EnBW ihr gesamtes deutsches Atomgeschäft
an den Bund übertragen. Dem Plan zufolge sollen die Kernkraftwerke in
eine öffentlich-rechtliche Stiftung eingebracht
werden, die die Meiler dann bis zum endgültigen Ausstieg aus der
Atomenergie im Jahr 2022 betreibt, berichtet das Magazin unter Berufung
auf Konzern- und Regierungskreise. Gleichzeitig solle die Stiftung für
den milliardenteuren Abriss der Atomkraftwerke und die Lagerung der
radioaktiven Abfälle verantwortlich sein. Gehören soll diese sogenannte
Bad Bank für Atomkraftwerke dem Bund. Die Stromversorger wollen rund 30
Milliarden Euro an Rücklagen einbringen, die sie für Abriss und
Entsorgung bislang bilden mussten. Der Staat soll im Gegenzug die
gesamten Risiken übernehmen, die heute noch bei den Stromkonzernen
liegen.
Sowohl Politiker auf Landes- als auch auf Bundesebene lehnten die
Pläne am Wochenende ab. „Die volle Kostenverantwortung liegt bei der
Industrie“, sagte Schleswig-Holsteins
Energieminister Robert Habeck (Grüne). „Die Industrie hat sich an der
Atomenergie eine goldene Nase verdient – nun der Gesellschaft die Kosten
für die Entsorgung aufbürden zu wollen, ist schäbig.“ Und auch die für
Reaktorsicherheit und Endlagerung zuständige Bundesumweltministerin
Barbara Hendricks (SPD) sagte: „Die uneingeschränkte Verantwortung für
den sicheren Auslaufbetrieb, die Stilllegung, den Rückbau und die
Zwischenlagerung des Atommülls liegt bei den Energieunternehmen.“
Gespräche über eine solche Stiftung, wie sie die Konzerne vorschlagen,
hieß es im Ministerium, habe es bisher nicht gegeben.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag,
Oliver Krischer, sprach von einem „billigen Erpressungsversuch“.
Zugleich kritisierte er vor allem mit Blick auf die angespannte
wirtschaftliche Situation von RWE, dass die Werthaltigkeit der
Rückstellungen des Konzerns zumindest in Zweifel zu ziehen sei. „Es muss
deshalb dringend geklärt werden, was an Werten für den AKW-Rückbau
wirklich da ist und wie diese zum Beispiel im Falle von Insolvenz oder
Verkauf von RWE gesichert werden können.“ Die Rückstellungen sollten
unter öffentliche Kontrolle gebracht werden, forderte er.
Dem „Spiegel“ zufolge sollen die Kraftwerksbetreiber im Gegenzug zur
Einrichtung der Stiftung angeboten haben, möglicherweise Klagen gegen
die Bundesregierung zurückzuziehen. So fordern Eon und RWE
Schadensersatz für die Abschaltung der alten Meiler in zweistelliger
Milliardenhöhe. Daneben laufen Klagen unter anderem gegen die
Brennelementesteuer – auch hier geht es um Milliardenbeträge. „Die
Episode Laufzeitverlängerung kommt Deutschland am Ende teurer zu stehen
als die gesamte Energiewende“, befürchtet der Grünen-Fraktionsvize Krischer bereits. Merkels Laufzeitverlängerung von 2010 habe die Regierung erpressbar gemacht.