Die große Illusion: Altmaier und die Strompreisbremse
Wirtschaftsminister Philipp Rösler sieht Pläne des Kabinettskollegen zum Scheitern verurteilt
Berlin
Peter Altmaier ist am Wochenende viel unterwegs, die Einladungen
stapeln sich in seinem Ministerbüro. Er ist halt keine Spaßbremse. So
freut sich der Karnevalsverein Bollen Hülzweiler im Saarland, dass man
den Bundesumweltminister nun zum Ehrensenator ernennen konnte. Während
sich Altmaier am Wochenende von Termin zu Termin fahren lässt, kann er
genüsslich verfolgen, wie sich SPD und Grüne über das richtige Konzept
für eine Strompreisbremse zerlegen.
Das lenkt etwas davon ab, dass auch seine eigenen Pläne für ein Einfrieren der Ökostrom-Umlage
auf ihrem heutigen Niveau von 5,277 Cent je Kilowattstunde noch recht
diffus sind. Aus dem Wirtschaftsministerium von Philipp Rösler (FDP)
verlautet, der Vorstoß sei nur eine „Scheinlösung“. Nachträgliche
Förderkürzungen für bestehende Wind- und Solarparks würden erhebliche
rechtliche Risiken bergen. Altmaier will unter anderem damit das
Einfrieren der Umlage erreichen. Zudem sollen Zahlungen gestreckt
werden. Und eine Einschränkung von Industrie-Rabatten soll 500 Millionen Euro bringen.
Keine klaren Fronten
beim Streit um Konzepte
Doch da parteiübergreifend der Widerstand wächst, wird Altmaiers „Strompreis-Sicherung“ vielleicht so nie Gesetz. SPD-Chef Sigmar Gabriel etwa macht sich als Alternative zu Altmaiers kompliziertem Konstrukt nun für ein Senken der von Rot-Grün eingeführten Stromsteuer stark. Das ist auch weitgehende Linie der SPD-Länder,
was kein Wunder ist: Denn die Stromsteuer fließt zu hundert Prozent dem
Bund zu. Die Einnahmen von jährlich sieben Milliarden Euro dienen der
Stabilisierung der Rentenbeiträge. Die SPD denkt an eine Befreiung der
ersten 1000 Kilowattstunden Strom pro Haushalt – bei 2,05 Cent
Stromsteuer je Kilowattstunde würde das pro Jahr 20,50 Euro Ersparnis
ausmachen. Steigt der Strompreis wie von Altmaier erwartet um weitere
zehn Prozent, würde damit nur knapp ein Drittel der Erhöhung
kompensiert.
Schleswig-Holsteins Grünen-Umweltminister
Robert Habeck ist angesichts der Verwendung der Einnahmen aber
verwundert: Die SPD müsse dann klären, „wie die Lücke für die Rente
gestopft werden soll oder ob die Renten weiter sinken sollen“. Die
Grünen sehen bis zu vier Milliarden Euro an Einsparpotenzial, wenn die
Rabatte für die Industrie kräftiger gestutzt würden. Das wiederum will
die SPD nicht, weil dies zum Verlust Zehntausender
Industriearbeitsplätze führen könnte. Die Linke, aber auch die FDP
finden die SPD-Entlastungsvariante mit der Stromsteuer hingegen interessant.
Das Wirrwarr zeigt: Eigentlich gibt es gar kein sinnvolles Rezept gegen
eine Hauptursache für steigende Strompreise – die Berechnungsgrundlage
für die Ökostrom
-Umlage. Denn jedem Wind- und
Solarparkbetreiber werden auf 20 Jahre feste Vergütungen garantiert.
Doch nun wird so viel Strom produziert, dass dieser teilweise ins
Ausland verschenkt werden muss, und der Preis an der Strombörse
eingebrochen ist. Damit wächst aber die Differenz zum festgelegten Preis
für die Ökostromproduzenten – folglich wird die Umlage für die Bürger
höher.
Georg Ismar