Hamburg rüstet sein Stromnetz für die Zukunft
Hamburg
Atomausstieg, Energiewende, steigende Bevölkerungszahl – Hamburgs
Stromnetz steht vor der größten Zäsur seit Jahrzehnten. Um den
geänderten Anforderungen gerecht zu werden, ist ein kostspieliger Aus-
und Umbau des 27 300 Kilometer langen Leitungsnetzes und der übrigen
Infrastruktur angelaufen. „Wir werden in den nächsten zehn Jahren rund
860 Millionen Euro in die Modernisierung des Netzes investieren“,
kündigt Dietrich Graf an, technischer Geschäftsführer der Stromnetz
Hamburg GmbH.
Graf nennt mehrere „Megatrends“, die einen Wandel der
Strominfrastruktur erzwingen. Dazu zählten vor allem die Einspeisung
immer mehr grünen Stroms sowie eine Zunahme der dezentralen Erzeugung.
So werden erstmals in Hamburg „Wind-Umspannwerke“
gebaut, um die in den nächsten Jahren entstehenden Windparks auf dem
Gebiet der Metropole ans Netz anzuschließen. Umfangreiche Anpassungen
des Netzes erfordert auch der Trend zur Stromerzeugung in den
Stadtteilen, etwa durch Blockheizkraftwerke.
Eine nicht minder anspruchsvolle Aufgabe sieht die Netzgesellschaft
in der stetigen Bevölkerungszunahme der Hansestadt, die laut Prognosen
von derzeit 1,8 Millionen auf bis zu zwei Millionen Einwohner wachsen
könnte. Aktuell stellt die Netzgesellschaft die Weichen für die
Integration mehrerer zentraler Quartiere. Gerade ist in der nördlichen
Hafencity ein großes Umspannwerk entstanden, das den Strom aus
Hochspannungsleitungen für den neuen Stadtteil von 110 000 auf 10 000
Volt herunter reguliert. Denselben Zweck erfüllt das zu erweiternde
Umspannwerk Altona. Auf Brachflächen der Bahn soll dort in den kommenden
Jahren die Neue Mitte Altona wachsen, mit Wohnungen für bis zu 10 000
Menschen. „Der Umbau der innerstädtischen Umspannwerke ist die größte
Herausforderung“, sagt Netz-Manager Graf. 52
dieser Anlagen betreibt die Gesellschaft im Stadtgebiet insgesamt – und
alle müssen in den kommenden zehn Jahren angepasst oder neu gebaut
werden.
Den zahlenmäßig dicksten Brocken bei den Investitionen stellt die
Erneuerung veralteter Stromnetze dar. Für zusammen 100 Millionen Euro
will die Netzgesellschaft bis 2023 Mittelspannungskabel neu verlegen und
mittels automatisierter Netzstationen den Betrieb fernsteuern.
Fast schon futuristisch klingt, was die Stromnetz Hamburg beim „Megatrend“ E
-Mobilität
plant. Hamburg sei die Stadt mit den meisten Elektroautos in
Deutschland, so Graf. Bis 2015 solle deren Zahl von knapp 1200 auf 5000
anwachsen. Die Netzgesellschaft will nicht nur die Zahl der Ladesäulen
von derzeit 50 massiv ausbauen, gearbeitet wird auch am „Induktiv
-Tanken“, bei dem das E
-Mobil
den Strom kabellos über Kontaktschleifen in der Straße bezieht. Und:
Hamburger Stromflitzer sollen helfen, die Schwankungen beim
Windstromangebot auszugleichen. Durch eine entsprechende Gestaltung des
Netzes werden die E
-Fahrzeuge Strom vorzugsweise
dann tanken, wenn viel Windenergie zur Verfügung steht. Drehen sich die
Turbinen bei Flaute dagegen nicht, speisen die Akkus einen Teil ihrer
Ladung zurück ins öffentliche Netz.
Markus Lorenz