WZ vom 26.10.2013:
„Die Menschen sind klug und vorsichtig“
Umweltpsychologin Gundula Hübner erklärt, warum die Schleswig-Holsteiner die Energiewende wollen – aber nicht in den Netzausbau investieren.
Frau Professor Hübner, nur rund 100
Dithmarscher und Nordfriesen haben Anteile an der Bürgernetzleitung von
Brunsbüttel nach Niebüll gezeichnet – sind die Schleswig-Holsteiner gegen die Energiewende?
Nein. Die Zahl der Anteile sagt wenig über die Akzeptanz der
Energiewende und des Netzausbaus aus. Ich habe mit Kollegen in mehreren
Befragungen herausgefunden, dass die Mehrzahl der Dithmarscher und
Nordfriesen im Schnitt eine positive Einstellung zur Energiewende hat.
Die meisten Menschen halten den Netzausbau für nötig, weil sie für den
Klimaschutz sind.
Aber warum gibt dann keiner Geld?
Die Bürgernetzleitung ist etwas Neues, und die Menschen sind klug und
vorsichtig. Oft fehlt das Vertrauen in die Geldanlage. Entweder
zweifeln die Menschen an der Bonität des Netzbetreibers oder ihnen ist
die Rendite zu klein. Aber ich bin mir relativ sicher, dass die
Akzeptanz steigen wird, wenn das Modell verbessert worden ist. Bei der
Finanzierung der Windkraftanlagen gab es zu Anfang auch große Vorbehalte
und jetzt haben wir zu 90 Prozent Bürgerwindparks in Schleswig-Holstein.
Die Menschen wollen zwar die Energiewende, aber nicht den Trassenausbau vor der Haustür.
Auch das ist falsch. Wir haben Menschen befragt, die in unmittelbarer
Nähe zur geplanten Trasse wohnen und auch die bewerten meist
Erneuerbare Energien und Netzausbau positiv.
Woran liegt das?
Sicher auch an den vielen Informationsveranstaltungen, die es an der
Westküste gegeben hat. Das Gespräch zwischen Politikern, Netzbetreibern
und Bürgern ist wichtig. Wir haben herausgefunden, dass
Energiewendeminister Robert Habeck sein Engagement in der Region hoch
angerechnet wird – auch von Bürgerinitiativen, die gegen die Trasse
sind.
Was können die machen?
Der größte Wert der Bürgerinitiativen ist, dass sie Anstöße zur
Verbesserung geben. So etwa, dass Häuser nicht mehr von Leitungen
überspannt werden dürfen. Das ist gelebte Demokratie.
Was fehlt den Menschen?
Sie wollen eine Balance zwischen Mensch und Natur, also nur dort
Eingriffe in ihre Lebenswelt, wo es nicht anders geht. Die Menschen
wollen große Erklärungen – etwa wie das Verhältnis von Wind-, Solar- und
Bioenergie künftig aussehen soll. Wir haben in unseren Befragungen
festgestellt, dass viele große Vorbehalte gegen die Vermaisung haben.
Wir brauchen also einen Masterplan zur Energiewende.
Wäre der nicht furchtbar umfangreich und kompliziert und so den Menschen kaum vermittelbar?
Keiner sagt, dass das einfach ist. Aber viele Menschen wollen das – auch die, die den Netzausbau kritisch sehen.
Die gibt es also doch?
Natürlich, es wird immer Menschen geben, die dagegen sind. Aber wie
unsere Untersuchungen zeigen, repräsentieren sie offenbar nur eine
Minderheit.
Was ist deren Hauptangst?
Die meisten haben nicht die Befürchtung, dass sie krank werden, es
geht ihnen darum, dass das Landschaftsbild nicht zerstört wird.
Deswegen sind ja viele Menschen an der Westküste für die Verlegung eines Erdkabels anstatt einer Überlandleitung.
Natürlich hätten das alle gern, und viele hoffen darauf, dass die
Technik in den nächsten Jahren so weit ist, dass sie sich durchsetzt.
Deswegen stehen manche Menschen bei der Energiewende auf der Bremse.
Anderen geht es wiederum zu langsam. Nur werden die im öffentlichen
Diskurs seltener gehört.
Sind sich die Schleswig-Holsteiner bei der Energiewende denn in nichts einig?
Doch: Kaum jemand will eine Rückkehr zur Atomkraft. Auf einer Skala
von 0 bis 4 liegt die Zustimmung zur Kernenergie nur bei 0,5.
Und deswegen wird die Energiewende am Ende erfolgreich sein?
Es ist doch ganz einfach: Wenn die Schleswig
-Holsteiner
keine Atomkraft mehr wollen, müssen sie am Ende den Windpark und den
Netzausbau in ihrer Nachbarschaft akzeptieren. Und diesen Schritt haben
die meisten schon vollzogen.
Interview: Kay Müller