Milliarden-Kosten für Atomausstieg: Habeck setzt sich durch
Berlin/Kiel
Als Sieger kann man großzügig sein. „Es war klar, dass dieser Antrag
zu schwierigen Debatten in verschiedenen Ländern führen würde“, gibt
sich Schleswig-Holsteins grüner Energieminister Robert Habeck gestern im Bundesrat einsichtig und äußert besonderes Verständnis für das ebenfalls rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen.
Da weiß er schon, dass die Düsseldorfer Landesregierung diesmal der von
ihm gestarteten Initiative zur Überprüfung der milliardenschweren
Konzernrückstellungen für den Atomausstieg zustimmen wird.
Vor drei Wochen war das noch ganz anders. Da hatte Nordrhein-Westfalens
SPD- Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in letzter Minute trickreich
den schon ausgehandelten Kompromiss zu den Rückstellungen von der
Tagesordnung der Länderkammer gekippt, weil sie Nachteile für die in
ihrem Land beheimateten Kernkraftwerksbetreiber RWE und E.ON fürchtete.
Habeck kommentierte das empört – zuletzt Mittwoch in der „Süddeutschen
Zeitung“, in der er Kraft eine „Blutgrätsche“ vorwarf und „willfähriges“
Verhalten gegenüber der Atombranche.
Nicht zuletzt die klaren Worte dürften dazu beigetragen haben, dass
gestern nun auch NRW wie alle anderen 15 Länder den Vorstoß von Habeck
und zwei seiner Kollegen absegnet. „Manchmal muss man auf den Tisch
hauen, damit die Botschaft verstanden wird“, resümiert der Kieler am
Rande der Sitzung und zeigt sich zufrieden: Zwar sei der Weg zum
gestrigen Beschluss „ziemlich rumpelig“ gewesen – doch nun gebe es „das
klare Signal der Länder, dass sie der Gesellschaft verpflichtet sind und
nicht der Atomlobby“.
Denn jetzt sollen die Rückstellungen der Atomkonzerne für den Abriss der
Meiler und die Entsorgung des radioaktiven Mülls gründlich auf den
Prüfstand. Die Länder fordern den Bund auf, die bisher zurückgelegten 36
Milliarden Euro der Konzerne so zu sichern, dass sie auch im Falle der
Pleite eines Kernkraftwerkbetreibers bereit stehen und notfalls die
Mutterkonzerne haften müssen. Auch solle die Übertragung der Gelder in
einen staatlich kontrollierten Fonds erwogen werden. Zudem soll der Bund
untersuchen, ob nicht eine höhere Summe als 36 Milliarden Euro nötig
ist. Eine Studie im Auftrag des Umweltverbands BUND etwa kommt auf 48
Milliarden. „Der Steuerzahler darf auf keinen Fall haften“, sagt Habeck.
Henning Baethge