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Interview mit Wolfgang Kubicki zum Atommüll. WZ vom 19.04.2013

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Autor Beitrag
Claudia

Beiträge: 4532

BI Teilnehmernummer: 106

New PostErstellt: 21.04.13, 23:46  Betreff: Interview mit Wolfgang Kubicki zum Atommüll. WZ vom 19.04.2013  drucken  weiterempfehlen

Seite 1:

Atommüll: Kubicki stellt sich gegen Bundes-FDP

Kiel /Brunsbüttel /ky

FDP-Landtagsfraktionschef Wolfgang Kubicki
hält es für ausgeschlossen, dass Atommüll aus der britischen
Wiederaufbereitungsanlage Sellafield in Brunsbüttel zwischengelagert
wird. „Ich kann mir nach Beurteilung aller juristischen Sachverhalte
nicht vorstellen, dass es 2015 in Brunsbüttel oder anderswo ein
genehmigtes Zwischenlager geben wird. Das ist ein Irrglaube“, sagt
Kubicki, der den Transport des Atommülls nach Gorleben für sinnvoll
hält. „Mich ärgert, dass man so tut als gebe es dort kein
funktionierendes Zwischenlager.“


Damit stellt sich Kubicki gegen die Meinung seiner Bundestagsfraktion
und der Partei, die mehrheitlich weiter zum Endlagersuchgesetz und der
damit verbundenen Zusage von Umweltminister Peter Altmaier (CDU) stehen,
keinen Atommüll nach Gorleben zu bringen. Das bestätigte FDP-Generalsekretär
Patrick Döring. „Alle kerntechnischen Anlagen sind als Zwischenlager im
Skat. Kein Bundesland kann sich aus der Verantwortung stehlen – auch
Schleswig-Holstein nicht“, sagte Döring unserer Zeitung.


Seite 3:



„Wir können Gorleben nicht verhindern“

Der FDP-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Wolfgang Kubicki, erklärt, warum eine Zwischenlagerung von Atommüll unsinnig ist

Herr Kubicki, der Generalsekretär Ihrer Partei
sagt, dass sich bei der Debatte um die Zwischenlagerung von Atommüll
kein Bundesland aus der Verantwortung stehlen darf. Jetzt sagen Sie,
dass kein nuklearer Schrott in Brunsbüttel zwischengelagert werden soll.
Wie geht das zusammen?


Ich habe großes Verständnis für meinen Freund Patrick Döring, der aus
Niedersachsen kommt. Aber auch er weiß, dass wir in Gorleben ein
bestehendes, genehmigtes und funktionierendes Zwischenlager haben, in
dem bereits 109 Castoren aus Wiederaufbereitungsanlagen stehen. Das sind
andere als die aus deutschen Kernkraftwerken. Die Zwischenlager an den
deutschen Atomkraftwerken – auch in Brunsbüttel – sind für die Aufnahme
dieser Castoren gar nicht zugelassen.


Die Betreiber müssten also Genehmigungen beantragen...


...sie müssten sogar neue Zwischenlager errichten, weil die
vorhandenen nicht genehmigt würden. Sicherheitsstandards müssen
eingehalten und überprüft werden. Das würde viel Geld kosten. Dazu muss
an einem solchen Zwischenlager ein Abklingbecken vorhanden sein, wenn
Castoren repariert werden müssen. In Gorleben gibt es eine solche
Reparatureinrichtung, in Brunsbüttel nach dem geplanten Abriss des
Kernkraftwerks nicht mehr. Da muss der grüne Minister Robert Habeck mal
sagen, ob er das Kernkraftwerk Brunsbüttel noch 40 Jahre stehen lassen
will.


Also: Kein Atommüll nach Brunsbüttel?


Deutschland muss die Castoren wieder aufnehmen. Haben wir 2015 keine
Lösung, muss alles nach Gorleben. Ich kann mir auch nach Beurteilung
aller juristischen Sachverhalte nicht vorstellen, dass es zu diesem
Zeitpunkt in Brunsbüttel oder anderswo ein genehmigtes Zwischenlager
geben wird. Das ist ein Irrglaube. Im übrigen wüsste ich nicht, warum
der Betreiber Vattenfall einen Antrag stellen sollte, in Brunsbüttel ein
neues Zwischenlager zu bauen...


...weil es eine politische Lösung dafür gibt. Es gab ja auch die politische Lösung, aus der Kernenergie auszusteigen.


Wir können auch nicht beschließen, dass morgen Sommer ist – und die
Wirklichkeit ignorieren. Eine politische Lösung ist außerdem kein Wert
an sich. Sie wissen, ich bin Anwalt. Es gibt bestehende Verträge, die
man nicht ignorieren kann. Schon jetzt verklagen die Betreiber der
Kernkraftwerke die Bundesrepublik auf Schadenersatz in Milliardenhöhe,
weil die Kraftwerke trotz Restlaufzeiten abgeschaltet wurden.


Wie schätzen Sie als Jurist diese Klagen ein?


Es gibt mehr Argumente dafür als dagegen, dass die Betreiber
entschädigt werden müssen. Wenn Sie eine Baugenehmigung für ein Haus
haben, und der Staat reißt dieses einfach ab, wollen Sie ja auch eine
Entschädigung. Bei der Endlagersuche ist das anders: Wird es Gorleben,
müssen die Betreiber für die Erkundung gerade stehen. Das gilt auch für
die Kosten der Errichtung eines anderen Endlagers. Ob sie die Kosten für
die Suche danach übernehmen müssen, ist fraglich. Das wird wohl der
Steuerzahler übernehmen müssen.


Wie kann man die Betreiber der Kernkraftwerke denn überhaupt zu einer Abkehr von einem Atommülllager in Gorleben bewegen?


Wir können rechtlich nicht verhindern, dass ein Rücktransport der
Castoren nach Gorleben erfolgt, wenn die Betreiber einen Antrag stellen.
Aber warum sollten sie das tun?


Ihr FDP-Generalsekretär
und Freund Patrick Döring hat uns aber gesagt, dass die FDP dem
nationalen Konsens mitträgt, den Bundesumweltminister Peter Altmaier
(CDU) ausgehandelt hat, und der vorsieht, dass kein neuer Atommüll in
Gorleben zwischengelagert werden soll...


Nein. Die FDP unterstützt das Endlagersuchgesetz. Darin steht aber
nichts davon, dass kein radioaktiver Abfall in Gorleben zwischengelagert
werden soll. Niedersachsen hat nur gesagt, dass sie nicht zustimmen
werden, wenn es so kommt.


Bislang stehen Sie aber in der FDP mit ihrer Forderung, den ganzen Atommüll nach Gorleben zu bringen, allein da...


Das tue ich nicht. Ich bin mir im Übrigen sicher, dass die FDP-Bundestagsfraktion unsinnige Entscheidungen nicht mitträgt.


Wenn es so kommt, wie Sie sagen, wäre das ein
enormer Gesichtsverlust für Altmaier, der ausgeschlossen hat, dass
weiterer Atommüll nach Gorleben kommt?


Natürlich. Und es wäre ebenso ein großer Gesichtsverlust für Robert Habeck und andere.


Warum auch für Habeck?


Er hat zu schnell gehandelt und nicht überlegt, ob sein Plan zu
realisieren ist. Es kann nicht sein, dass er im Alleingang ohne das
Parlament entscheidet, dass Atommüll nach Brunsbüttel kommt. Und es kann
nicht sein, dass jeder der den angeblich so großen nationalen Konsens
in Frage stellt, ein moralisches Ekel ist.


Hat Habeck ohne Not, Brunsbüttel als Zwischenlager ins Spiel gebracht?


Ohne Not, auf jeden Fall. Ich glaube, dass das noch nicht mal sein
Plan war. Es ging zunächst nur darum zu überlegen, wo gibt es die
kürzesten Transportwege. Und darum, dass das Lager abseits liegt und es
deswegen den geringsten Widerstand gibt. Aber schon diese Überlegung ist
falsch. Ich habe die ersten Demonstrationen in Brokdorf erlebt, und
Brokdorf war auch abseits.


Sind Sie überrascht worden von Habecks Vorstoß?


Jeder ist davon überrascht worden. Nicht nur die Fraktionen im
Landtag, auch die eigenen Kabinettskollegen Robert Habecks, wie
Innenminister Andreas Breitner, und auch die grüne Basis.


Interview: Kay Müller






[editiert: 21.04.13, 23:54 von Claudia]
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