Berlin
Etwas Zeit ist noch, als Schleswig-Holsteins
Ministerpräsident Peter Harry Carstensen gestern den Plenarsaal des
Bundesrats betritt. Die anderen Regierungschefs sind schon alle da, die
Fotografen noch. Carstensen gesellt sich gerade zu seinen CDU-Parteifreunden
aus Hessen und Niedersachsen – da kommt Hamburgs Erster Bürgermeister
Olaf Scholz freudestrahlend auf ihn zu. Carstensen begrüßt ihn ebenso
freundlich, um ihn aber gleich zur Seite zu nehmen. Nun redet er mit
ernster Miene auf den SPD-Mann ein. Um was es
geht, ist klar: Carstensen ist sauer, weil die Hamburger
Messegesellschaft der Husumer Windmesse ab 2014 Konkurrenz machen will.
Nachdem der Schleswig-Holsteiner seinen Ärger
über den Nachbarn so morgens für die Kameras dokumentiert hat, können
sich die beiden Regierungschefs mittags umso gelöster unterhalten.
Scholz hat Carstensen in die Hamburger Landesvertretung eingeladen, um
die Verstimmungen auszuräumen. Als sie danach vor die Presse treten,
machen sie einen harmonischen Eindruck. „Wir haben sehr freundlich
zusammengesessen“, sagt Scholz. Carstensen freut sich, „dass wir nach
den Irritationen der letzten Wochen deutlich gemacht haben: Wir können
miteinander sprechen“. Und beide erinnern sich, wie sie die Probleme bei
der HSH-Nordbank gemeinsam angepackt haben.
Ach Mensch, ja. Allerdings gibt es außer den atmosphärischen
Fortschritten kaum konkrete Ergebnisse. In Sachen Windmesse appellieren
beide Landesväter an die Beteiligten, nach Kooperationschancen zu
suchen. „Ich kann nur empfehlen, dass die Messen sich zusammensetzen“,
sagt Carstensen. Sonst könnten alle verlieren – die Messe in Husum, die
mit Hannover in einer neu gebildeten „Windallianz“ zusammenarbeitet,
aber auch die Messe Hamburg, die übrigens bis 2012 ebenfalls noch mit
Husum kooperiert das Marketing erledigt. „Vielleicht wird die Messe
Hamburg ja Mitglied der Windallianz“, hofft Carstensen. Scholz findet es
ebenfalls gut, „wenn die Gesellschaften Kooperationsmöglichkeiten
ausloten“. Letztlich würden aber Unternehmen, Verbände und Messefirmen
entscheiden, nicht die Landesregierungen. Was nicht ganz stimmt, denn
die Hamburger Messe gehört der Hansestadt.
Carstensen lässt Scholz das aber durchgehen und lobt ihn sogar dafür,
dass er sich „mit Äußerungen über diese Geschichte sehr zurückgehalten
hat“. Der Schleswig-Holsteiner will jetzt nach
vorne sehen. „Wir werden uns regelmäßiger treffen und die Zusammenarbeit
intensivieren“, sagt er. So wollen die Regierungschefs ihren Behörden
Beine machen, an deren Widerstand nach dem Eindruck Beider bisher so
manche Kooperation scheitert. Die Drohung seines Wirtschaftsministers
Jost de Jager, Projekte mit Hamburg auf den Prüfstand zu stellen, nimmt
Carstensen zurück. „Für uns ist die Zusammenarbeit mit Hamburg dringend
notwendig“, sagt er. „Es wäre kurzsichtig, wenn wir, um Hamburg zu
schaden, Entscheidungen treffen, die uns nichts nützen.“
Etwas gestört bleibt die Harmonie jedoch. Anders als Carstensen
wünscht Scholz sich die Gelegenheit zur unterirdischen
Kohlendioxidspeicherung (CCS) in Deutschland. In Hamburg entstehe ein
modernes Kohlekraftwerk – „insofern ist die Technik für uns wichtig“,
sagt er. Scholz lehnt daher das von Schleswig-Holstein
geforderte Vetorecht für die Länder gegen Anlagen auf deren Gebiet ab.
Allerdings sagt er auch, dass ihn vor allem eine Speicherung des
Klimagases CO2 unter dem Meer interessiere. Den Nordfriesen Carstensen wird das nicht beruhigt haben.
Henning Baethge