sh:z-online vom 23.09.2011 um 13:54 Uhr von dpa:
CO2-Gesetz scheitert an Bundesländern
In Deutschland wird es vorerst keine unterirdischen
Kohlendioxid-Endlager geben. Im Bundesrat fand der entsprechende
Gesetzentwurf der Bundesregierung am Freitag wegen unterschiedlicher
Auffassungen der Länder keine Mehrheit. Die Regierung wollte die
Technologie zur CO2-Abtrennung und Speicherung aus Klimaschutzgründen
bis 2017 erproben lassen. Zwei bis drei Lager sollten auf Kapazitäten
von maximal je drei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr beschränkt werden.
Kritiker fürchten jedoch ein unkontrolliertes Entweichen des Gases.
Vor allem in Nord- und Ostdeutschland, wo potenzielle Speichergebiete
liegen, gibt es massive Bürgerwiderstände. "Wir wollen das in
Schleswig-Holstein nicht", machte Ministerpräsident Peter Harry
Carstensen (CDU) klar.
Gleichzeitig bedauerte Carstensen das Scheitern des Gesetzes. "Der
Bundesrat hat heute eine große Chance verpasst, weil sozialdemokratisch
geführte Länder taktische Interessen über die Sachargumente gestellt
haben", erklärte er. "Für alle Gegner der CCS-Technologie ist deshalb
heute ein bitterer Tag." Die Landesregierung werde alle politisch und
rechtlich nutzbaren Wege gehen, um Kohlendioxid-Endlager in
Schleswig-Holstein zu verhindern.
Umstrittene Sonderklausel
Bei der CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) wird zum
Beispiel in Kohlekraftwerken das klimaschädliche CO2 abgetrennt,
verflüssigt und über Pipelines in unterirdische Lager verpresst. Da eine
EU-Richtlinie umgesetzt werden muss, die von den Mitgliedsstaaten eine
Regelung zum Umgang mit der CCS-Technologie fordert, müsste die
Regierung nun den Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern anrufen
oder aber CO2-Speicher für das gesamte Bundesgebiet ausschließen - wie
etwa Österreich dies tut. Schleswig-Holstein hatte bei der Abstimmung
mit Ja gestimmt.
Die Parlamentarische Umwelt-Staatssekretärin Katherina Reiche (CDU)
sagte, es sei fünf Minuten nach zwölf. Da die Richtlinie der EU längst
in Deutschland hätte umgesetzt sein müssen, laufe man in ein
Vertragsverletzungsverfahren hinein. Man könne angesichts des
Klimawandels nicht einfach die Tür für CCS zuschlagen.
Besonders umstritten war bis zuletzt die Sonderklausel in dem
Entwurf, die auf Druck von Niedersachsen und Schleswig-Holstein
eingefügt worden war. Damit können Länder unter bestimmten
Voraussetzungen CO2-Speicher verhindern. Brandenburg kritisiert, mit der
Klausel könnten sich Länder aus der Verantwortung stehlen.
Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) verteidigte die
Länderklausel: "Es gibt in unserer Gesellschaft keinen Konsens für den
Einsatz der CCS-Technologie." Es sei zweifelhaft, ob CCS dem Klimaschutz
nütze. Der Energieaufwand für das Verfahren sei so groß, dass man für
fünf CCS-Kohlekraftwerke praktisch ein sechstes bräuchte um die gleiche
Menge Strom zu erzeugen, wie mit fünf herkömmlichen Anlagen. Die Risiken
seien zudem nicht abwägbar und nicht ausgeschlossen, sagte Bode.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) wandte
sich gegen die Länderklausel: "Deutschland gehörte bisher zu den
Technologieführern bei CCS. Wir brauchen daher eine bundesweit
einheitliche Lösung". Es gehe nicht nur um die Emissionen aus
Kohlekraftwerken. 400 Millionen Tonnen CO2 jährlich würden allein in der
Industrie ausgestoßen. Die CCS-Technologie sei ein wichtiger
Bestandteil, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen.
Mit dem vorläufigen Aus könnte sich auch der Energiekonzern
Vattenfall aus dem bisher einzigen Projekt für ein 1,5 Milliarden Euro
teures Demonstrationskraftwerk im brandenburgischen Jänschwalde
zurückziehen. Ohne das Kraftwerk dürfte es auch nicht mit dem Ziel
klappen, CCS in Deutschland bis 2020 serienreif zu machen.
Große schwarze "CO2-Zeitbombe"
Vor dem Bundesratsgebäude demonstrierten am Freitag Gegner und
Befürworter. Eine große Gruppe der Gewerkschaft IG BCE sprach sich für
CCS aus, da es tausende Arbeitsplätze in Kohlekraftwerken sichern
könnte. Benjamin Maeschke, Azubi im Vattenfall-Kraftwerk Schwarze Pumpe,
betonte: "In Norwegen wird das schon länger ausprobiert, ohne dass es
Probleme gibt". CCS sei gut im Kampf gegen den Klimawandel, "weil wir
das CO2 nicht mehr in die Luft pusten müssen".
Greenpeace baute eine große schwarze "CO2-Zeitbombe" auf, um vor
unkalkulierbaren Risiken, etwa für das Trinkwasser zu warnen. Im
Gegensatz zu Greenpeace empfehlen andere Umweltverbände wie der WWF
einen Test von CCS, weil so auch die CO2-Ausstöße in der Industrie
vermindert und Fortschritte beim Klimaschutz erzielt werden könnten.