Kernspaltung
Der lange Schatten des Atomausstiegs
Stephan Richter
Der 2011 nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima beschlossene
Atomausstieg droht Kanzlerin Angela Merkel einzuholen. Es kann teuer
werden für den Bund. Zugleich ist unter den auf dem deutschen Markt
tätigen Energiekonzernen eine Kernspaltung zu befürchten.
Weil der Energieriese Vattenfall, der bis zur Stilllegung 2011 die
Kernkraftwerke in Krümmel und Brunsbüttel betrieb, aus Schweden kommt,
steht ihm der Weg zum internationalen Schiedsgericht in Washington
offen. Dort fordert der Konzern für die erzwungene Abschaltung vom Bund
Schadensersatz von 4,7 Milliarden Euro. Die Chancen, vor dem
Schiedsgericht Recht zu bekommen, stehen offenbar nicht schlecht.
Das wiederum setzt die Energiekonzerne RWE und E.ON unter Strom. Sie
können als deutsche Unternehmen nicht in Washington streiten.
Stattdessen haben sie gegen den Atomausstieg Beschwerde beim
Bundesverfassungsgericht eingelegt; Schadensersatzforderungen in
zweistelliger Milliardenhöhe stehen im Raum. Was, wenn Karlsruhe anders
entscheidet als das Schiedsgericht in den USA?
Zu den finanziellen Risiken kommt damit eine besondere politische
Brisanz. Bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen (TIPP) geht
es auch um die Frage, ob künftig Unternehmen nationale Gerichte umgehen
und Schiedsgerichte anrufen können, wie es Vattenfall vorexerziert.
Investoren wird es freuen, für Verbraucher und Steuerzahler wird es
teurer.