sh:z-Online vom 12. Dezember 2011 | 17:45 Uhr |
Von dpa
Proteste
gegen Asbest-Transporte gehen weiter
Wohin
mit dem Asbestmüll aus Wunstorf? Mehrere Bürgerinitiativen sind sich in ihrer
Forderung einig: Es wäre für alle besser und billiger, wenn er bliebe, wo er
ist.
Lübeck. Bürgerinitiativen aus Schleswig-Holstein,
Mecklenburg-Vorpommern und aus Niedersachsen kämpfen weiter gegen die geplanten
Asbestmülltransporte auf die Deponien Rondeshagen und Ihlenberg bei Schönberg.
Bündnis 90/Die Grünen und die Umweltschutzorganisation BUND unterstützten am
Montag deren Forderung nach einem Verzicht auf die Transporte. Nur so könnten Gefährdungen
der Bevölkerung durch möglicherweise freigesetzte Asbestfasern verhindert
werden.
"2009 wurde ein solcher Transport
innerhalb Niedersachsens wegen der Gesundheitsrisiken gerichtlich nicht
erlaubt. Dieses Urteil kann doch nicht einfach ignoriert werden", mahnte
BUND-Sprecher Arndt Müller in Schwerin. Er kündigte Klagen betroffener Kommunen
an, falls die beteiligten Landesregierungen die Transporte zulassen.
Asbestfasern gelten seit langem als
Krebsauslöser
Der seit gut zwei Monaten anhaltende Protest
richtet sich gegen Pläne, rund 170.000 Tonnen Asbestrückstände aus einer 1990
stillgelegten Asbestzement-Produktion in Wunstorf bei Hannover auf die
Sondermülldeponien Rondeshagen (Schleswig-Holstein) und Ihlenberg
(Mecklenburg-Vorpommern) zu bringen. Dabei sollen die Rückstände bei der
Beförderung mit Lastwagen zum Großteil nur mit einer Schaumschicht und Planen
abgedeckt werden. Bewohner im Umfeld der Deponien befürchten, dass beim
Abkippen der Rückstände Asbestfasern in die Umwelt gelangen. Diese gelten seit
langem als Krebsauslöser.
Die Transporte sollten bereits rollen, wurden
aber kurz vor dem Start gestoppt, da die Landesregierung in Schwerin noch ein
eigenes Gutachten einholen will. Es soll Anfang 2012 vorliegen.
9 Millionen Euro für den Lkw-Transport und
Deponierung
Die Grünen Mecklenburg-Vorpommerns fordern
höhere Sicherheitsstandards für die landeseigene Sondermülldeponie am
Ihlenberg. Die Landtagsfraktion in Schwerin verlangt von der Landesregierung
Regelungen, damit Asbestabfälle nur noch in großen Plastiksäcken - sogenannten
Big-Bags - luftdicht verpackt auf die Deponie gebracht werden dürfen. Dazu
müsse die Satzung der Deponie geändert werden. Wie der Abgeordnete Johann-Georg
Jaeger sagte, will die Fraktion am Freitag dem Landtag einen Antrag dazu
vorlegen.
Seine Fraktionskollegin Jutta Gerkan
unterstrich die Forderung nach einem gänzlichen Verzicht auf den geplanten
Transport. "Damit würden nicht nur gesundheitliche Risiken eingedämmt,
sondern auch noch enorm Kosten gespart", sagte sie. Während für den
aufwändigen Lkw-Transport und die Deponierung rund 9 Millionen Euro
veranschlagt würden, sei eine Sanierung und Abdichtung der bisherigen
Lagerstätte in Niedersachsen mit 2,5 bis 3 Millionen Euro deutlich billiger.
"Gewonnene Werte haben keine
Aussagekraft"
Sollten die Transporte wie geplant
abgewickelt werden, hätte das ungeahnte bundesweite Auswirkungen, warnte Klaus
Koch vom Aktionsbündnis gegen Asbesttransporte in Lübeck. Dann könne jeder
Hausbesitzer einfordern, sein Asbestdach zu den gleichen herabgesetzten
Sicherheitsstandards entsorgen zu dürfen, sagte er. Das TÜV-Gutachten, das
angeblich die Unbedenklichkeit der Transporte belege, habe keinerlei fachliche
Aussagekraft. Deshalb sei es skandalös, dass das Umweltministerium in Kiel
dessen Aussagen ungeprüft übernommen habe, sagte Koch. Ein Ministeriumsbericht
vom 29. November hatte die umstrittenen Transporte als ungefährlich bewertet
und sich maßgeblich auf das Gutachten aus Niedersachsen bezogen. Da
Umweltministerin Juliane Rumpf (CDU) aber noch weiteren Klärungsbedarf sieht,
hat sie den Vertrag mit Rondeshagen bis auf weiteres nicht freigegeben.
Scharfe Kritik an dem Gutachten übte am
Montag auch der Mineraloge und frühere Leiter des niedersächsischen Landesamtes
für Ökologie, Friedrich Jäkel. Bis zur Auflösung der Behörde 2004 war er für
die Überwachung der Asbesthalde in Wunstorf bei Hannover zuständig. "Der
TÜV Nord ist nur für die Entnahme von Proben zugelassen, die Auswertung muss
durch ein externes Labor erfolgen. Weil der TÜV die Ergebnisse aber selbst
ausgewertet hat, haben die so gewonnenen Werte keine Aussagekraft", sagte
Jäkel. Er kritisierte außerdem das Messverfahren und die Bewertung der
Ergebnisse. Ein Sprecher des TÜV wies diese Behauptung zurück. Auch zur Analyse
sei der TÜV Nord berechtigt, die Kompetenz stehe damit außer Frage.
Jäkel und andere Experten gehen zudem davon
aus, dass es statt um 170.000 Tonnen um bis zu 280.000 Tonnen Asbestmüll gehen
könnte. Dies entspreche etwa 15.000 Lastwagenladungen. Dem Vernehmen nach
sollen auf der Deponie neben asbesthaltigem Schlamm und Bruchscherben auch
besonders gefährlicher Asbeststaub gelagert worden sein. Der Schweriner
BUND-Sprecher Arndt Müller forderte daher eine genaue Analyse des Deponiegutes.