Polens Energiepolitik beunruhigt die Region Berlin-Brandenburg.
Die Regierungschefs Klaus Wowereit (SPD) und Matthias Platzeck (SPD)
wenden sich gegen Überlegungen der polnischen Regierung, im
Grenzbereich ein Atomkraftwerk zu errichten. Doch ihre
Sicherheitsbedenken werden auf polnischer Seite ignoriert.

Die Bezirksregierung der Wojewodschaft Westpommern hält an ihrer
Bewerbung fest, eines der drei geplanten Kernkraftwerke Polens bis 2020
in der Stadt Gryfino anzusiedeln. Der Vorteil Gryfinos im Vergleich zu
anderen Standorten besteht darin, dass die Infrastruktur eines
vorhandenen Kohlekraftwerks und das Wasser der Oder genutzt werden
können. Vom Atomstrom verspricht sich die strukturschwache Region 1000
Arbeitsplätze, während man im grenznahen Berlin Risiken der Störfälle
fürchtet. Doch wie energisch Warschau seine Energiepolitik vorantreibt,
zeigte sich beim Gespräch von Polens Ministerpräsident Donald Tusk mit
dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. „Frankreich wird
unser großer Partner für Kernenergie“, erklärte Tusk zufrieden, die
Franzosen hätten ihm jede Unterstützung zugesagt.

Zwar steht die forsche Atompolitik der Warschauer Regierung im
Gegensatz zur Einfühlsamkeit von Berliner Politikern in das Seelenleben
unserer Nachbarn. Aber die Interessenlage Polens lässt keine Atom-Angst zu. Noch ist unklar, ob das Land aus der geplanten Ostsee-Pipeline
zwischen Russland und Deutschland Erdgas beziehen kann. Bundeskanzlerin
Merkel bemüht sich zwar im Kreml um eine Lösung, aber aus polnischer
Sicht gefährdete schon Moskaus Ablehnung der Gas-Transitstrecke über den Landweg die eigene Energieversorgung.

Auch verteuert sich demnächst Warschaus wichtigster Energieträger, die Kohle, durch EU-Vorgaben
für den Emissionshandel mit Kohlendioxid. Und beim Ausbau regenerativer
Energien ist das Land rückständig. Die im Vergleich zur Kernkraft
unverhältnismäßig hohen Kosten alternativer Energien könnten sich die
reichen Deutschen leisten, Polen jedoch nicht, heißt es in Warschau.

Thomas Habicht