Fracking: Jetzt kommt die Woche der Entscheidung
Ein neues Gutachten über die Risiken der umstrittenen Fördertechnik setzt Schwarz-Gelb unter Druck
Berlin/Kiel
Kurz bevor die Bundesregierung über die Zukunft des Fracking in Deutschland entscheiden will, hat ihr Umwelt-Sachverständigenrat
sich gestern gegen die umstrittene Methode zur Förderung von
unterirdischem Schiefergas ausgesprochen. „Die Technologie ist wegen
gravierender Wissenslücken über die Umweltauswirkungen derzeit nicht im
kommerziellen Umfang zuzulassen“, mahnen die Experten in einem
Gutachten, das sie gestern in Berlin vorstellten. Lediglich
„Pilotprojekte zur Klärung der offenen Fragen“ seien akzeptabel.
Pläne auch im Norden
Beim Fracken wird Wasser mit Chemikalien versetzt und mit hohem Druck
in Schieferschichten gepresst, in denen Gas eingeschlossen ist. Das
Gestein wird dann durchlässig und das Gas kann entweichen. Auch in
Schleswig-Holstein prüfen Unternehmen in einigen Regionen, ob sich die Methode lohnt – in Nordfriesland, Schleswig-Flensburg, Rendsburg-Eckernförde, Dithmarschen, Plön, Segeberg, Pinneberg, Stormarn und im Herzogtum Lauenburg. In diesen Kreisen und in Schleswig-Holsteins Landesregierung stoßen die Pläne allerdings auf Ablehnung.
Das neue Gutachten bestätigt die Bedenken im Norden. Insbesondere
sehen die Fachleute Risiken, weil weder „die umweltverträgliche
Entsorgung der Abwässer“ noch „die Langfristfolgen der Eingriffe“
ausreichend untersucht seien. Zudem könne Fracking „keinen Beitrag zur
Energiewende leisten“, sagt Sachverständigenratschef Martin Faulstich.
Und zu billigeren Preisen werde die Technik hierzulande – anders als in
den USA – wegen der geringen förderbaren Mengen auch nicht führen.
Mit der Studie setzen die Umweltexperten die schwarz-gelbe
Koalition in Berlin unter Druck. Die will nächste Woche entscheiden, ob
sie noch vor der Bundestagswahl einen Anlauf für eine Neuregelung des
Fracking startet oder das Vorhaben endgültig fallen lässt. Die Pläne von
Umweltminister Peter Altmaier (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp
Rösler (FDP) sehen weitreichende Auflagen, aber kein Verbot des Fracking
vor. So sollen die Wasserbehörden ein Vetorecht erhalten und
Wasserschutzgebiete tabu sein. Zudem wird eine
Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschrieben. Da aber nicht nur die
Zustimmung des rot-grün dominierten Bundesrats
sehr fraglich ist, sondern selbst in der Union rund 60 Abgeordnete
skeptisch sind, hat das Bundeskabinett die Entscheidung schon mehrmals
verschoben. Selbst Kanzlerin Angela Merkel hatte kürzlich von „äußerster
Vorsicht“ im Umgang mit Fracking gesprochen.
Dabei wären die Koalitionspläne durchaus eine Verschärfung der
jetzigen Rechtslage. Die erlaubt Fracking nämlich grundsätzlich ohne
große Bedingungen. „Diesen Zustand beenden wir mit dem Gesetz“, wirbt
der nordfriesische CDU-Bundestagsabgeordnete und
Umweltpolitiker Ingbert Liebing für die Neuregelung. Fracking würde
nach den Plänen der Regierung „ausgeschlossen, solange es noch
irgendwelche Risiken gibt“, sagt er.
Habeck will ein Verbot
Schleswig-Holsteins grünem Umweltminister
Robert Habeck reicht das allerdings nicht. Er will ein komplettes Verbot
und hat dazu eine Bundesratsinitiative eingebracht. Die sieht vor, dass
keine „human- oder ökotoxischen Stoffe“ zur Förderung eingesetzt werden
dürfen. CDU-Mann Liebing hält dieses Schwert
allerdings für stumpfer als die Berliner Pläne: „Die Anforderung von
Habeck ist nach Ansicht der erdgasfördernden Industrie längst erfüllt –
darum bringt sein Antrag gar nichts.“
Aus der Wirtschaft kommt sogar generelle Kritik an allen Bedenken gegen das Fracken. Das Gutachten der Umwelt
-Sachverständigen
sei ein „problematisches Signal“, sagt der Chef des Industrieverbands
BDI, Markus Kerber. Durch die ablehnende Haltung drohe „die Entwicklung
neuer, weltweit gefragter Technologien in Deutschland ausgeschlossen zu
werden“. Und die Handelskammer in Kiel fordert die Landesregierung auf,
„keine Initiativen zu ergreifen, die das Fracking verbieten oder
erschweren“.
Henning Baethge