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"Kohlestrom unrentabel", junge Welt - 14.11.2008

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Arne

Beiträge: 539

BI Teilnehmernummer: 98

New PostErstellt: 14.11.08, 19:20  Betreff: "Kohlestrom unrentabel", junge Welt - 14.11.2008  drucken  weiterempfehlen

14.11.2008 / Kapital & Arbeit / Seite 9

Kohlestrom unrentabel

Zu teuer und überflüssig: Wissenschaftliche Studie aus Flensburg weist nach, daß sich der Bau neuer CO2-Schleudern vielerorts nicht rechnet

Wolfgang Pomrehn

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel muß sich entscheiden: Will er das Klima schützen und die Energieversorgung langfristig sicherstellen oder weiter zusehen, wie überall im Land neue Kohlekraftwerke entstehen? Vor diese Alternative stellt ihn – zwischen den Zeilen gelesen – eine Forschungsarbeit, die an der Universität Flensburg entstand und dieser Tage in Berlin vorgestellt wurde.

Frauke Wiese, eine Wirtschaftsingenieurin, hatte sich in ihrer Diplomarbeit angeschaut, was im nördlichsten Bundesland der gleichzeitige Ausbau der Windenergie und die Errichtung neuer Kohlekraftwerke bedeutet. Ihre Ergebnisse sind beispielhaft für die meisten Standorte in Deutschland.

Schleswig-Holstein wird bereits in wenigen Jahren mehr Windstrom erzeugen, als es selbst verbrauchen kann. Das sieht man auch im CDU-geführten Kieler Wirtschaftsministerium so. Dennoch setzt die zwischen Nord- und Ostsee regierende große Koalition auf den Ausbau der Kohlekraftnutzung. Der Grund: Wenn im nächsten Jahrzehnt die beiden Atomkraftwerke im Land abgeschaltet werden müssen, drohen dem Steuersäckel Mindereinnahmen in zweistelliger Millionenhöhe. Kohlekraftwerke der geplanten Mega-Klasse könnten da Abhilfe schaffen.

Wenn sie denn laufen – was die Flensburger Studie in Frage stellt: In Brunsbüttel, am südlichen Ende des Nord-Ostsee-Kanals, sollen gleich vier Kraftwerksblöcke zu je 800 Megawatt (MW) entstehen. Arbeiten die wie geplant rund um die Uhr im Vollastbetrieb, also 7000 bis 8000 Stunden im Jahr, würde eine Strommenge erzeugt, die sechs Millionen Vier-Personen-Haushalte versorgen könnte. Viel zuviel also für die ländliche Region.

Daher wird der Strom in den Süden abgeführt werden müssen. An dieser Stelle setzt Wieses Studie an: Brunsbüttel soll nämlich auch zur »Steckdose E.ons« werden. Der größte Teil der vor den Küsten Schleswig-Holsteins geplanten Offshore-Windkraftwerke wird hier ans Netz angebunden werden. Mit anderen Worten: Im Netz wird es mächtig eng, und zwar selbst dann, wie die Wissenschaftlerin bei ihren Modellrechnungen voraussetzt, wenn die Netzkapazität in Brunsbüttel verdoppelt wird.

Windstrom fällt nicht beständig an. Das ist auch eines der Argumente der Kohlefreunde, die meinen, ihre Kraftwerke würden die Windkraftanlagen ergänzen. Doch daß das nicht funktioniert, hat Wiese am Beispiel Brunsbüttels vorgerechnet.

Nach der geltenden Rechtslage, die im Erneuerbare-Energien-Gesetz festgelegt ist, hat der Windstrom Vorrang. Für den Netzknotenpunkt Brunsbüttel heißt das konkret, daß immer, wenn es reichlich weht, die Kohlekraftwerke abgeschaltet werden müssen. Mit Hilfe von Winddaten eines typischen Jahres läßt sich ermitteln, wie oft und wie lange das der Fall sein wird. Wieses Ergebnis: Die Kraftwerke werden nur zwischen 4100 und 6200 Stunden im Jahr im Vollastbetrieb fahren können.

Das ist aus mehreren Gründen für die Betreiber mißlich: Ihre Anlagen sind so konzipiert, daß sie erst bei etwa 7000 Vollaststunden den erhofften Gewinn abwerfen, manche vielleicht schon bei 6000, aber wohl kaum darunter. Außerdem sind sie technisch nicht darauf ausgelegt, häufiger herunter- und dann wieder angefahren zu werden. Das mindert den Wirkungsgrad und damit die Stromausbeute pro eingesetzter Tonne Kohle und verkürzt die Lebensdauer der Anlage erheblich.

Wiese kommt zu dem Schluß, daß am Standort Brunsbüttel Kohlekraftwerke nicht wirtschaftlich zu betreiben sind. Olav Hohmeyer, der in Flensburg Energiewirtschaft lehrt und die Arbeit betreut hat, geht davon aus, daß sich an den anderen Küstenstandorten das gleiche Problem stellen wird. Auch in Wilhelmshaven, in Stade, eventuell in Kiel sowie in der Nähe von Emden und Greifswald sollen Riesenkraftwerke entstehen, für die an keinem der Standorte Bedarf besteht.

Dabei sieht Hohmeyer durchaus, daß die Windparks durch Anlagen anderer Energieträger ergänzt werden müssen. In Frage kommen dafür aus seiner Sicht jedoch eher Gaskraftwerke, die erheblich flexibler gefahren werden können und dafür auch technisch gedacht sind. Langfristig sieht er die Alternative vor allem in kleinen Heizkraftwerken, die mit Biomasse befeuert werden.

Da die Windkraft nicht nur auf hoher See, sondern auch an Land zügig weiter ausgebaut wird, befürchtet er für die nächsten Jahre politische Auseinandersetzungen um die neuen Kraftwerke wie um den Atomausstieg. Dutzende Milliarden Euro drohen in den Sand gesetzt zu werden und die beteiligten Unternehmen werden wohl nichts unversucht lassen, die Rentabilität ihrer Kraftwerke zu retten.





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