Schleswig-Holstein freut sich über Atom-Kompromiss
Castor-Behälter sollen auf drei Zwischenlager verteilt werden / Brokdorf scheidet als Standort aus
Berlin/Kiel
Der Durchbruch gelang gestern Morgen in Schleswig-Holsteins
Berliner Landesvertretung. Bei einem gemeinsamen Frühstück einigten
sich der Kieler Ministerpräsident Torsten Albig und sein
niedersächsischer Amtskollege Stephan Weil mit Bundesumweltminister
Peter Altmaier (CDU) auf einen Kompromiss im Streit um das Gesetz zur
Suche eines Endlagers für Atommüll und die künftigen Standorte der
Zwischenlager. Die beiden SPD-Regierungschefs und der CDU-Minister
beschlossen einen Katalog von sieben Punkten, dem am Vormittag bei der
Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin auch alle anderen Länder
zustimmten. „Damit sind wir in der Lage, das Endlagersuchgesetz noch in
diesem Sommer auf den Weg zu bringen“, freute sich Albig. Der Bundesrat
stimmt am 5. Juli darüber ab.
Der Kompromiss vertagt zwar erst mal die letzte strittige Frage, wo die 26 Castor-Behälter
zwischengelagert werden, die zwischen 2015 und 2017 aus dem britischen
Sellafield und dem französischen La Hague nach Deutschland zurückkommen.
Doch haben sich Altmaier und die Länder darauf geeinigt, dass die
Behälter „auf drei Standorte“ verteilt werden müssen. „Bis Anfang 2014“
soll dazu mit den Kernkraftwerksbetreibern „ein umfassendes Konzept zur
Umsetzung“ entstehen. Bisher sind nur Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg
bereit, in Brunsbüttel beziehungsweise Philippsburg einen Teil der
Castoren aufzunehmen. Albig hat aber zur Bedingung gemacht, dass sich
noch ein drittes Land beteiligt. Die wird damit nun erfüllt.
Die Auswahl des dritten Standorts soll laut Vereinbarung „aufgrund
objektiv nachprüfbarer Kriterien erfolgen“ wie etwa „Sicherheit und
Kosten“ und nicht in erster Linie nach der Länge der Transportwege.
Außerdem soll die Entscheidung „nur mit Zustimmung des betroffenen
Bundeslandes“ und „unter Einbeziehung von Bundesrat und Bundestag“
getroffen werden. Damit ist zum Beispiel ausgeschlossen, dass auch noch
das schleswig-holsteinische Brokdorf gegen den
Willen der Landesregierung Castoren aufnehmen muss, obwohl Altmaier den
Standort rein technisch für geeignet hält und daher kurz ins Spiel
brachte. Auch das von Altmaier favorisierte Atomkraftwerk Unterweser
kann ohne Einwilligung Niedersachsens nicht ausgewählt werden – und
Niedersachsen will nicht. Die Hoffnungen ruhen nun auf Hessen. Hier wird
am 22. September ein neuer Landtag gewählt. Und falls Rot-Grün die schwarz-gelbe
Regierung in Wiesbaden ablöst, wäre die neue Koalition – anders als die
alte – dazu bereit, im Zwischenlager Biblis Castoren aufzunehmen.
Schließlich hat Niedersachsens Ministerpräsident Weil noch
durchgesetzt, dass mit dem Endlagersuchgesetz am 5. Juli auch eine
Änderung des Atomgesetzes beschlossen wird, mit der eine
Zwischenlagerung von Castoren im niedersächsischen Gorleben künftig
verboten wird. Ansonsten bestünde aus Sicht von Hannover die Gefahr,
dass die Kernkraftwerksbetreiber die Behälter weiterhin in Gorleben
deponieren würden, falls es keine Einigung auf einen dritten Standort
gäbe.
„Die Vereinbarung entspricht dem, was wir aus Sicht Schleswig
-Holsteins
erwartet und verlangt haben“, freute sich Albig. Zwar ist die ebenfalls
geforderte Übernahme der Kosten für die Sicherung von Castortransporten
nicht Bestandteil des Sieben
-Punkte
-Katalogs.
Doch habe Altmaier zugesagt, dass der Bund hier einspringen werde,
sagte Albig. Auch werde die Zwischenlagerung an den drei ausgewählten
Standorten im Atomgesetz auf 40 Jahre begrenzt.
Henning Baethge