Die unerwünschte Chance
In Nordrhein-Westfalen gilt ein Genehmigungsstopp für das umstrittene Gasförderverfahren – Piraten fordern dies auch für Schleswig-Holstein
Kiel
Reinhard Knof hat kein Vertrauen zu Behörden. Jedenfalls nicht, solange die die Möglichkeiten haben, die in Schleswig-Holstein umstrittene Fracking-Methode zur Gasförderung zu genehmigen. Und der Sprecher der Bürgerinitiative gegen ein unterirdisches CO 2-Endlager
hat Angst um das Wasser in seiner Heimatgemeinde Nehmten (Kreis Plön).
Zwei kleine Wasserwerke gebe es dort. „Wenn dort ein großer Konzern
fracken will, glauben Sie, dass wir kleinen Bürger dagegen etwas machen
können?“, fragt Knof.
Seit gestern sind seine Sorgen gestiegen, dass die Methode, bei der
ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in die Erde gepresst wird,
auch in Schleswig-Holstein Einzug halten könnten. In den USA wird Fracking seit längerem mit großem Erfolg betrieben.
Knof fürchtet wie viele andere Kritiker, dass das Trinkwasser dadurch
verseucht werden könnte. Denn nachdem Bundesumweltminister Peter
Altmaier (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sich auf
einen Verordnungsentwurf geeinigt haben, soll ein generelles Verbot von
Fracking nur in Wasserschutzgebieten gelten. Überall sonst soll es
Umweltverträglichkeitsprüfungen geben. „Und wer weiß, wer da was prüft.
Da fehlt mir jegliches Vertrauen“, sagt Reinhard Knof.
Deswegen unterstützt er die Forderung der Piratenfraktion im Kieler
Landtag, die ein generelles Moratorium für Fracking im Land fordert.
„Die politischen Spielräume, um Fracking zu verhindern, werden von der
Landesregierung nicht genutzt“, sagte gestern die umweltpolitische
Sprecherin der Fraktion, Angelika Beer. Der Landtag hat bislang nur
einstimmig beschlossen, dass alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft
werden müssen, um Fracking in Schleswig-Holstein zu verhindern.
Dazu steht auch Robert Habeck (Grüne). Der schleswig-holsteinische
Energiewendeminister meint, Altmaier habe sich von Rösler „über den
Tisch ziehen lassen. In Wasserschutzgebieten können wir schon jetzt
Fracking ausschließen, dafür brauchen wir Röslers und Altmaiers
Vorschlag nicht.“ Dies in einer Bundesverordnung festzuschreiben, sei
„ein nettes Signal – mehr nicht“, sagt Habeck. Und eine
Umweltverträglichkeitsprüfung sollte selbstverständlich sein. „Auch wir
haben sie gefordert und brauchen sie, solange es kein generelles
Frackingverbot gibt.“
Genau das wollen die Piraten erzwingen. „In Nordrhein-Westfalen ist Fracking auch generell verboten worden, genauso wie in Frankreich“, sagt der Piraten-Fraktionsvorsitzende Patrick Breyer. Aus seiner Sicht spricht nichts dagegen, dass dies in Schleswig-Holstein
auch möglich ist. Breyer will das zuständige Energiewendeministerium
zwingen, alle Gebiete zu nennen, für die Fracking beantragt worden ist.
„Das Interesse der Menschen steht vor der Wahrung des
Geschäftsgeheimnisses der Firmen“, meint Breyer. Nach seinen
Erkenntnissen umfassen die rund ein Viertel der Landesfläche. Nur eine
Firma hat bislang erklärt, wo sie suchen will – in Elmshorn und
Barmstedt (Kreis Pinneberg), Schwarzenbek (Kreis Herzogtum Lauenburg),
Ostrohe (Kreis Dithmarschen) und Gettorf (Kreis Rendsburg-Eckernförde).
Ob ein Antrag auf ein Moratorium möglich ist, ist unklar. Das
Ministerium verweist darauf, dass das Landesamt für Bergbau, Energie und
Geologie in Niedersachsen als Genehmigungsbehörde für Schleswig-Holstein
verpflichtet ist, „Aufsuchungs- und Bewilligungsanträge zu genehmigen,
wenn keiner der im Bundesberggesetz aufgeführten Versagungsgründe
vorliegt. Der mögliche Einsatz von Fracking ist nicht Gegenstand der
Erlaubnis- und Bewilligungsverfahren.“ Habeck bedauert das: „Wir hätten
gern mehr Spielraum. Aber hier sind wir an Recht und Gesetz gebunden.“
In Nordrhein-Westfalen gibt es aber schon
einen Genehmigungsstopp. Dieser soll so lange gelten bis eine
bundeseinheitliche Regel, wie Rösler und Altmaier sie anstreben,
erlassen ist. „Wir wissen, dass dieser Stopp rechtlich umstritten ist“,
sagt der Sprecher des Umweltministeriums in Nordrhein-Westfalen,
Frank Seidlitz. „Aber bis jetzt hat noch kein Unternehmen dagegen
geklagt. Insofern könnte Robert Habeck das in Schleswig-Holstein auch machen.“
Für Reinhard Knof wäre das ein Anfang. Denn seine Befürchtungen gehen
weiter: „Wenn man Gebiete nach Gasvorkommen durchsucht, kann man auch
danach forschen, ob sie sich nicht als Endlager für CO
2 eignen.“
Kay Müller