Claudia
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Erstellt: 29.03.15, 19:52 Betreff: Re: Fukushima: Frust und Fortschritt. WZ vom 11.03.2015 |
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Gastbeitrag von Seite 2:
Die Menschen überschätzen sich Fukushima und Folgen – Deutschland hat begriffen, dass die Atomkraft nicht beherrschbar ist Stephan Richter /Prof. Dr. Mojib Latif
Es ist kaum zu glauben, der Reaktorunfall von Fukushima ist schon wieder vier Jahre her. Auch heute sind die Folgen des Unfalls noch allgegenwärtig. So liegen beispielsweise hunderttausende Plastiksäcke mit radioaktiven Abfällen auf Feldern und an Stränden in der Nähe des Unglücksortes. Wohin der Abfall einmal gebracht werden soll, weiß niemand.
Tagesgespräch ist die atomare Katastrophe von Fukushima längst nicht mehr. Aber anders als bei vielen anderen Umweltkatastrophen hat Fukushima tiefe Spuren hinterlassen. So dämmert es immer mehr Menschen, dass wir uns, was die Energiegewinnung anbelangt, in eine Sackgasse haben manövrieren lassen. Um es auf den Punkt zu bringen: Wir hatten bis vor kurzem nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera, zwischen Atomkraft und fossiler Energie. Beide Arten der Energiegewinnung sind eine Gefahr für die Umwelt und bedrohen die Lebensgrundlagen auf der Erde.
Aber wie konnte es überhaupt zu der Nuklearkatastrophe von Fukushima kommen? In Japan, einem Hochtechnologieland. Einem Land, in dem einfach alles zu funktionieren schien. Die Ursache ist ziemlich einfach. Die Menschen überschätzen sich – überall auf der Welt. Die Lektion, die wir aus dem Atomunfall von Fukushima gelernt haben sollten, lautet: „Die Natur hält sich nicht an Grenzwerte“. Wir müssen stets auch das scheinbar Unmögliche denken. Erdbeben können sehr viel stärker sein, als man denkt. Und Flutwellen, die gefürchteten Tsunamis, sich sehr viel höher auftürmen. So kam das Unvermeidbare, weil sich die Experten geirrt hatten. Ein extrem starkes Seebeben, mindestens zehnmal stärker und ein Tsunami mindestens zehn Meter höher als „erlaubt“ suchten die japanische Küste heim. Die gigantische Flutwelle überspülte spielend die Schutzmauern und setzte die Stromversorgung des Reaktors außer Kraft. Der Super GAU, die unkontrollierbare Kernschmelze, war die logische Konsequenz.
Fukushima war aber auch ein Lehrstück für die Vertuschung, die wir immer wieder nach Umweltkatastrophen registrieren müssen. Kraftwerksbetreiber wie Politiker versuchten alles, um den Atomunfall klein zu reden und hielten und halten selbst heute noch wichtige Informationen unter Verschluss. Der Höhepunkt dieser Schmierenkomödie war erreicht, als die Verantwortlichen nach ein paar Wochen sich ihrer lächerlichen Blaumänner entledigten – angezogen, um Aktivität vorzutäuschen und um zu zeigen, dass man alles im Griff habe. Wieder mit Anzug und Krawatte versehen traten sie dann vor die Kameras. Um Normalität zu demonstrieren, das Ende der Katastrophe. Sie gingen einfach zur Tagesordnung über. In Wirklichkeit war das Krisenmanagement einfach nur von Hilflosigkeit geprägt. Der Atommeiler war weiterhin außer Kontrolle.
Zumindest die Deutschen haben begriffen, dass die Atomkraft nicht beherrschbar ist, mit der Folge des endgültigen Atomausstiegs. Eine kluge Entscheidung. Auch deswegen, weil wir bei uns im Norden nur zu gut wissen, dass man radioaktiven Abfall nicht sicher lagern kann. Jedenfalls nicht für lange Zeiträume. Die dahinrottenden Atommüllfässer von Brunsbüttel sprechen hier Bände. Wer glaubt eigentlich noch daran, dass man Atomabfälle über Jahrtausende sicher „wegsperren“ kann?
Die Reaktorkatastrophe von Fukushima hat aber noch etwas bewirkt. Etwas, womit man nicht rechnen konnte. Fukushima war auch der Anlass für die im Ausland viel beachtete deutsche Energiewende, die stärkere Hinwendung zu den erneuerbaren Energien, zu Sonnenenergie oder Windkraft. Die Energiewende ist notwendig, damit Deutschland beim Klimaschutz Vorreiter bleibt. Denn die Verbrennung der fossilen Brennstoffe zur Energiegewinnung ist die Ursache der globalen Erderwärmung. Verbrennen wir Erdöl, Erdgas und Kohle, entsteht unweigerlich Kohlendioxid (CO2), und das heizt bekanntermaßen die Erdoberfläche auf. Das weiß man seit über 100 Jahren.
Der Weltklimarat hat in seinem letzten Bericht aus dem Jahr 2014 festgestellt: „Der menschliche Einfluss auf das Klima ist klar“. Und das können wir auch in Schleswig-Holstein spüren: Winter, die keine Winter mehr sind, häufen sich. Der Meeresspiegel steigt Zentimeter um Zentimeter. Und Starkregenereignisse nehmen zu.
Die Energiewende liegt aber auch im ureigenen Interesse Deutschlands. Sie sichert unsere Zukunft und sorgt dafür, dass wir uns in Deutschland auch in Jahrzehnten noch auf eine sichere Energieversorgung verlassen können.
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